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Fasanen






Und Gott schuf die großen Seeungeheuer
und alle sich regenden lebenden Wesen,
von denen die Wasser wimmeln, nach ihrer Art,
und alle geflügelten Vögel nach ihrer Art.








-- ,,Chefvisite!''

Mit einem Ruck, ohne zuvor zu klopfen, hatte Schwester Elfriede die Türe geöffnet und stürmte hektisch in den Raum, ordnete das Bettzeug auf den Betten und rückte Stühle, Nachttische und Geräte zurecht.

-- ,,Jetzt? Muß ich den Raum verlassen?'', fragte Vera.

-- ,,Falls es notwendig sein sollte, wird Professor Dehmer es ihnen schon sagen, aber es dauert noch eine Weile. Sie noch ein paar Zimmer entfernt.''

Ihre Mutter wurde wieder unruhig. Vorher hatte sie relativ ruhig geschlafen. Vera wollte schon eine Weile gehen, aber sie konnte sich nicht aufraffen. Sie fühlte sich, als stünde auch sie unter dem Einfluß all der Psychopharmaka, die ihre Mutter im Laufe des Tages in Tabletten, in Spritzen und in Infusionen eingeflößt wurden. Eine gedankenfreie, und damit auch sorgenfreie, Ruhe hatte sich entspannend über sie gelegt, nachdem Walter gegangen war, und nachdem ihre Mutter und die andere Patientin eingeschlafen waren. Nur nicht bewegen, vor allem nicht aufstehen, fühlte sie die Signale ihres Unterbewußten. Aufstehen und die Hektik wäre wieder da. Die geringste Bewegung und die Hilflosigkeit und die Unsicherheit würden sich wieder auf sie stürzen. Draußen wartete die kalte Nacht auf sie, und die lange Fahrt über dunkle Landstraßen. Dennoch, sie wollte los, am Ende der Strecke warteten ihre Kinder im hellen warmen Haus auf sie. Aber hier schien alles so unendlich weit. Felix, ja vor allem er, er schien in einer anderen Welt zu leben. Hoffentlich hatte Felix daran gedacht die Kinder bei Evi abzuholen. Sie mußte gehen, dachte sie und gerade in diesem Moment hatte Schwester Elfriede die Türe aufgerissen. Chefvisite, gab ihr das nicht endlich die Möglichkeit mal von kompetenter Stelle etwas genaues über den Zustand ihrer Mutter zu erfahren? Jetzt mußte sie noch warten. Die ganze Zeit hatte sie doch gehofft einen Arzt anzutreffen, den sie einmal über den Zustand ihrer Mutter befragen könnte. Was war ihre Diagnose? Wann würde es ihr wieder besser gehen? Oder würde sich ihr Zustand nicht, nein, es mußte ihr wieder besser gehen. Aber welche Therapie gab es? Sie wollte Professor Dehmer fragen, wenn er kam. Daß er überhaupt noch so spät arbeitete, war erstaunlich.

--,,Arbeitet der Professor immer so lange?''

--,,Was heißt hier lange? Der war des öfteren hier noch um zwölf gesichtet worden und am nächsten Morgen ist der spätestens um Acht wieder im Einsatz. Der ist mit seinem Job verheiratet.''

--,,Eine Frau würde es wohl kaum bei ihm aushalten, wenn ... ''

--,,Da haben sie was falsch verstanden. Der ist verheiratet und hat darüber hinaus noch vier süße Kinder. Wie der dazu kam, weiß ich nicht ... ich wollte nicht mit dem verheiratet sein ... bei all seinen Geld ... ist ja nicht schlecht, was so ein Chefarzt verdient ... ''

Schwester Elfriede als Vorhut der Chefvisite hatte schon lange das Zimmer wieder verlassen, ihre Mutter und die andere Patientin schliefen wieder ruhiger, und Vera fragte sich, ob Professor Dehmer vielleicht doch nicht zu ihrer Mutter käme. Einmal hatte sie sogar auf dem Flur nachgeschaut, aber er war verweist, selbst das hinter Glas liegende Dienstzimmer der Krankenschwestern schien verweist. Nichts deutete mehr darauf hin, daß erst wenige Sekunden bevor sie auf den Flur trat, Professor Dehmer und sein Kometenschweif aus Krankenschwestern und ihm unterstellten Ärzten ins Nachbarzimmer eingedrungen war.

Ein energisches Klopfen an der Türe unterbricht ihre Unterhaltung. Zwei Krankenschwestern stürmen ins Zimmer und stellen sich auf der linken und rechten Seite von der anderen Patientin auf. Professor Dehmer in lebhafter Fachdiskussion mit dem leitenden Oberarzt und der Stationsarzt ergreift die hinter dem Bett steckende Krankenakte, um sie dem Chefarzt zu geben.

--,,Frau Meyer erhält seit heute nur noch die halbe Dosis und es sieht soweit recht gut aus!'', meldet der Staionsarzt.

--,,Die halbe Dosis von was? ... Ah ja ... hier stehts ja ... also dann Frau Meyer ich denke, wenn es so weiter geht, können wir in ein paar Tagen wieder nach Hause gehen. ... ''

Noch während er spricht eilt er weiter zu Veras Mutter, oder besser gesagt zu ihrer Akte, denn diese schien aussagekräftiger zu sein, als jede Betrachtung der Patientin.

--,, ... und wen haben wir denn ... ja, die Frau Brauer ... das Fieber sollten wir auf jeden Fall weiter senken ... ansonsten weiter so mit der Therapie ... ''

Professor Dehmer war schon wieder auf dem Weg das Zimmer zu verlassen, ohne überhaupt Vera in der Ecke wahrgenommen zu haben, als ihn Schwester Elfriede, die wieder gekommen war, vielleicht gerade deshalb, nach leichtem Hüsteln darauf aufmekrsam machte, daß Frau Schmied auf ihn gewartet hätte.

Widerwillig, aber dennoch lächelnd eilt er zu ihr, reicht ihr die Hand und sagt:

--,,Also, sie sehen ja, den Umständen entsprechend geht es ihrer Mutter wieder recht gut.''

--,,Aber, was sind ihre ... naja ... Umstände?''

--,,Ich denke, wir sollten uns darüber mal in Ruhe unterhalten. Sie sehen ja, ich bin heute sehr in Eile. Also dann Auf Wiedersehen!''

Er war wieder auf dem Weg das Zimmer zu verlassen, als ihm Vera nachrief:

--,,Wann können wir uns unterhalten!''

--,,Sind sie morgen da? Samstags kann ich Sowas immer mal dazwischen schieben! Machen sie mal mit Schwester Elfriede einen Termin aus.''




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