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Abschnitt 28


--,,Wieso muß es denn ausgerechnet nächsten Freitag sein. Du könntest ja auch an irgendeinem anderen Tag weggehen, ...''

--,,Und dann wär's okay?''

--,,Nein, ich meine ...irgendein Tag an dem ich zu Hause bin!''

--,,Du bist doch die ganze nächste Woche mit diesem Larry beschäftigt. Hattest Du doch selbst gesagt. Da ist es doch wohl egal an welchem Tag ich weggehe!''

--,,Da läßt es sich schon mal machen, daß ich abends mal etwas früher ... ''

--,,Ja, und dann warte ich und warte, bis dein Anruf kommt: `Tut mir leid, es wird doch noch etwas später!''

--,,Aber übernächste Woche! Dann fliegt Larry zurück. Da habe ich bestimmt mehr Zeit. ''

--,,Montags, Gespräch bei Mohler, da bist du garantiert nicht vor neun zurück, Dienstag, TQM, Brainstorming am Kaminfeuer ''

--,,TQM gibt es nicht mehr, wird ja alles neu definiert jetzt!''

--,,Ihr habt also nicht mehr eure TQM-Runde?'', fragte sie erstaunt.

--,,Doch, die Runde schon, aber das Thema ist halt jetzt EAS Brainstorming, und außerdem haben wir natürlich kein Kaminfeuer in dieser Jahreszeit!''

--,,Also Brainstorming ohne Feuer, ist mir auch völlig schnuppe, wie ihr es nennt! Jedenfalls bist du nach wie vor dienstag abends nicht zu Hause! Stimmt doch oder nicht? ...Mittwoch heißt es dann `Aufarbeiten des liegengebliebenen Papierkrams, ...''

--,,Em, das war, ... das ist ja der Grund ... ich meine unter anderem ... weshalb ich anrief ... es könnte sein, daß es heute doch etwas später wird, denn ich habe da noch ein paar dringende Sachen, die ich unbedingt noch heute Abend erledigen sollte ... ''

--,,So!? Tja, hätt' mich auch wirklich gewundert. Und da sagst du, du könntest abends auch auf die Kinder aufpassen. Wann sollte das denn klappen?''

--,,An dem Donnerstag Abend zum Beispiel ... dann könnte es bestimmt klappen! Ich meine, falls nichts dazwischen ... ''

--,,Soso, also an dem Donnertstagabend hättest du vielleicht Zeit. Vielleicht erinnerst du dich noch, so ganz dunkel vielleicht, das dies unser GEMEINSAMER TENNISABEND ist? Ich bin davon ausgegangen, daß du dann endlich mal wieder Zeit hast. Moni und Chris kennen dich schon fast nicht mehr!'', schrie Vera beinahe ins Telefon.

--,,Ne, ne, beruhige dich! Das klappt schon! -- In was für einen Film willst du überhaupt gehen?''

--,,Mal sehen, weiß ich noch nicht. Irgendeiner der mir gefällt.''

--,,Weißt du nicht? ... Wieso muß es dann jetzt so dringend sein, wenn du noch nicht einmal weißt, was kommt, oder ob dir etwas gefällt? ...Also, wenn ich ins Kino gehe, dann gehe ich in einen bestimmten Film ... einen der mich besonders interessiert ... ''

--,,Du bist doch auch immer weg! Warum sollte ich nicht auch einmal weggehen dürfen?''

--,,Das ist doch was anderes!''

--,,Wieso ist das was anderes!'', hatte sie ihn erbost unterbrochen.

--,,Ich geh' doch schließlich nicht nur so zum Spaß weg. Das gehöhrt nun mal zu meiner Arbeit dazu.''

Darauf hatte sie gewartet, nun spielte sie ihren Trumpf aus.

--,,Und die Autorenlesung -- dieser Bertram Wegner -- das ist wohl auch eine geschäftliche Notwendigkeit? Oh ja, ich hätte ja beinahe vergessen. Die Frau vom Big Boss und da mußt du dich natürlich opfern. Da kannst du sogar eine Geschäftsreise verschieben.'', hatte sie ihm sarkastisch vorgeworfen.

--,,Du könntest ja auch mitgehen, wenn Du wolltest ...''

--,,Oh ja, das wär' bestimmt ganz toll. Ich so als fünftes Rad am Wagen -- und außerdem, du weißt ja, daß sich so eine Art von Romane nicht mag!''

Keine Antwort mehr von ihm, nie, wenn eine Verteidigung aussichtslos scheint. Lieber schweigen, ausschweigen, und dann Ablenkungsmanöver. Sie sollte nicht alleine weggehen, das gefiel ihm nicht, aber erst mal diesen Termin zunichte machen. Zeit gewinnen. Neues Argument: `Wenn schon weggehen, warum gerade dieser Freitag, irgendein Freitag, irgendein Tag wäre doch auch möglich!'.

Bei seinen Kinotheorien waren sie doch schon einmal gewesen im Verlauf ihres Streites. Ihm paßte es generel nicht, daß sie abends weggehen wollte, aber dies wollte er so nicht zugeben. Kino, das sei doch was für Teenies, zum Schmusen, hinten in der Loge im Dunkeln, hatte bei der ersten Kinoargumentationsrunde verkündet. Aus dem Alter seien sie doch längst draus. Das könne er ruhig auch mal mit ihr im Kino tun, hatte sie scherzend gesagt, obwohl sie im Grunde verärgert und enttäuscht war. Aber dieser Versuch, die Diskussion in eine positive Bahn zu lenken, blieb erfolglos, denn kaum eine halbe Stunde später verblüffte er mit seinem neuen Argument, daß man nur ins Kino ginge, wenn einen ein bestimmter Film besonders interessiere.

--,,Dich hat aber wohl schon lange kein Film mehr interessiert. Wann warst du denn das letzte Mal im Kino? ... Ich muß jetzt mal in die Küche; diese ganze Diskussion führt ja zu nichts!''

Aber so leicht ließ sich Felix nicht mehr stoppen, er folgte ihr sofort in die Küche.

--,,Und überhaupt ... einen Mann als Babysitter ... du kennst den doch gar nicht richtig ... er hat jetzt zweimal mit euch Tennis gespielt ... und jetzt willst du ihm meine Kinder anvertrauen ... ''

--,,Unsere Kinder ... ''

--,,Wie kamst du überhaupt auf diese Idee? ... Du warst doch immer die gewesen, der kein Babysitter gut genug war für die Kinder! Und jetzt ein Mann ... Ich faß' es nicht!''

--,,Ich kann ja nicht immer Andrea fragen. Ich bin ja schon froh, daß sie auf die Kinder aufpaßt, wenn wir -- manchmal gehst du ja auch noch mit dir -- Tennis spielen, und wenn sie da ist, wenn ich mal einen Arzttermin habe. ...''

Was sollte sie ihm sagen? Daß sie so schon lange nicht mehr so beim Tennis amüsiert habe. Daß sie schon lange nicht mehr so gelacht habe. Daß Francois ihr sogenanntes Après-Tennis wiederbelebt habe. Daß ihr an diesem Abend klar geworden war, wie sehr diese Runden nach dem Tennis zur langweiligen Pflichtübung geworden waren, wie sehr sie zur Zeremonie verkommen waren. Daß sie fast nur noch zum Löschen des Durstes dienten. Jahrelang fast jede Woche, fast immer zur gleichen Zeit, immer dienstags, zumindest seit fast drei Jahren, als sie den Termin aus organisatorischen Gründen von montags verschieben mußten. Das Zwerchfell hatte ihr plötzlich wehgetan vor lachen und sie spürte einen Muskelkater in ihren geröteten Wangen. Es konnte nicht das eine Bier mehr gewesen sein, weshalb sie sich so ausgelassen, so unbeschwert gefühlt hatte. Francois war Schuld gewesen. Mit Francois war es plötzlich anders geworden. Er würde ihnen noch eine Weile seine Lieblingswitze und Schwänke aus seinem Leben erzählen können, ohne sich zu wiederholen. Und selbst wenn er sich wiederholen sollte. Sie würde wieder lachen müssen. Es war faszinierend zu beobachten, wie er sich mit einem kurzen Schließen seiner Augenwimpern in eine nur an das eine denkende Nonne verwandelte, die sich über die Schandtaten des Herrn Pastors entsetzte, und er glänzte in der Rolle des schwulen Friseurs, und sein ständiger französischer Akzent macht alles nur besser. Seine Stimme konnte sich jungfräulich schämen, krächzte im Greisenmuff, donnerte geschmeidig in Managerpotenz und wollüstelte für die käufliche Dame und alles war gekrönt von seiner unnachahmlichen Gestik und Mimik. Felix könnte die gleichen Witze wörtlich erzählen, und niemand könnte lachen, ja alle wären wohl eher peinlich berührt, wie er so einen dämlichen Witz erzählen könnte. Chris war wohl irritiert, wie sie aus seinen Bemerkungen herauszuhören glaubte. Es schockte ihn, wie ihm, dem Schauspieler, ein Lehrer, und zu allem Überfluß noch einer mit so unliterarischen Fächern wie Physik und Mathematik die Schau stehlen könnte. Ihm lägen mehr die ernsten Rollen, Klamauk wäre nichts für ihn. Aber er müsse zugeben, Francois sei so was wie ein Naturtalent. Nach einer Weile, begann sie, wenn Francois einen Witz erzählte, meist schon lange vor der Pointe zu lachen. Sie konnte einfach nicht mehr anders. Sie brauchte ihn einfach nur anzuschauen und es startete automatisch. Oft kicherte sie so laut, daß sie die Pointe nicht mehr hören konnte. Vera lachte ohne Unterlaß, und es hätte auch gut von einem pubertierenden Mädchen stammen können. Felix wäre entsetzt gewesen, dachte sie, er hatte kein Verständnis dafür, sich in der Öffentlichkeit so gehen zu lassen. Ein Wirbelsturm, befreiend und enthemmend, der alle mitriß, selbst die wenigen Gäste an den Nachbartischen. Chris wollte sich wohl zusammenreißen, spukte dann aber einen großen Schluck Bier über seine Hose, als er nicht mehr an sich halten konnte, und als er wieder aufschaute: Stille, Tränen quellen aus Veras Augen. Zuerst dachte er, es seien Freudentränen, aber nur so lange, bis er sie nochmals anschaute und die Sorgenfalten sah. Was war los mit ihr? Es sei doch alles so schön gewesen, fragten sie sie fast einstimmig. Ja eben, daß sei es ja gerade. Weil es so schön gewesen sei, plötzlich hätte sie daran gedacht, daß sie gleich wieder gehen müsse, und daß dann der Alltagstrott wieder über sie einbrechen würde. Abend für Abend wäre sie wieder alleine die darauffolgende Woche, wenn man mal von den Kindern absieht. Felix würde sich mit den Amis in irgendwelchen Feinschmeckerlokalen vergnügen, und noch über den schrecklichen Arbeitsstreß jammern. Es wäre ja alles viel besser zu ertragen, wenn sie nicht immer so alleine wäre, wenn sie abends einen Mann hätte mit dem sie über ihre Probleme reden könnte. Aber wenn sie Felix brauchte, sei er weg, mal auf Dienstreise, mal zu einem Geschäftsessen, oder er müßte dringende Arbeiten machen: in der Firma oder in seinem Arbeitszimmer zu Hause. Aber auch wenn er zu Hause war, seine Gedanken waren immer bei der Firma. Wie so häufig sagte sie, daß man glauben könnte er sei mit seiner Firma verheiratet, aber diesmal war es nicht scherzhaft gemeint, wie sonst. Was habe das noch mit einem Familienleben zu tun, was nütze ihr dann das ganze Geld, das er verdiene.

Später dann in Veras Auto vor Francois Wohnung, blieb Francois noch in Veras Wagen sitzen, zögerte auszusteigen. Vera drängte ihn nicht, obwohl ihre Nachbarin wohl schon ungeduldig wartete. Schweigend saß sie da, und ihre schlanken Fingern umspielten das Lenkrad, als Francois ihr sein Angebot unterbreitete. Langsam und vorsichtig. Er habe sich etwas überlegt. Sie könne es sich ja mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Er fände es eine gute Idee. Er würde auf die Kinder aufpassen, und sie könne sich einfach mal einen schönen Abend machen. Mal ins Kino oder ins Theater gehen, oder einfach so in eine Kneipe oder ein Restaurant. Nur wenig überzeugend und nur allzu kurze Zeit hatte sie sich geziert, bevor sie sein Angebot dankend annahm.

--,,Du kennst den doch noch nicht einmal richtig. Wer weiß, was das für einer ist. Vielleicht ist das auch so ein Päderast oder so ein Pädophiler. Passiert doch ständig ... also mir gefällt das gar nicht ...Wenn du mich wenigstens gefragt hättest, ich hätte ja meine Zeit so legen können, daß ich zu Hause wäre ... dann hätten wir keinen fremden Mann ... ''

--,,Soll ich ihn mal fragen, ob er übernächst Woche an dem Freitag kann, dann kommst du früher nach Hause, und wir könnten zusammen ins Kino gehen!''

--,,Ja, das ... nein, Freitag ist nicht so gut, da wird's wahrscheinlich wieder etwas später ... aber die darauffolgende Woche, dann ... ''

--,,Okay, fein, dann bin ich mal gespannt, ob das klappt! Aber diesen Freitag gehe ich dann trotzdem alleine, denn ob du nächste Woche kannst, das wag' ich noch zu bezweifeln ... ich brauch' das jetzt ...sonst fällt mir einfach die Decke auf den Kopf!''



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