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Abschnitt 72


--,,Wie Herr, noch nicht zur Ruh'? Der König ist zu Bett.
Er ist diese Nacht ausserordentlich frölich gewesen, und
Sandte noch all Euren Hausbedienten reiche Geschenke;
Mit diesem Diamanten grüßt er Eure Frau,
Als seine güt'gste Wirtin; Höchst zufrieden
Begab er sich zur Ruh'.''.

So begrüßte ihn Chris überschwenglich nach seinem Abend im griechischen Restaurant. Völlig verdutzt war er gewesen, als er Chris auf dem Wohnzimmercouch sitzen sah. Seine Wangen waren errötet. Wohl weil es zu warm im Zimmer war, und außerdem hatten er und Vera wohl zuviel getrunken gehabt.

--,,Was isn' los mit dir? Sonst geht's dir gut?''

--,,Alles war gut.
Ich träumte letzte Nacht von den drei Zauberschwestern:
Euch haben sie was Wahres doch gesagt.''

--,,So weit bin ich noch nicht, daß Zauberschwestern mit mir reden würden. Wie wär's, wenn du einfach mal rein kommst?''

--,,Wie's Euch beliebt.''

--,,Der König würde jetzt auch ein Gläßchen Wein trinken, wenn's recht ist!'', sagte Felix, nachdem er sein Erstaunen überwunden hatte.

--,,Chris hat uns unsere Schüssel zurückgebracht!'', sagte Vera auf dem Weg zum Schrank, um ein Weinglas für Felix zu holen. ,,Du weißt doch die Schüssel mit dem Nachtischrest, die er und Moni nach der Party mitgenommen hatten. ...Ganz tolle Kirschen hat er mitgebracht. Schau' mal in der Schüssel!''

Warum mußte Chris jetzt noch da sein. Felix fühlte sich total geschlaucht. Dabei hatte der Abend so gut angefangen. Dei Musik hatte ihn an ihren letzten Urlaub in Griechenland erinnert, und dann plötzlich war er gereizt. Vielleicht war es der Ouzo gewesen, den er vor dem Essen bekommen hatte, er hatte noch Dr. Springers zusätzlich getrunken, weil dieser keinen Schnaps mochte, wie er sagte.

Die ging ihm die Musik entsetztlich auf die Nerven. Irgendwie klang alles gleich, und griechisch verstand er ja auch nicht. Sommer, Sonne, Meer, und vor allem schöne Frauen wurden, seit sie das Poseidon betreten hatten, in diversen Sprachen beschworen, die Hits des letzten Sommers. Die Musik die Leute, alles war plötzlich so laut. Seine Ohren hallten, wie ein paar Monate vorher, als er eine schwere Erkältung hatte. Dr. Springer, der vor einer bunt bemalten Amphore saß, hob wieder sein Weinglas und prostete ihm und Herrn König zu.

--,,Cheers, ... auf eine gute Zusammenarbeit!''

Er fände es ganz toll, daß Felix sich so spontan entschieden hätte, den Abend mit ihnen zu verbringen. Hoffentlich hätte es seine Frau nicht gestört. Dann hatte er sich ausgiebig über seine Frau und seine Kinder erkundigt und Felix.

--,,Wenn meine Frau weiß, daß keine andere Frau dabei ist, stört sie kein Geschäftsessen!'', sagte Dr. Springer lachend.

So richtig eifersüchtig sei seine Frau nicht, meinte Felix, aber so sei es ihr wahrscheinlich auch lieber.

--,,Apropos, sie glauben nicht von wem ich ihnen allerliebste Grüße ausrichten sollte, von meiner alten Bekannten, der Biggi ...eine unvergeßliche Nacht sei es für sie gewesen!'', sagte Dr. Springer lachend.

--,,ähem ...sie meinten `einen unvergeßlichen Abend'?'', fragte Felix erschrocken.

--,,Natürlich, habe ich etwa Nacht gesagt!''.

Sein Grinsen war nun noch intensiver und auch Herr König begann zu kichern, prustete sogar einen Schluck Wein aus.

Vera fand es gut, daß er einfach so gekommen war, sagte sie später zu Felix im Badezimmer, als Chris gegangen war. Vor allem die Kirschen, sie habe sich riesig darüber gefreut. Felix war müde gewesen, hätte gerne in Ruhe mal darüber nachgedacht, was an diesem Abend passiert war. Stattdessen mußte er dann Chris Ausführungen über die Schauspielerei lauschen. Sie hätte es sehr interessant gefunden, sagte Vera zu ihm, während sie ihre Zähne putzte. Also, sie hätte Chris an diesem Abend äußerst amüsant gefunden. Er hätte ja ins Bett gehen können, hatte sie gesagt, nachdem er ihr gesagt hatte, daß Chris viel zu lange geblieben sei, und er schrecklich müde gewesen sei. Wollte sie ihn ärgern oder eifersüchtig machen? Es wäre ein fruchtloses Unterfangen, denn er wußte doch, daß Chris nicht ihr Typ war. Da war keine Gefahr, er brauchte nicht eifersüchtig zu sein. Sie hätte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, was es eigentlich bedeute eine Rolle zu übernehmen.

--,,Allein schon das ganze Auswendiglernen. Wenn ich mir das vorstelle, ich glaub' ich könnt' das nie!'', hatte sie gesagt, während sie ihre Zahnbürste wegstellte.

--,,Ich hab' bei meinem Studium auch eine Mange auswendig lernen müssen. Das war kein Problem. Aber das waren alles Sachen, die ich jetzt brauchen kann. Was nützt es, wenn man den ganzen Macbeth kennt? Das ist was für Frauen und Schwule!''

--,,Du bist nur neidisch auf Chris ... sonst würdest du so etwas nicht sagen ... ''

--,,Ich neidisch? Ausgerechnet auf Chris! Warum sollte ich gerade auf ihn neidisch sein?''

--,,Weil er das Leben genießt, weil er nicht nur seine Arbeit kennt!''

--,,Der weiß doch nicht, was er will! Der vergeudet doch nur seine Zeit!''

Chris würde sich am besten mal darauf konzentrieren seine Promotion zu vollenden, statt diesen ganzen unnützen Schauspielaktivitäten, dachte Felix gegen Mitternacht im Badezimmer, und auch, als Chris über die Suche nach einer geeigneten Rolle sprach.

--,,Macbeth geht nicht ... nicht für mich ... mit einer Figur muß ich mich in irgendeiner Form identifizieren können und ... diese Machtgeilheit ... Skrupellosigkeit ...das liegt mir zu fern ...zu wenig Erfahrung ... Banquo ...aber irgendwie gibt der nicht genug her''

--,,Also, da gibt es doch die ganzen herrlichen Monologe von Macbeth ... ist ja jetzt schon eine Weile her, seit ich sie das letzte mal gehört habe ...in der Schule glaub' ich. ...vor allem der eine `Sein oder nicht sein das ist hier die Frage ... '', wendet Felix ein, und ,,herrliche Monologe'' war Chris Stichwort, um wieder zu rezitieren:

--,,Das ist aber von Hamlet ...'', korrigierte ihn Chris.

--,,Klar, einer von denen halt!'', rechtfertigt sich Felix, und Chris zweifelte, ob Felix wußte, das Hamlet keine Person in Macbeth ist.

--,,Das ist ein schöner Monolog von Macbeth:
Ist das ein Dolch, was ich vor mir erblicke
Der Griff gegen meine Hand gekehrt? Komm, laß mich dich fassen.
Ich hab' dich nicht, doch immer seh' ich dich.
Bist du, schicksalshafter Anblick, nicht fühlbar
Wie du sichtbar bist? Oder bist du nur
Ein Dolch der Seele, ein täuschendes Geschöpf
Entsprungen dem fiebrig-erhitzten Gehirn?
Ich seh' dich noch, in einer Form so greifbar
Wie dieser, den ich jetzt zücke.
Du zeigst mir den Weg,den ich gehen wollte,
und ein solches Werkzeug, wollt' ich gebrauchen.
Meine Augen, genarrt von den andren Sinnen?
Oder mehr wert als alle; Ich seh dich noch,
Und auf Klinge und Griff Tropfen von Blut,
Die zuvor noch nicht waren. Das gibt es nicht
Es ist das blutige Unternehmen, das sich so
Meinen Augen vorstellt.

... weiter kann ich es zur Zeit leider nicht, aber ich denke das reicht auch ...''

Kurze Stille, und dann klatschte Vera, laut und emphatisch, während Felix sie anschaute, als wäre sie verrückt.

--,,Großartig Chris. Ich weiß gar nicht, was du hast. Du wärst ein guter Macbeth.''

--,,Nein, ich müßte mich besser reindenken, einfühlen können. Jemanden zu morden, nur um selbst weiterzukommen, Karriere zu machen. Mir hat sich noch nie ein Dolch gezeigt, so zu sagen ... ''

--,,Aber vielleicht gerade deshalb, du hast das Erschrecken so toll gespielt!''

Sie hätte es jedenfalls gut gefunden, was er ihnen vorgespielt habe, sagte sie, während sie ihre Pyjamahose anzog, nachdem Felix gesagt hatte, daß er daran zweifle, ob Chris überhaupt talentiert genug sei, jemals ein Engagement zu erhalten. Chris könne noch Karriere machen, widersprach sie ihm, wenn er bloß dabei bleibe, da sei sie sich ziemlich sicher. Felix sah wieder ihren allzu lauten, wie er dachte nur durch hohen Alkoholkonsum zu erklärenden, Applaus vor sich. Sie hatte es nicht getan, weil es ihr wirklich gefallen hatte, da war er sich sicher. Sie wollte ihn treffen.

--,,Aus dem wird nie was, sag' ich dir!'', sagte Felix verärgert, als er äußerst penibel seine Zahnbürste unter einem starken Wasserstrahl säuberte.

--,,Du hast ja heute nicht gerade mit Shakespearkenntnissen geglänzt!'', giftete Vera

-,,Ja, Hamlet ist wirklich die ideale Rolle für ihn. Sein oder nicht sein, wenn er nicht bald mal was tut, dann wird er nicht sein. Der weiß doch einfach nicht, was er will. Denk' nur mal daran, wie lange der gebraucht hatte, bis er endlich sein Diplom hatte. ... und nun gammelt der schon ewig an der Uni herum, um zu promovieren, oder was auch immer ...Ich glaub', der wartet doch nur, daß die Muse kommt und ihn küßt!'', sagte Felix bissig, nachdem er seinen Mund ausgespült hatte.

--,,Immerhin hat er ja jetzt die Rolle als Banquo!''

Bloß jetzt nicht noch ein Strei mit Vera. Der ganze Abend war schon so völlig danebengelaufen. Er hatte keine Lust gehabt, mit Dr. Springer essen zu gehen, und Vera hatte geschmollt, weil er wegging. Da war ihr Chris wie gerufen gekommen. Auf seine Einwände hatte Dr. Springer nur gesagt, daß man das, was sie zu besprechen hätten, nicht ,,zwischen Tür und Angel besprechen könne.'', und überhaupt, was habe er denn gegen ein gepflegtes Ambiente auszusetzen, fragte ihn Dr. Springer nachmittags am Telefon. Sicherlich wollte er wieder einen neuen Anlauf in Sachen NG2000 machen. Zweimal hatte Dr. Springer ihn deshalb angerufen, und jedesmal hatte Felix vergeblich versucht, ihm klarzumachen, daß er ihm da nicht weiterhelfen könne. Die technischen Anforderungen würden erst in etwa drei Wochen fertiggestellt sein. Jetzt würde er es persönlich versuchen, zusammen mit König. Es würde die reinste Zeitverschwenung sein. Kaum hatte er aufgelegt, war Vera am Telefon. Wie ihr Ambiente zu Hause sei, interessiere ihn wohl überhaupt nicht, tobte sie. Für ihn gäbe es nichts als Arbeit. Sie mochte Dr. Springer nicht, obwohl sie ihn nie kennengelernt hatte. Nur am Telefon hatte sie ihn ach mal gehört.

--,,Dreimal Bauernsalat?'', hatte die griechische Bedienung gefragt.

Endlich, wenn er erst einmal etwas im Magen hat, wird es ihm schon wieder besser gehen.

--,,Sieht ja wirklich lecker aus!'', sagte Dr. Springer, der ihn ermunternd anschaute.

--,,Wir haben im Moment ein großes Problem, und sie Herr Schmied können uns sicherlich helfen. Sante & Belzmann brauchen dringend diesen Auftrag über die Elektromotoren für ihr Modell NG2000.''

--,,Noch ist ja noch nicht einmal die Ausschreibung rausgegangen!''

--,,Sehen sie, daß ist ja der springende Punkt! Sie könnten die technischen Rahmenbedingungen für uns etwas vorteilhafter gestalten. Sie sagten doch selbst, daß CEE, das letzte Mal nur unter großem Aufwand ihren Motor verkleinern konnte. Sehen sie, wir hätten damit keinerlei Problem. Verlangen sie einfach einen, sagen wir, fünf Millimeter kleineren Durchmesser!''

--,,Aber das wäre doch ...''

--,,Aber Herr Schmied wir sind doch Freunde, soll sich Biggi so in ihnen getäuscht haben!''

Dr. Springer erpreßte ihn, damit war es wirklich klar. Plötzlich erinnerte er sich, daß er Biggi einen Umschlag überreicht hatte. Hatte er sie bezahlt? Nein, seine Phantasie ging mit ihm durch.

--,,Ich werde mal sehen, was sich machen läßt!'', sagte Felix

--,,Sehen sie, das klingt schon viel besser!''

--,,Außerdem wären kleinere Motoren ja sicherlich auch von Vorteil für ihre Maschinen, oder etwa nicht?'', mischte sich plötzlich der sonst so schweigsame Herr König in die Unterhaltung.

Er wußte, daß Sante & Belzmann diesen Auftrag dringend brauchten, denn sie hatten weltweit Marktanteile verloren. Jetzt ging es wahrscheinlich ums Überleben. Und ein Auftrag der KMG könnte von ihnen als Referenz genommen werden.

--,,Wie ich schon am Telefon gesagt habe ... '', sagte Felix mit gerunzelter Stirn in Richtung Dr. Springer, ,,Herr Sonntag hat alles unter seinen Fittichen ... der leitet dieses Projekt ganz offiziell!''

--,,Herr Schmied, könnten sie sich eigentlich vorstellen, Sonntags Arbeit zu übernehmen?'', fragte ihn Dr. Springer, plötzlich mit einem ernsten Gesichtsausdruck, während Herr König sich auf seinen Salat konzentrierte.

--,,Ich verstehe ihre Frage nicht ...ich meine, das ist doch illusorisch ...Herr Sonntag sitzt fest im Sattel, der hat noch einige Jahre bis zu seiner Pensionierung, der müßte schon plötzlich einen Herzinfarkt oder sowas bekommen ... ''

--,,Wenn sie seinen Stuhl bekommen könnten, würden sie seine Arbeit übernehmen wollen?'', fragte Dr. Springer erneut, und Felix spürte, daß er ernstlich an der Beantwortung dieser Frage interessiert war. Auch König schaute ihn erwartungsvoll an, genüßlich seinen Salat kauend.

--,,Natürlich, wem würde es nicht gefallen in der Geschäftsführung mitmischen zu können? Aber trotzdem, wie ich schon sagte ... Sonntag erfreut sich bester Gesundheit ... ''

--,,So was kann sich schnell ändern ... er könnte stürzen ''

--,, ... und sich den Hals brechen? ... Ich glaube nicht an solche Zufälle ...''

--,,Herr Schmied, wir verlassen uns ungern auf Zufälle, ...aber ich dachte eher an ein `gestürzt werden', wir sind doch nicht bei der Mafia. Degradierung, wie man beim Militär sagt.''



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