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Abschnitt 3


Wenn er Vera doch nur am Abend zuvor angerufen hätte, dachte Felix als er das Chart House verließ. Im Prinzip war dies seine Absicht gewesen, aber die ,,Forbidden City of San Francisco'', oder besser der Zustand, in den er sich dort voller Freude versetzt hatte, durchkreuzte seinen Plan.

Draußen vor dem Chart House waren alle Telefonzellen besetzt, aber er wollte nicht nochmals reingehen. Er wollte draußen warten. Er könnte sich auf die großen Felsbrocken in Richtung Strand setzen und ein wenig in Ruhe die Aussicht genießen.

Am Abend zuvor wäre wirklich die perfekte Zeit zum Anrufen gewesen. Als er in sein Hotelzimmer zurückgekommen war. Ein feudaler Raum, äußerst geräumig. Sie nannten es eine Businessuite, wohl weil es in der Ecke einen Schreibtisch mit einem PC gab. Bereit zur Benutzung und seine Verbindung zum Internet bezirzte in bei seiner Heimkehr. Er hatte nur mal ein wenig surfen und nach Email schauen wollen, bevor er Vera anrief. Aber eigentlich war er sich nicht mehr so sicher am nächsten Tag in Montara, ob er wirklich noch zu diesem Zeitpunkt an Veras Geburtstag gedacht hatte. Sein Kopf war voll Musik und ihren Gesprächen im ,,Far East Cafe'', wie die Forbidden City sich auch nennt. Auf seiner Zunge weilte noch ein feiner Geschmack und seine Nase lieferte ihm noch immer den passenden Duft. Er erinnerte sich noch an den riesigen goldenen Bogen am Haupteingang zum Speisesaal, und der gigantische Leuchter mit seinen fast zweieinhalb Metern Durchmesser und 100 Pfund, wie der Kellner gesagt hatte, hatte ihn nachhaltig beeindruckt. Kaum waren sie durch den riesigen Bogen geschritten fühlte er sich gefangengenommen von einer anderen, einer antiken Welt. Als er zum Computer ging, klingelte noch Candys betörendes Lachen in seinen Ohren. Er schaltete den Rechner ein, griff die Mouse und dann ging alles sehr schnell. Zu schnell, als daß er noch genau rekonstruieren könnte, was genau geschehen war. Jedenfalls fiel die Maus zu Boden, oder wie durch eine merkwürdige Mausanziehungskraft gezogen, folgte er ihr, und fand sich inmitten eines drahtigen, kabeligen Haufens, hilflos wie eine Schildkröte auf dem Rücken. Auch am nächsten Tag machte er noch den Wein verantwortlich, den er über alle Maßen gelobt hatte. Die flüssige Sonne Kaliforniens hatte er ihn genannt, immer wenn er sich ein neues Glas eingeschenkt hatte. Noch ein wenig Sonne tanken, hatte er lachend mit erhobenen Glas geprostet. Die Stecker von diesen neuen Computern sind wirklich idiotensicher, hörte er einen Freund sagen, dessen Namen er schon lange vergessen hatte. Felix hatte erfolgreich gezeigt, daß er kein Idiot ist. Wenn es keinem Idioten gelingen kann, die Kabel falsch zu verbinden, so konnte er keiner sein. Denn er hatte sie fast alle erfolgreich falsch verbunden, ohne auf die knackenden Geräusche zu hören.

Sehr wahrscheinlich hätte er sowieso vergessen sie anzurufen, aber am nächsten Tag in Montara dachte er das Gegenteil. Plötzlich hatte Vera keine Chance mehr gehabt beim Frühstück von ihm überrascht zu werden. Vielleicht wäre er sogar der erste Gratulant gewesen. Aber nachdem er nahezu alle Schnittstellen des Rechners zur Außenwelt konsequent zerstört hatte, war sein Verstand fieberhaft damit beschäftigt gewesen, einen Weg aus der Misere zu finden, um seine schandhafte Tat zu verbergen.

Morgens wachte er mit einer Idee auf, geboren in einer unruhigen Nacht. Sein Rechner in seinem Zimmer wäre kaputt, teilte er noch vor dem Frühstück dem Portier an der Rezeption mit. Vielleicht wäre der Putzfrau was draufgefallen, jedenfalls wären einige Kabel und Stecker defekt. So etwas könne ja vorkommen, aber bei den hohen Zimmerpreisen könne er eigentlich einen funktionierenden Service erwarten. Der Portier hatte sich formal bei ihm entschuldigt, hatte ihn nach seiner Zimmernummer gefragt und ihm versichert, daß alles zu seiner vollen Zufriedenheit erledigt werden würde.

Er müsse noch schnell seine Videokamera holen, hatte Malter nach dem Frühstück gesagt, nachdem George schon rausgegangen war, um sein Auto zu holen. Felix nutzte die günstige Gelegenheit und sagte, er wolle dann auch noch schnell seinen Fotoapparat holen, dachte aber in erster Linie daran, Vera noch schnell anzurufen.

--,,Beeilt euch aber! George wartet sicherlich schon ungeduldig in seinem Wagen im Halteverbot! Und das, wo George immer so korrekt sein will ...'', hatte Candy lachend zu ihnen gesagt, als sie loseilten. Malter ging zum Aufzug und Felix rannte schnell die Treppen hoch. Er flog um die Ecke seine Flurs, und stoppte plötzlich erschrocken, schnaubend und keuchend, und starrte auf den Karren des Zimmermädchens mit den Putzutensilien. Er kniete sich, tat so als binde er die Schuhe, wischte sich den Schweiß von der Stirne, tat so als würde er nachdenken, immer noch in der Hocke sitzend. Jemand von der Polizei oder dem Zoll hätte ihn sofort befragt, denn Leute, die sich so auffällig unauffällig benehmen, sind ihnen immer sofort verdächtig.

--,,Can I help you!'', fragte ihn ein freundlich lächelndes Zimmermädchen, welches gerade aus seinem Nachbarzimmer kam.

--,,Nein, nein, ähem, no, no ...'', stammelte er nur und ging in Richtung Fahrstuhl, ohne einen Blick auf seine Zimmertüre zu werfen. Sie kannte ihn ja nicht.

Er schaute sich nicht mehr um, als sich die Fahrstuhltüre öffnete.

--,,Oh, schon fertig. Das ging aber schnell! Jetzt müssen sie aber noch mit mir nach oben fahren!'', wurde er im Innern von Wolfgang begrüßt. ,,Sie haben ja ihren Fotoapparat gar nicht dabei?''

Felix schaute verdutzt auf seine Hände, als suche er den Apparat. Dann stotterte er, daß er keinen Film mehr gehabt habe. Wie ein Schuljunge, der etwas ausgefressen hat, habe er reagiert, dachte Felix auf den Felsbrocken vor dem Restaurant in Montara. Angst vor der Rache des Zimmermädchens hatte er gehabt. Wer weiß, was der Pförtner zu ihr gesagt hatte. Aus ihrer Sicht konnte es ja so aussehen, als habe er versucht ihr die Schuld in die Schuhe zu schieben. Aber je mehr er darüber nachdachte, je sicherer war er sich, daß es eigentlich ihre Schuld gewesen sein mußte. Wahrscheinlich lag die Maus schon so komisch, daß sie sofort fallen mußte, und möglicherweise waren die Kabelanschlüsse ja schon defekt gewesen. Von seinem Sturz konnten sie nicht so zerstört worden sein, und er hatte ja ganz vorsichtig versucht sie reinzustecken. Dabei hatte er garantiert nichts verbogen. Er hatte also wirklich kein schlechtes Gewissen haben müssen. Wenn, dann höchstens sie. Aber dennoch, irgendwie tat sie ihm natürlich Leid. Keine schöne Arbeit, geringe Bezahlung, und nun hatte sie noch Unannehmlichkeiten wegen dem Computer. Er würde ihr ein großzügiges Trinkgeld geben.

--,,How are you doing? You are all right?''

Felix war überrascht, Candy plötzlich neben sich zu sehen, denn er nicht bemerkt gehabt, wie sie neben ihm auf einem Felsbrocken Platz genommen hatte.

--,,Wir waren besorgt gewesen, ...ich meine, weil du so plötzlich das Lokal verlassen hattest. Ist alles in Ordnung?''

--,,Ja, danke!''

--,,Ich hoffe, daß ich nicht störe, vielleicht wolltest du ja alleine sein?''

--,,Ja stimmt, aber es ist schon in Ordnung, wenn du hier bist. Es ist einfach mal schön ohne Wolfgang zu sein.''

Sie schien seine Anspielung auf Malter zu überhören und schwärmte statt dessen von der wundervollen Aussicht. Sie könne auch nicht genug von diesem Ort bekommen, obwohl sie ja schon einige Male hier gewesen sei. Liege ja gewissermaßen vor der Haustüre.

--,,Weißt du, was ich mal gerne erleben würde? Ich würde mal gerne so einen richtigen Sonnenuntergang im Pazifik sehen. Das letzte Mal war ich ein kleiner Junge gewesen, als ich mit meinen Eltern am Atlantik gewesen war, und dann nie mehr ...hab' ich immer noch ganz toll in Erinnerung. Irgendwo in der Normandie, und ich versuchte mir vorzustellen, daß auf der anderen Seite Amerika ist. Träumte davon in einem Boot hinzusegeln.''

--,,Also, hier zu bleiben bis die Sonne untergeht und dann den ganzen Weg im Dunkeln zurückzufahren, wär vielleicht nicht so gut. Aber ich kenn ein paar schöne Plätzchen in San Francisco. George und Wolfgang hätten bestimmt auch nichts dagegen!''

--,,Oh nein, nicht die schon wieder. Ich meine, vor allem Wolfgang kann einem den schönsten Sonnenuntergang vermiesen.''

--,,War mir gestern schon aufgefallen, daß du ihn nicht dabei haben mochtest!''

--,,Weißt Du, bevor wir in die Staaten geflogen sind, dachte ich immer, im Prinzip ist er ja ganz okay. Aber jetzt, nachdem ich nunmehr seit vier Tage nahezu jede Minute mit ihm verbracht habe ...die Qual begann schon an Bord des Flugzeuges, ein schier endloser Flug. Gott sei Dank kann ich wenigstens die Nacht alleine verbringen.''

Während seiner letzten Äußerungen hatte sie angefangen zu kichern und steigerte sich in ein schallendes Gelächter, was Felix wohl noch mehr anspornte.

--,,Das Frühstück mit ihm ist schon eine Tortur. Ich bin nicht einer dieser Kastenteufel, Deckel auf und schon auf Hochtouren. Ich brauche mindestens einen halben Liter Kaffee bevor ich mich wie ein menschliches Wesen fühle. Stell dir vor, in so einem zerbrechlichen Zustand muß ich ihn ertragen, oder besser erriechen. Dieser scheußliche Gestank schmerzt mir in der Nase, ich werd' ihn nicht mehr los. Selbst hier glaub' ich ihn zu riechen.''

Unter schallendem Gelächter pflichtet sie ihm bei und Felix kommt wieder auf den letzten Abend zu sprechen. Diese bezaubernde fernöstliche Welt. Wenn Malter nicht dabeigewesen wäre, hätte man alles vergessen können. Vera hatte er vergessen, hänselte sein Gewissen.

-- ,,Aber ich hoffe, du hattest mich nicht vergessen!'', kokierte Candy.

-- ,,Wie könnte ich die Königin von Montara vergessen'', Felix stoppte kurz, aber unglücklicherweise konnte ich auch nicht Wolfgang vergessen, aber aus anderen Gründen, nicht so schmeichelhaften!''

Sie lacht und Felix ist stolz darauf, so ein schönes Kompliment angebracht zu haben und dann glaubt er sich selbst zu übertreffen mit dem folgenden:

-- ,,Du hättest also den Abend gerne mit mir alleine verbracht?''

-- ,,Welcher Mann würde nicht einen Abend mit einer so wundervollen Frau alleine verbringen wollen.''

-- ,,Meiner!'', sagte sie nicht allzu laut, so daß Felix nochmals nachfragen mußte.

-- ,,Meiner'', wiederholte sie, ,,der geht heute Abend zum Beispiel seinen Footballabend. Von mir aus können wir uns also gerne den Sonnenuntergang anschauen! Ohne Wolfgang, wenn es dir gelingt ihn abzuschütteln!''

-- ,,Da werde ich kein Problem haben. Ich werde ihm einfach erzählen, daß ich noch ein bißchen alleine durch die Stadt will. So lange der nicht weiß, daß du dabei bist, bleibt der im Hotel.''

-- ,,Mußt du eigentlich nicht früh ins Bett gehen. Schließlich ist ja morgen in aller Frühe euer Abflug nach Chicago?''

-- ,,Und wenn es die ganze Nacht dauern würde ...!''

-- ,,Hey, langsam mein Tiger, ich habe nur vom Abend gesprochen!'', sagte Candy lachend und zeigte ihre weißen Zähne. Felix errötete und stotterte:

-- ,,I meinte doch nur, also ich wollte nur ...!''

-- ,,Ist doch in Ordnung, Felix! ...'', aber dann wurde sie jäh unterbrochen.''

-- ,,Ich dachte das Flugzeug fliegt erst morgens ab und nicht in der Nacht?'', sagte Malter und er wurde von Felix Augen wie ein Phantom begrüßt. Wie gut, daß er wiedermals nur Bahnhof verstanden hat, dachte Felix. Wenn es ihn auch sonst noch so nervte, diesmal freute er sich darüber.

-- ,,Werdet ihr die die Konkurrenz besuchen?'', fragte sie beide, wohl um Malter abzulenken, falls er doch mehr verstanden hätte.

-- ,,In erster Linie fahren wir wegen eines Kongresses dorthin. Ist ja eine gute Gelegenheit. Chicago liegt ja fast auf der Strecke nach Hause.'', antwortete Felix.

Sie würde es eh nicht stören, denn ab dem nächsten Tag wäre sie wieder bei Larry Minger, denn die CEE hätte zur Zeit keine weiteren Aufträge für sie.

Larry Minger, das war der mit den lustigen rosa Schuhen. Rosa Schuhe und ansonsten ganz in Schwarz gekleidet. Wie ein Filmschauspieler war er ins Restaurant eingetreten. Er trug eine Sonnenbrille, aber nicht irgendeine Sonnenbrille sondern ein extrem teures Designermodell, dachte Felix. Schlaksig und selbstbewußt und eine Hand in der Tasche ging er in Richtung Theke, immer noch mit seiner Sonnenbrille, trotz des schummerigen gelben Lichtes. Er schaute weder nach links noch nach rechts, aber man sah ihm an, daß er die Blicke des Saales spürte und genoß wie ein Sonnenbad und in letzterem mußte er auch ein Profi sein, wie man aus seinem dunklen Teint schließen konnte. Auch die plötzliche allgemeine Aufregung der Bedienungen ließen auf einen bedeutenden Gast schließen. Das Personal schaute sich verzweifelt im Saal nach einem freien Tisch für ihn um, denn er hatte nicht vorbestellt. Der Restaurantleiter spricht mit einem jungen Paar, daß verdutzt dreinschauend seinen Tisch verläßt, um an einem anderen Tisch bei fremden Leuten wieder Platz zu nehmen. Aber ihr unfreiwillige Umzug geht nicht ohne einen verabscheuend bewundernden Blick auf Larry vonstatten. Aber das Objekt ihres emotionalen Aufruhrs schaute einfach nur durch sie hindurch direkt auf Candy. Nein, er war nicht eifersüchtig auf diesen Papagallo mit der gutaussehenden Brünetten an seiner Seite, dachte Felix, aber es war Abneigung auf den ersten Blick.

Dann geschah das Unerwartete. Der der sich anscheinend für Nichts und Niemanden zu interessieren schien machte sich plötzlich auf den Weg zu ihrem Tisch und grüßte Candy in überschwenglicher Weise. Nun war es nicht mehr nur bloße Abneigung für Felix. Er verachtete und haßte diesen Don Juan, aber Felix weigerte sich immer noch, dieses Gefühl als Eifersucht anzusehen. Nicht wegen Candy, nein das ging viel weiter. Hier war ein Mann, der immer, überall und egal bei welchen Frauen erfolgreicher wäre als er. Was folgte, war nicht nur eine kurze Vorstellung von Larry gewesen. Oh nein! Candy hielt eine Laudatio. Vor ihnen stände eine der größten Koryfäen auf dem Gebiet des Business Reengineering. Eine solche Kapazität, daß Firmen von überall aus der Welt seinen Rat suchten und vor allem auch willens sind Millionen für seine Trainingsprogramme und Analysen zu zahlen. Hier wurde sie jäh von Malter unterbrochen:

-- ,, We do it yourself, we have KDP!''

Davon habe er noch nichts gehört, hatte Larry gesagt. Wer denn da dahinter stecke, wollte er dann wissen.

-- ,, A certain Braggard!''

Während er die Buchstaben KDP auf Deutsch ausgesprochen, wählte er ausgerechnet für den deutschen Namen Braggard die englische Aussprache, ohne zu wissen das `braggart' das englische Wort für Prahler ist. So war es nicht verwunderlich das alle anfingen zu schmunzeln.

Ob er von München sei? Und ob es sich um einen Professor Braggart handele, wollte Larry dann wissen.

Nachdem Malter ihn darüber aufgeklärt hatte, daß es sich um einen Mitarbeiter ihrer Firma gehandelt hatte, klang Larry erleichtert, denn es gab ja keinen neuen Konkurrenten in Deutschland. Das wäre wie Inzucht, sagte er. Aber die meisten Firmen würden zuerst mal selbst ihr Glück versuchen, weil sie Geld sparen wollten. Aber der Preis wäre allzu ein Konkurs am Ende. Aber einige hätten Glück und würden sie rufen bevor es zu spät sei. Als er dies sagte reichte er Wolfgang und dann auch Felix eine Visitenkarte.

Plötzlich machte Candy, die immer noch neben Felix auf dem Felsbrocken saß, ihn darauf aufmerksam, daß er jetzt telefonieren könne, denn eine Telefonzelle sei frei geworden.



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