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Abschnitt 18


Am besten würde sie ihnen noch etwas vorlesen, das würde sie beruhigen und vielleicht würden sie ja auch dabei einschlafen, zumindest Markus. Lesen würde ihr auch selbst guttun, sie einmal auf andere Gedanken bringen.

--,,Wenn ihr wollt, daß ich euch noch eine Geschichte vorm Einschlafen vorlese, müßt ihr nun ganz schnell machen, oder ihr müßt ohne schlafen!''

--,,Jetzt sofort! Vor dem Zähneputzen!'', bettelte Vanessa, und Markus hängt sich, wie immer an:

--,,Jetzt!''

--,,Erst müßt ihr fertig sein. Pyjama, Zähneputzen und alles! Vorher lese ich nichts!''

--,,Die mit der kleinen Hexe, die haben wir noch nie gelesen!'', gibt Vanessa nach.

--,,Aber nur, wenn ihr mir verspricht nachher schnell zu schlafen, und nicht ständig zu reden oder Unsinn zu machen! ... Ihr legt euch aber schön ins Bett, und wir machen es etwas dunkler.''

--,,Nein, nein, nicht das Licht aus!'', plärrt Markus, der wohl instinktiv ihren Plan durchschaut hat, denn sie weiß, daß sie schneller schlafen, wenn das Licht aus ist, oder zumindest abgedunkelt. Vielleicht würden sie sogar beim Erzählen einschlafen.

--,,Nur das große Licht!'', beruhigte ihn Vera.

Und dann im Licht der Nachttischlampe am Bettrand sitzend beginnt sie:

--,,Es war einmal in einem tiefen dunklen Wald. So düster und so unheimlich, daß an manchen Stellen auch mitten am Tag die Dunkelheit herrschte. Und so war es wohl auch nicht verwunderlich, daß sich kaum Menschen dort hineinwagten. Die vielen Händler die zwischen der Stadt der sieben Türme im äußersten Süden des Waldes und der eisernen Stadt im Norden des Waldes verkehrten, wählten lieber die tagelangen Umwege, als den direkten Weg durch den Wald, um nicht den Verlust ihrer Waren oder ihres Lebens zu riskieren. Und die, die sich trauten, wußten später ihren Kindern und Enkelkindern von vielen Abenteuern zu berichten, wenn sie wieder zurückkehrten. Kein normaler Wald war es, denn die Pflanzen und Bäume die dort wuchsen, oder ich sollte besser sagen, dort lebten, sahen nur manchmal wie gewöhnliche Gewächse aus. Nur dann dann, wenn sie es wollten. Wie Ameisen krabbelten die Graßhalme duch den Schatten des Waldes, manchmal zwängten sich ganze Wiesen mit all ihren vielen Blumen auf ihrer Wanderschaft zwischen den Bäumen hindurch. Aber nicht nur die kleinen Pflanzen, auch die die riesigen Bäume, wanderten umher, wenn sie im allgemeinen auch behäbiger waren. Schwerfällig wirkten sie in ihren Bewegungen, aber nicht immer, manchmal galoppierten sie auch wie eine Büffelherde, und die Gräser, Farne, Blumen und Sträucher fürchteten sich davor unter ihre knorrigen Wurzeln zu geraten. Dann bebte und dröhnte der Wald.''

--,,Aber Bäume können doch überhaupt nicht laufen!'', sagte Markus lachend.

--,,Doch, in Märchen gibt es manchmal Bäume die laufen können, gel Mamma!''

--,,Mama,'', fragte nun wieder Markus ,,gibt es Märchen?''

Auf dem Weg nach Hause hatte es manchmal im Licht der Scheinwerfer so gewirkt, als hätten sich die Bäume bewegt. Einmal war sie richtig erschrocken gewesen. Ihre Nerven waren wohl einfach überreitzt.

--,,Ich erzähl euch doch gerade eins ... also ... manche Blume oder Busch konnte einem Hasen davonlaufen, was ja auch notwendig war, wenn ein Langohr näher kam, um von seinen saftigen Blättern zu naschen. So kam es, daß sich auch keine Tiere in diesem Wald aufhielten. Die einen, die gerne Pflanzen aßen, wollten nicht dort sein, weil das saftige Gras und die großen Pilze sich nicht fressen lassen wollten, und wegliefen, und die anderen, also die Raubtiere, konnten dort nicht leben, weil es ja nun keine anderen Tiere zum Fressen gab. ''

Auf dem Nachhauseweg war ihr auch die ganze Strecke, die sie schon so oft gefahren war, schrecklich fremd vorgekommen. Manchmal war es ihr, als sähe sie etwas zum ersten Mal.

--,,Es versteht sich von selbst, daß es in einem solchen Wald keine festen Pfade oder Wege geben konnte. Wo eben noch ein schöner Weg war, konnte sich im nächsten Augenblick eine dornige Brombeerhecke faul niederlassen, und Brombeerhecken sind riesig und vor allem besonders stachelig im Wald der lebenden Pflanzen.''

--,,Mamma! Aber wie kann man sich denn dann in diesem Wald zurechtfinden?''

--,,Deshalb wollten ja auch die Menschen, die um den Wald lebte nur ungern hineingehen, ... wollt ihr weiter hören? ... aber in dem Wald lebten viele Hexen und auch eine kleine Hexe, die ihren Namen nicht nennen wollte. Sie fand, daß es kein gebührender Name für eine Hexe sei. Viel zu schön, viel zu menschlich sei er. Und das war überhaupt das Problem der kleinen Sarah, denn so hieß sie. Die anderen Hexen fanden sie zu menschlich, zu schön, was sie sehr traurig machte, denn sie wollte doch eine richtige Hexe sein. Es half auch nicht, daß sie ihre Haare weder wusch noch kämmte. Selbst in ihren häßlichen und zerzausten Kleidern war sie noch eine hübsche Hexe.

Sie lebte inmitten eines großen Baumes, zwischen mächtigen Ästen, die der Baum für sie wie eine Hand geformt hatte. Wie die Blätter einer riesigen Tulpe entfernten sich die mächtigen Äste vom Stamm. Eido, wie der Baum sich nannte und wohl immer noch nennt, denn diese Bäume leben viele hundert Jahre, war Sarahs bester Freund. Eido kann auch sprechen, aber nicht wie ein Mensch, denn er hat ja keinen Mund. Um zu reden braucht er den Wind und eine große Geschicklichkeit, um seine Äste, Zweige und Blätter so zu formen, daß sie den gewünschten Laut von sich geben. Oft sagt Eido auch nichts und macht stattdessen nur Musik für sich, denn er liebt Musik über alles, aber auch vor allem für seine Freundin, wenn sie allzu traurig ist. Wunderschöne, fremdartige Klänge und Melodien, wie sie noch nie ein Mensch zuvor gehört hat. Aber an den Tagen, an denen der Wind ruht muß Eido schweigen und Sarah fühlte sich gerade an solchen Tagen sehr allein und Eido muß stumm die Trauer seiner kleinen Freundin ertragen. ... ''

Hier stoppte sie, als sie merkte, daß beide ruhig und fest schliefen.



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