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Abschnitt 63


Am Telefon kann sie ihre Gemeinheiten und Sticheleien am besten los werden. Unsichtbar, gewissermaßen im Schutz der Dunkelheit, kann sie dann losschlagen. Anonym. Ist ja wie mit diesen Perversen, die Frauen am Telefon mit ihren schmutzigen Phantasien belästigen, denkt Vera. Sonst sind sie zu feige um Frauen anzusprechen, aber am Telefon sind sie plötzlich stark. Naja, der Vergleich hinkt ein wenig und vor allen Dingen: Simone kann's auch ohne Telefon, sonst hält sich ja auch nicht mit ihren Sticheleien zurück.

,,Wollte mich nur so mal wieder melden'' oder ,,Nichts besonderes, schon lange nichts mehr von dir gehört'', und in ihrem Kopf köchert schon ihr Gift, Tratsch und Verleumdung. Wie eine Schlange, erst mal das Opfer in Sicherheit wiegen und dann plötzlich vorschnellen.

Und so was wollte ihre beste Freundin sein, Vera konnte es nicht verstehen, wie schon so häufig vorher. Meist waren allerdings ihre telefonisch verspritzten Gemeinheiten nicht gegen sie gerichtet, aber diesmal hatte sie sie schwer getroffen. Während sie voller Unlust die Koffer ausgepackt hatte, hatte das Telefon geklingelt. Zuerst wollte sie gar nicht abheben, denn sie war nicht in der Stimmung abzuheben, aber dann war sie doch neugierig gewesen. Vielleicht wäre es ja auch Francois, hatte sie gedacht. Wenn sie nur den Anrufbeantworter angeschaltet gahabt hätte, damit konnte sie ja so vortrefflich die Anrufenden filtern. Aber auch dann hätte sie ja vorher abgehoben, denn Francois spricht ja nichts darauf, denn Felix könnte ihn ja abheben. Vor ihr türmten sich Berge von dreckiger Wäsche, sortiert nach den passenden Waschgängen. Wenn bloß Frau Pronsky nicht gekündigt hätte, kurz vorm Urlaub, und wo sollte sie so schnell eine neue Putzfrau herkriegen und vor allem wieder so eine zuverlässige. Sie hatte sich dem nicht nachlassenden Klingeln beugen müssen, vielleicht war es ja auch etwas Wichtiges.

--,,Hi, hier Simone! So, dann seid ihr wieder aus dem Urlaub daheim! Die ganze Zeit habe ich gestern versucht dich anzurufen. Wolltet ihr nicht gestern schon zurückkommen?''

Sie hatte gerade Zeit genug zu verneinen, bevor Simones Redeschwall fortfuhr.

--,,Also, ich hatte wirklich geglaubt, daß ihr schon gestern heimkommen wolltet. Ist ja auch egal, dann hab' ich mich halt getäuscht!''

Das hätte ihr gleich zu denken geben müssen, als sie sagte, daß sie es die ganze Zeit versucht hätte, sie anzurufen. Sowas sagt sie immer, wenn sie ein schlechtes Gewissen plagt, wenn sie sich lange Zeit nicht mehr gemeldet hatte. Aber da sie sich in dieser Hinsicht diesmal nicht zu sorgen brauchte, denn Simone hatte sie ja noch unmittelbar vor ihrem Urlaub angerufen, mußte es stimmen, was sie sagte. Also hatte sie es wirklich häufig probiert, und das bedeutete aber, daß sie irgendeine Neuigkeit hatte, die sie unbedingt loswerden wollte. Damit war klar gewesen, daß ihr etwas auf der Zunge brennen mußte, aber dennoch lies sie sich Zeit, rückte nicht sofort damit heraus.

--,,Na? Wie war's denn in eurem Urlaub? Tolles Wetter habt ihr ja gehabt!'', hatte Simone gefragt.

Reine Pflichtfrage. Was sonst sie brennend interessiert gehabt hätte war diesmal nur lästiges Vorgeplänkel. Außerdem war es ja eine beliebte Taktik von ihr, nicht sofort mit der Tür ins Haus zu fallen. Jetzt war sie klüger, denkt Vera, jetzt würde sie sich gar nicht mehr so viele Gedanken machen, was sie über den Urlaub sagen sollte, denn Simone war doch eh zu diesem Zeitpunkt nicht an ihrer Antwort interessiert. Sie brannte doch darauf ihre Neuigkeit loszuwerden. Normalerweise merkt Vera sofort, wenn Simone noch was in petto hat. Warum war sie ausgerechnet diesmal, wo es doch um sie selbst ging ahnungslos gewesen, war ohne Vorwarnung von ihr überrascht worden.

,,War ganz toll gewesen und wie war's hier!'', eine solche Antwort wäre mehr als ausreichend gewesen. Stattdessen hatte sie darüber gegrübelt, ob sie ihr ehrlich sagen sollte, daß das Wetter nicht nur toll gewesen war, daß es einiges am Hotel auszusetzen gehabt hatte und daß es mit Moni und Chris diesmal nicht so ganz harmonisch gelaufen war.

,,Oh, das ist aber komisch! Wir hatten hier herrliches Wetter! Da wärt ihr ja besser hiergeblieben!'', so oder so ähnlich hätte Simone ihr wohl unverzüglich geantwortet, wenn sie nur die leichteten Andeutungen von schlechtem Wetter gemacht hätte. ,,Also, wo wir letztes Jahr waren, da war es ganz toll gewesen!'', nein, das hatte Vera nicht hören wollen.

--,,Bis auf zwei Tage war das Wetter wirklich gut gewesen ...'', hatte sie dann doch gesagt, und wurde wie erwartet auch sofort unterbrochen mit einem Wetterbericht à la Simone, sicherlich skrupellos geschönt: nur schönes Wetter zu Hause, ,,gnadenlos schön'', während ihres ganzen Urlaubes.

Weitere Fehler konnte Vera nicht mehr machen, denn Simone hatte dann die Themeninitiative ergriffen, wollte anscheinend nichts mehr vom Urlaub wissen. Später vielleicht wieder, aber sie wollte weiter kommen mit dem, weshalb sie eigentlich angerufen hatte.

--,,So schön kann kein Urlaub sein, wie es hier war. Stell dir vor, ich war fast jeden Nachmittag am Baggersee, nach der Arbeit. Hab' meist immer etwas eher Schluß gemacht. Kann ich ja bei schlechtem Wetter wieder reinarbeiten. Kaum fünf Minuten dort in der Sonne auf der Strandmatte, über mir der blaue Himmel, warmes klares Wasser und heiß, da konnte ich träumen irgendwo am Strand in Italien zu sein, und die Arbeit war immer sofort vergessen. Eine Menge Leute waren immer da. Du glaubst gar nicht wen ich alles gesehen habe!''

Sie hatte gestoppt und hatte wohl auf eine Antwort gewartet. ,,Wen hast denn gesehen?'', hätte Vera fragen müssen.

--,,Klingt toll, aber du weißt ja, daß ich die Berge mehr liebe als das Wasser!'', hatte sie entgegen Simones Hoffnungen gefragt, aber sie konnte ihr Katz-und-Maus-Spiel dennoch weiter treiben.

--,,Das soll ja selbst bei vielen Paaren vorkommen, daß der eine lieber Seen und Meer und der andere mehr die Berge liebt!''

--,,Bei uns gibt's da keine Problem, Felix liebt das Gebirge genauso sehr wie ich!''

--,,Es gibt ja nicht nur EHEpaare!'', sagte sie dann lauernd, aber Vera verstand ihren Wink nicht.

--,,Einmal haben wir sogar auch in einem Bergsee geschwommen. Aber das Wasser war verdammt kalt gewesen!''

Ne, das wär nichts für sie, hatte sie nur gesagt, um dann wieder zu ihrem Baggersee zurückzukehren.

--,,Dein neuer Freund, -- wie heißt der eigentlich? -- mag der auch lieber die Berge?''

--,,Ich weiß nicht, was Francois lieber mag, so gut kenne ich ihn ja auch wieder nicht!'', damit hatte sie gehoffte auch ihr ,,Dein neuer Freund'' auf elegante Weise aus der Welt geschafft zu haben.

--,,Jedenfalls hat es ihm am Baggersee anscheinend gut gefallen!''

--,,Oh, Francois war auch dort!'', erschrak Vera.

Wahrscheinlich hatte sie ihn bestimmt ausgequetscht und wußte nun bestens Bescheid.

--,,Hast Du dich mit ihm unterhalten?'', fragte sie dann Simone.

--,,Du hast mich ihm ja noch nie vorgestellt gehabt!'', sagte sie vorwurfsvoll und konnte kaum ihre Schadenfreude verbergen fÚr das was nun kommen sollte. ,,Und außerdem war er ja viel zu beschäftigt!''

Der Wendepunkt in ihrer Unterhaltung. Plötlich verstand Vera, wußte, daß Simone irgendetwas hatte, mit dem sie ihr wehtun konnte, oder das sie es glaubte, oder hoffte.

--,,Was hat er denn gemacht!'', fragt sie ängstlich.

--,,Och, ich möchte ja nicht über deine Freunde tratschen. Man muß ja auch nicht alles wissen!'', spielt sie nun mit ihr.

--,,Komm' jetzt rück' schon raus mit der Sprache!''

--,,Also gut, wenn du es unbedingt wissen willst! Ich wollte es dir ja nicht sagen!'', ziert sie sich nun kunstvoll.

--,,Eine tolle Frau hatte er bei sich! da hat der mich nicht bemerkt, und ich glaube ...'', hier stoppte sie wieder, wie um ihr nicht weiter mit Enthüllungen weh zu tun.

--,,Was glaubst du? Sag! Hat er sie, ich meine waren die beiden, wirkte es so als wären sie, wie soll ich sagen, enger befreundet?''

--,,Geküßt haben sie sich nicht, jedenfalls habe ich das nicht gesehen, aber ansonsten ...aber dir kann das ja sicherlich egal sein, denn es ist ja nicht dein Liebhaber oder Ehemann!''



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