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Abschnitt 27


Wider Erwarten war es ein toller Abend geworden, denkt Felix, da hatte Lee Yang-ho ganz recht gehabt. Für den wundervollen Abend, den sie miteinander verbracht hätten, müsse er sich recht herzlich bedanken, hatte Lee vor wenigen Minuten zum Abschied gesagt, als er am Taxi Felix Hand schüttelte, aber er hatte Wiedenkamp im Visier gehabt. Einzig ihm gebührte sein Dank, bloße Höflichkeit, daß er ihn nun so einschloß. Er konnte ihm nur recht geben, denn es war einfach toll gewesen, wie er humorvoll und mit geistreichen Anekdoten die Unterhaltung in Gang gehalten hatte. Er wurde unterstützt von Lee, dessen ausgezeichneten Deutschkenntnisse Felix den ganzen Abend fasziniert hatten. Deutsche Schule seit er sechs oder sieben Jahre alt gewesen war. Sein Kollege mit dem für Deutsche so verwirrenden Namen Sohn Buhm-jin mußte sich aber schrecklich gelangweilt haben, denn seine Sprachkenntnisse in Deutsch, aber auch in Englisch, waren sehr dürftig. Er konnte keine Fremdsprachen und hatte auch wenig Sprachgefühl.

Felix ist froh, daß Dr. Wiedenkamp dabeigewesen war, und vor allem daß er selbst auch hatte mitgehen können, obwohl er sich anfangs so dagegen gesträubt hatte. Aber eigentlich hatten Felix und Dr. Wiedenkamp keine andere Wahl gehabt, denn es war ja Mohlers Idee gewesen, und wenn der eine Idee hatte konnte man ihm dies nur schwerlich aus dem Kopf schlagen. Wiedenkamp wußte davon nichts, sollte davon nichts wissen, denn er hätte sicherlich sofort vermutet, daß Mohler irgendeinen Plan damit verfolge. Felix hatte es Dr. Wiedenkamp gegenüber so dargestellt, als hätte er ihn gerne wegen seiner überragenden fachlichen Kompetenz dabei.

--,,Aber wenn es doch nur um ein gemütliches Beisammensein gehen soll, warum brauchen Sie dann jemand mit fundierten Fachkenntnissen?'', hatte Wiedenkamp skeptisch eingewand, und hatte sofort noch einen Seitenhieb auf Dr. Malter nachgeschoben: ,,Malter ist doch viel besser im Smalltalk, das macht er doch den ganzen Tag!''

--,,Ich glaube, daß ich mich ihn ihnen getäuscht habe!'', sagte Dr. Wiedenkamp im Felsenkeller, während er ihm zuprostete, nachdem die beiden Koreaner gegangen waren.

--,,Wie meinen sie das?'', fragte Felix verdutzt.

--,,Wie soll ich sagen? Bevor sie zu uns kamen, waren sie ja solange direkt bei Mohler gewesen. Manche munkelten sogar, daß sie Verwandtschaft von ihm seien. Da hieß es sofort: Aufpassen, Spion oder sowas!''

Monatliche Audienz beim Big Boss! Stand von TQM und, was den Boss sonst so interessiert. In seinem schwarzen ledernen Chefsessel sitzend, überdimensioniert, wie fast alles in seinem Büro, hatte er ihm ungeduldig zugehört, so als habe er keine Zeit und warte darauf, daß Felix endlich fertig wäre. Stehend berichtete Felix über die Fortschritte bei TQM, denn er hatte sich nicht getraut in einem der zahlreichen Besuchersessel Platz zu nehmen, als ihm beim Eintreten diese Nicht-viel-Zeit-Mach-bloß-schnell Stimmung entgegenschlug, und es hatte auch keinerlei diesbezügliche Ermunterungen von Mohler gegeben. Ob er vielleicht besser ein andermal wiederkommen solle, hatte Felix gefragt. Nein, nein, ich habe sowieso noch was mit ihnen zu besprechen. Felix wunderte sich während er referierte, was Mohler wohl ihm besprechen wollte. Neben ihm in stoischer Ruhe in der scheinbar grenzenlosen Weite dieses Protzbüros standen mit ernsten und selbstbewußten Mienen Mohlers Vater und sein Großvater, der Firmengründer, lebensgroß in Bronze gegossen. Felix tänzelte unruhig in seinen schwarzen Lackschuhen, wie immer tadellos glänzend, auf dem kaminfeuerroten Perserteppich, zu groß und zu teuer für Durchschnittswohnzimmer, aber in Mohlers Büro wirkte dieses Webwerk nur bescheiden. Mohler wirkte zusehends fahriger, immer schneller drehte sich sein mächtiger Stuhl hin und her, was Felix ermahnte mehr und mehr von dem zu streichen, was er eigentlich hatte sagen wollen. Auch an diesem Tag verfehlte der Raum nicht seine Wirkung: Klein, unbedeutend und hilflos war er sich vorgekommen.

Mohlers Idee, sein Wunsch, ex cathedra -- schwarz und ledern -- hatte er sie ihm schlängelnd unterbreitet.

`Ihr habt ihn immer viel zu nachlässig erzogen. Schau nur, wie er sich in seinem Sessel lümmelt. So benimmt sich doch keine Respektperson', hört Mohler seinen Großvater Karl Mohler mit seinem Vater tuscheln.

`Und du läßt nie ein gutes Haar an ihm!', antwortet sein Vater, und schaut wieder stoisch in den Raum.

--,,Sagen Sie mal, Herr Schmied! Zur Zeit sind doch die Koreaner im Haus?'', hatte Mohler ihn dann doch unterbrochen gehabt.

--,,Ja? ... Ist mir nicht bekannt! ...''

--,,Doch, die sind zur Zeit in der Firma! Ich denke, das sich jemand um sie kümmern sollte ...''

--,,Aber ich dachte, Dr. Malter kümmert sich doch um sie. ... ''

`Herrgott ist der blöd!', dachte Mohler der Dritte und sein Vater Siegfried hob verächtlich die Augenbrauen, und er hörte die Stimme seines Großvaters: `Red' doch nicht immer so um den heißen Brei! Deine Eltern waren immer zu nachsichtig mit dir gewesen! Vor allem Deine Mutter'. Und sein Vater zuckte mit den Achseln, jedenfalls sah Norbert Mohler es so.

`Muß ich dem denn immer alles bis ins Detail vorkauen. Ich will Mitarbeiter, die mitdenken und nicht solche, die', und Karl Mohler, der legendäre Firmengründer preschte in den gestoppten Gedankenstroms seines Enkels. `Sag' klar, was du denkst, und sie verstehen dich auch!'

--,,Du kommst gleich wieder in die Empfangshalle, wenn du nicht ruhig bist!'', brummelte Mohler der Dritte.

--,,Bitte?'', fragte Felix verunsichert. Er hatte nicht richtig verstanden, was er gesagt hatte, glaubte aber, daß er vielleicht unerwünscht sei.

`Da ist wenig mehr los!', schmollte sein Opa.

--,,Ne, nicht sie ...Also, ich finde, sie sollten mal was mit den Koreanern unternehmen! Also ich dachte da an Donnerstag. Ich dachte, daß sie Donnerstag abend mit den Gästen essen gehen? Wie wär's denn mit dem Kronenkeller? Wenn die hier sind wollen die doch bestimmt auch mal so richtig zünftige deutsche Küche kennenlernen. Denken Sie nicht auch?''

`Und wie war das, war doch besser', dachte Mohler in Richtung seines Opas, aber erhielt nur ein: `Das ist halt das mindeste, was ich von einem Firmenchef erwarte.

--,,Doch schon,'' antwortete Felix zögerlich.

,,Doch schon'' sollte heißen: Er könne sich das auch gut vorstellen, daß die Koreaner zünftiges deutsches Essen haben wollten, mußte doch verdammt exotisch für die sein. Aber es sollte nicht heissen, daß er Lust hatte, sie dorthin zu begleiten. Er hatte einfach keine Lust im Kronenkeller zu essen, schon wieder dort zu essen, denn allzu viele Geschäftsessen hatten in letzter Zeit dort stattgefunden. Die hochgelobte und raffinierte deutsche Küche à la Kronenkeller konnte ihn diesmal nicht reizen. Allerdings hatten die Gerichte häufig nur die Grundzutaten mit den original Rezepten gemein. Gewürzliche Abstimmung, Saußen, Zusammenstellungen entsprangen der Phantasie und der Erfahrung des belgischen Chefkoches. Aber das Essen war nicht der eigentliche Grund. Auch nicht, daß ihm ein Abend mit Dr. Wiedenkamp und den Koreaner nicht als besonders attraktiv erschien.

Aber der Termin, der Donnerstag, das hatte ihn zusammenzucken lassen. Es war der einzige Abend in dieser Woche, an dem er früher zu Hause sein könnte, und es war vor allen Dingen der Abend, den er Vera vor einer Woche als Alternative zum letzten Freitag angegeben hatte. Sie könne doch mit ihm an diesem Donnerstag weggehen, hatte er ihr vorgeschlagen, anstatt diesen Typen, den sie ja noch nicht einmal richtig kannte zum Babysitten zu nehmen und alleine wegzugehen. Er hatte ganz vergessen, daß sie donnerstags immer Tennis spielten. Kein Wunder, daß sie so verrgert war. Und jetzt konnte er noch nicht einmal mit Tennis spielen. Und dieser Typ ist schon wieder beim Tennisspiel dabei. Plötzlich konnte sie wieder Andrea fragen, ob sie auf die Kinder aufpaßt.



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