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Neues Thema - Antworten

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Woyzeck
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PM ID: 15
PM [Woyzeck]

Last replied to on Wed Aug 22, 2007 22:33:53
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Hallo,
also ich habe mich nicht ohne Grund hier im Forum Woyzeck genannt. Wer das Drama von Georg Büchner gesehen hat, weiß, dass es sich bei Woyzeck um eine arme geknechtete Kreatur handelt. Mit ihm experimentiert der Doktor und der Hauptmann macht sich über ihn lustig. Als Soldat ist er der perfekte Untertan.

Ich denke, dass das Aufschiebeverhalten in erster Linie ein Gesellschaftsproblem ist. Vieles von dem, was wir tun, müssen wir gezwungenermassen machen. Wir müssen in der Schule Dinge lernen, die ein starrer Lehrplan vorschreibt, die häufig von den Lehrern auch nicht eingesehen werden. So geht es weiter in Studium oder Lehre. Später dann im Beruf wird der Zwang dann ganz offensichtlich. Wir müssen exakt tun, was man uns vorschreibt oder befiehlt, denn sonst drohen schwere finanzielle Probleme und im schlimmsten Fall gar die Arbeitslosigkeit. Wenn wir in diesen Zwangssituationen tun, was von uns erwartet wird, dann tun wir es, um unser Überleben zu sichern. Es gibt deshalb häufig keinerlei Einsicht in die Notwendigkeit der zu bewältigen Aufgabe.
Auch wenn diese Sicht der Dinge extrem erscheinen mag, so denke ich, dass sie der Wahrheit sehr nahe kommt. Was denkt ihr?

swen
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PM ID: 5
[PM swen]

Posted at Tue Aug 22, 2006 21:47:43
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Irgendwie kommen mir eure Beiträge zu politisch vor.
Was ich aber auch interessant finde, ist die Frage, ob es vielleicht wirklich so ist, das wir zu wenig Spaß an der Arbeit haben oder besser haben dürfen. Ebenso wie in den Schulen. Im Prinzip werden dort doch selbst sehr interessante Themen meist äußerst langweilig angeboten. Ist es da verwunderlich, wenn viele darauf mit völligem Desinteresse und Prokrastination reagieren?

Billa
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PM ID: 20
[PM Billa]

Posted at Sun Aug 27, 2006 12:57:39
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Lieber Swen, ich bin auch Deiner Meinung, dass unser Schulsystem es wahrscheinlicher macht, dass die Kinder und Jugendlichen in die Tendenz kommen aufzuschieben. Ich kann auch verstehen, dass ein Gesellschaftssystem eine Verweigerungshaltung provoziert. Nur: ich habe mich zu einer Verweigerungshaltung, wie die, von der ich spreche, nicht bewusst entschieden. Wenn ich verweigern will, dann will ich das bewusst tun und wissen, warum ich es tue. Die "Prokrastination", von der in diesem Forum vor allem geschrieben wird, hat vielleicht auch mit diesen Aspekten zu tun, bei mir sicher, aber ich und andere leiden darunter, wir werden dadurch geschwächt. Mein Weg aus dieser Verweigerung, Ausschieberei ist nicht der der Anpassung, sondern der der bewussten Entscheidungen, Routinebildungen und auch bewussten Verweigerungen, wo ich es für richtig halte und es mich bisher nicht getraut habe, aus einem falschen Selbstbild heraus. Und ich spüre, wenn ich an manchen Stellen bewusst nein sage, anderen gegenüber auf meinen Grenzen bestehe, kann ich auch leichter ja sagen, wo es notwendig, aber allerdings nicht immer lustvoll ist. Billa

swen
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PM ID: 5
[PM swen]

Posted at Mon Aug 28, 2006 10:01:43
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Liebe Billa.
Danke für deine Antwort. Ich ging auch nicht von einem bewussten Verweigern aus. Ich Prinzip meinte ich es so ähnlich, wie du es auch sagst. Ich leide ja auch selbst unter Procrastination. Aber ich frage mich, ob es nicht auch zum Teil durch unsere Umgebung, Schule, Beruf etc. gefördert wird. Man schiebt auf, weil man keine Perspektive und keinen Sinn gezeigt kriegt. Wenn man z.B. keine Möglichkeit der Entwicklund sieht und nur aus Angst vor der Arbeitslosigkeit nicht wechselt, ist das doch ein idealer Nährboden für eine Prokrastination?

Billa
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PM ID: 20
[PM Billa]

Posted at Mon Aug 28, 2006 12:48:24
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Lieber Swen, ein Teil meiner Antwort bezog sich auf den Beitrag des Gastes: . . . wenn wir in einer WG leben würden . . . Ich glaube, wir beiden sind da auf ähnlicher Ebene. Ich war selbst mal Pädagogin und habe diesen Beruf u.a. verlassen, weil ich nicht bereit war, mich dem Schulsystem anzupassen. Leider war ich damals noch so jung und so wenig selbstbewusst, dass ich nicht gewagt habe, mir eine Umgebung sprich Schule/andere Einrichtung zu suchen, in der ich mich erstmal hätte stärken können, sondern ich bin gleich ganz raus. Was die anderen Lebensfelder betrifft, so sind die auch für mich ein ganz wichtiges Thema, aber darüber ein anderes Mal. Gruß Billa

Javabohne
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PM ID: 39
[PM Javabohne]

Posted at Sat Feb 03, 2007 18:19:18
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Nun bin ich schon seit einigen Monaten dabei und habe doch erst jetzt diesen Thread gelesen. Auch wenn die letzte Antwort schon einige Zeit zurueckliegt, wuerde ich gerne noch etwas dazu "sagen".

Ich glaube die Grundidee des Gastes, der das Beispiel der WG gab, ist grundsaetzlich nicht ganz unrichtig! Stellt man sich den taeglichen Lebensablauf einmal vor, so ergeben sich psychologisch (Leo, du bist mit deinen Kenntnissen gefragt) durchaus Parallelen. Die Schule oder der Arbeitsplatz, die Kirche, in Geschaeften, ueberall wird das eigene Verhalten staendig auf dem Pruefstein gelegt und beurteilt. Von Kind auf an wird man bereits im Kindergarten charakterisiert:"Der/die wird es nie zu etwas bringen!" So wie in der WG. Na, den moegen wir aber nicht! Der/die ist ja.....! Den/die muessen wir aber loswerden!

Im Berufsleben entscheidet man sich oft fuer den Beruf, den der Vater (so wars bei mir) oder die Mutter fuer das Kind aussuchen. Gefragt nach den eigenen Wuenschen wurde man nicht. Heutzutage kann man sich nicht mehr nach den Neigungen entscheiden, sondern muss die Lehrstelle annehmen, die "uebrig" geblieben ist. Nur nicht auf der Strasse landen, das wuerde den Ruin bedeuten. Ob man den Job mag oder nicht, ist drittrangig. Aus dieser Fehlplanung resultierende Fehler sind vorprogrammiert. Man hasst den Beruf, mag keinen Extrajob ausfuehren und Ueberstunden machen sind die reine Qual.

Heiratet man spaeter die grosse Liebe, die sich aber spaeter vielleicht auch als der groesste Alptraum entpuppt, muss man sich unter Umsataenden wieder anpassen und wieder unterbuttern lassen und erneut eine Rolle annehmen, die man eigentlich nicht spielen moechte.

Letztendlich koennte ich mir vorstellen, dass hier wirklich ein Naehrboden fuer die Procrastination entsteht. Durch die jahrelange Unterdrueckung der eigenen Persoenlichkeit durch die Gesellschaft, beginnt man unweigerlich sich innerlich aus dieser Gesellschaft zu verabschieden, beginnt ein Ventil zu oeffnen. Bei dem einen koennen es Drogen oder Alkohol sein, fuer die andere eventuell die Prokrastination.

Von nun an beginnt das Unterbewusstsein das Individuum zu schuetzen. Bloss nicht mehr versagen, bloss keine Fehler mehr machen. Aus dieser Situation heraus resultiert die Prokrastination und die Verweigerung von Jobs, Aufgaben, usw. Man entwickelt Aengste und Depressionen, die den Menschen schliesslich krank machen. Hilfestellungen sind nur schwer zu bekommen. Wie soll man dem Arzt erklaeren, woran man leidet!

Wie denkt ihr darueber?

Viele Gruesse,
Dieter



leonardo
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PM ID: 11
[PM leonardo]

Posted at Mon Feb 05, 2007 11:22:43
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Mehr oder weniger leiden wir doch alle unter diesen gesellschaftlichen Strukturen. Warum werden wir dann nicht alle zu Prokrastinatoren? Okay, es gibt noch eine Reihe anderer genauso destruktiver Lösungswege, wie z.B. Drogen oder andere Süchte. Aber was machen die anderen Leute denn eigentlich richtig?

Wenn ich hier so bei meiner Arbeit sitze und mal wieder nichts gebacken kriege, dann denke ich manchmal auch: Dieser Saftladen hat es sowieso nicht besser verdient! Ich passe eben nur meine Leistung meinem Gehalt an! usw...
Dann fühle ich mich kurzfristig nicht mehr ganz so schuldig. Das gefährliche daran ist aber, dass ich mich damit in eine Opferrolle begebe. Ich sehe mich als Opfer von Umständen, die ich ohnehin nicht ändern kann und das fördert mit Sicherheit weitere Prokrastination. Besser ist es da sicher, den Fokus auf die Dinge zu richten, die ich selber ändern kann, d.h. für mich z.B. zu versuchen, eine Motivation aufzubauen, die wirklich von innen kommt.

Gruß
Leo
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Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon!

Javabohne
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PM ID: 39
[PM Javabohne]

Posted at Mon Feb 05, 2007 14:14:44
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Wie du erkannt hast, fluechten viele in diverse Drogen. Ich denke in erster Linie den Alkohol, dem so hoch gelobten Glas Bier nach der Arbeit, bis zur Routine oder Sucht! Von anderen Drogen ganz zu schweigen.

Wahrscheinlich werden nicht alle zu Procrastinatoren, weil die meisten mit diesem Druck, den viele als normal ansehen, besser umgehen koennen als wir. Vielleicht findet mal ein Wissenschaftler heraus, dass (mindestens) eins unserer Gene nicht richtig funktioniert und wir daher zur Procrastination neigen. Frustrierend ist es alle male, mit anzusehen wie andere scheinbar spielend mit jeder auch noch so schwierigen Situation fertig werden. Werden sie aber auch wirklich damit fertig? Oder koennen sie in dem Moment ihre Probleme, Aengste oder Sorgen besser vor uns verbergen?


Ein anderes Problem der Procrastinatoren ist es ja auch, dass sie meist nicht imstande sind die gehoerige Portion Motivation aufzubauen, die sie braucehn, um eine solche Situation meistern zu koennen.

Es hat sicherlich auch damit zu tun, dass wir zu sensibel sind und deshalb auch zu Depressionen neigen.

Gruss,
Dieter

AminaMia
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PM ID: 245
[PM AminaMia]

Posted at Mon Aug 20, 2007 11:35:55
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Liebe LeidensgenossInnen, meiner Meinung nach handelt es sich zumindest z.T. um ein typisch deutsches Symptom/Syndrom/Problem. Wenn ich 7 Briefe von Krankenkasse, Finanzamt, Internetprovider, Telekom, Amazon-Fehlabbuchung usw. an einem Tag erhalte, die womöglich auch noch aus mehreren Seiten bestehen und die auch nach konzentriertem Lesen letztlich unverständlich bleiben, dann sage ich mir irgendwann, nein danke - ihr könnt mich mal. Es ist eine Frechheit mich mit "Zeug" (buddhistisch betrachtet) zu bombardieren und damit irgendwelche ewigen Auseinandersetzungen zu erzwingen inkl. nachdenken, sortieren, hervorholen früherer Korrespondenzen, nachfolgender Telefonate, bei denen man entweder niemanden oder nur Unwissende erreicht, die weitere kostbare Lebenszeit (meine) verplempern, um ihren Job zu rechtfertigen und hoffen, du könntest ihnen erklären, um was es geh, .. usw. usw. man kann sich tagelang mit einer völlig unwichtigen Sache auseinandersetzen (weil man denkt, ok handle ich vernünftig und trage meinen Teil zur Klärung bei)- ohne auch nur das geringste damit zu erreichen. Irgendetwas ist falsch und überorganisiert. Inzwischen lasse ich solche Dinge liegen und siehe da, vieles erledigt sich von selbst. In unserem Land wird Kreativität und um die Ecke denken leider nicht gefördert / gefordert, sondern die totale REGLEMENTIERUNG. Ich bin gerade Existenzgründerin. Mehr als ein Blatt - einseitig beschriftet - sollte kein Antrag haben. In Afrika hast du 3 Orangen und bist damit selbständiger Orangenverkäufer und damit basta. Das verlange ich hier ja gar nicht, aber beispielhaft darüber nachzudenken kann sich lohnen. Schön ist was simpel ist. Damit meine ich natürlich nicht doof! Und damit bleiben mir dann noch 10 Stunden für meine eigentlichen Anliegen und Ziele. Irgendwo habe ich gelesen, es geht nicht mehr um optimale (ich spreche nicht von perfekt!) Lösungen, sondern nur noch um halbwegs erträgliche ... Na, auch wenns nichts nützt, wenigstens konnte ich mir damit mal ein bißchen Frust von der Seele reden.

Billa
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PM ID: 20
[PM Billa]

Posted at Wed Aug 22, 2007 22:33:53
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Hallo, AnimaMia, ich gebe Dir teilweise Recht. Ich bin inzwischen auch von meinem (vielleicht auch anerzogenen) Korrektheitsanspruch abgekommen. Es ist zermürbend, ich sehe auch nicht ein, dass ich bei jedem Kinkerlitzchen irgend jemanden um Erlaubnis bitten soll, obwohl ich in mancher Hinsicht kompetenter bin als die, die dann auch ihre Meinung äußern müssen.
Also frage ich nicht mehr, sondern mache manchmal, was ich für richtig halte.

Was Papierkram betrifft, so versuche ich auch, einiges abzuschaffen. Ich habe z.B. früher, als mein Kind jünger war, aus Bequemlichkeit manchmal bei Versandhäusern bestellt. Das hat so einen Rattenschwanz an Rücksendungen, Rechnungszahlungen und unerwünschten Prospektzusendungen nach sich gezogen, dass ich inzwischen wieder ganz davon abgekommen bin. Außerdem gehe ich lieber in Läden, wo ich die Dinge anschauen und anfassen kann und mich beraten lassen kann. Ich möchte, dass es weiterhin Einzelhandel und Selbstständige mit kleinen Läden gibt. Dann muss ich sie auch unterstützen. Billa

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