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Forum Startseite>>Procrastination>>Prokrastination im Beruf - meine Geschichte

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honey*
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PM ID: 10613
PM [honey*]

Last replied to on Tue Oct 16, 2012 09:22:04
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Hallo Zusammen!

Durch Zufall habe ich dieses Forum hier entdeckt. Nachdem ich nun einige Beiträge von euch gelesen und bei euch mitgefühlt habe, habe ich mir gedacht, dass ich mal meine Geschichte erzähle. Die ist noch sehr aktuell...

Kurz zu mir: Ich bin Mitte 20 und arbeite in einem Büro. Ich habe schon immer in der Schule Schwierigkeiten gehabt, Aufgaben rechzeitig zu erledigen. Dazu zähle ich jetzt nicht unbedingt die Hausaufgaben, die man morgens vor dem Unterricht noch irgendwo abgeschrieben hat, das kenne ja viele Aber insbesondere mit Ausarbeitungen habe ich mich schwergetan. An meiner Facharbeit habe ich z. B. bis nachts um 3 Uhr gesessen und musste die erste Stunde abklemmen um die Arbeit noch binden zu lassen. Stress pur...
Im Gegensatz zu meinen Mitschülern habe ich für mein Abitur fast gar nichts getan. Während die ersten schon Monate/Wochen vorher mit Karten und Kärtchen hantiert haben, um sich alles Mögliche einzuprägen, habe ich geschoben ohne Ende. In den Osterferien, zwei Wochen vor den Abiprüfungen, hatte ich mich dann immerhin aufgerafft, meine Mappen durchzusehen und alles "Abi-Unwichtige" wie Aufgabenzettel auszusortieren. Zusammengefasst und gelernt hatte ich zu dem Zeitpunkt immernoch nichts. Ich bin davon ausgegangen, dass ich ja die letzten drei Jahre schließlich anwesend im Unterricht war und da schon irgendwas hängen geblieben sein wird für's Abi
Ich habe dann jeweilis einen Tag vorher und unter absolutem Stress für das jeweilige Prüfungsfach gelernt. Hilfe...nicht noch einmal... Es ist dann auch kein Glanzabitur geworden, aber ich hatte es geschafft. Und Einen Ausbildungsplatz hatte ich ja auch in der Tasche, das Ergebnis war also nicht sooo wichtig.

In der Ausbildung war ich aber von Beginn an nicht glücklich. Die Büroarbeit hat mir nicht wirklich gelegen und ich musste mich ganz schön zusammenreißen, um mich selbst zu motivieren. Gott sei Dank war ich in jeder Abteilung jeweils nur ein halbes Jahr, so das immer wieder "von neuem" anfangen konnte und Dinge - die ich aus Desinteresse nicht behalten hatte - sind dadurch nicht weiter aufgefallen im neuen Arbeitsbereich.

Aber irgendwann ist jede Ausbildung zu Ende. Ich habe sie zwar sehr gut abgeschlossen und bin anschließend mit einem zunächst befristeten Vertrag übernommen worden, aber im Grunde fing damit die Aufschieberei erst so richtig an Probleme zu machen
Die Stelle, die ich bekommen habe, entspricht überhaupt nicht meinen Fähigkeiten und Interessen. Die Tätigkeiten waren zudem auch nur ein kleiner Teil meiner Ausbildung, also musste ich auch erstmal wieder viel Neues lernen. Und das, obwohl ich kaum Interesse dafür aufbringen konnte. Irgendwie ging es und ich arbeitete mich mühselig und widerwillig in die Aufgaben ein. Und die Aufschieberei fing an...
Die ersten Monate konnte ich mich noch gut mit Unwissenheit rausreden. Und das ich mich noch reinarbeiten müsste in die Aufgaben. Das erste Mal fielen mir die Angelegenheit unangenehm auf die Füße, als ich zwei Wochen in den Urlaub ging. Ich hatte die ganze Zeit Angst, es könnte in der Zeit auffallen, was alles noch unerledigt war - und das war einiges. Auch Sachen, von denen ich zu meinem Chef meinte, sie wären erledigt.
Nach dem Urlaub hatte ich immerhin einen kurzen Motivationsschub und habe die Dinge auf Reihe gebracht. Aber direkt im Anschluss, als ich erstmal wieder Ruhe hatte, fing ich wieder an mit der Schieberei. Ich hatte ja schließlich noch Zeit dafür. Und ob heute oder morgen würde keinen Unterschied machen usw.
Statt die Zeit zu nutzen und vorzuarbeiten habe ich wieder alles Mögliche gemacht, nur nicht meine Arbeit. Mit meinem Chef kam die Sache auch durchaus zur Sprache, das einige Dinge nicht so liefen. Ich gab zu, dass die Aufgaben mir nicht liegen und ich mich schwer tun würde und daher länge bräuchte. Er bot an, das wir öfter Rücksprache halten könnten und bei Fragen sollte ich mich an meine Kolleginnen wenden. Das unangenehme Gespräch war also erstmal abgewendet.
Tatsächlich war es aber so, dass ich mich einfach nicht aufraffen konnte, überhaupt irgendwas anzufangen.
Und jetzt kommt das, was die meisten hier kennen: Ich beschäftigte mich mit allen möglichen anderen Sachen, statt mit der unliebsamen Arbeit. Das Internet war mein Freund und Helfer um die Zeit zu vertreiben. Und so manchen Tag machte ich Feierabend und stellte fest, dass ich absolut nichts gemacht hatte.
Und es kam wie es kommen musste: in einer Situtation eskalierte das Ganze auch dahingehend, das tatsächlich etwas zu einem Kundentermin nicht fertig bekommen hatte. Ich hatte die Aufgabe zeitlich völlig falsch eingeschätzt und immer wieder hinten angestellt. Und nach nun bekam ich es doch etwas Angst um meine (befristete!) Stelle und konnte mich kurzzeitig dazu durchringen, Liegengebliebenes aufzuarbeiten.
Aber das Spiel fing wieder von vorne an...
Statt mich im Anschluss mit den regelmäßigen Aufgaben zu beschäftigen, schob ich sie wieder und wieder auf. Zum ersten Mal fiel mir mein merkwürdiges Verhalten bewusst auf.
Ich saß größtenteils den ganzen Tag bei der Arbeit, tat beschäftigt (gut, ab und an hab ich auch was gemacht ) und tatsächlich hatte ich den ganzen Tag absolut nix zustande gebracht!
Gerne habe ich mir gesagt: Morgen bist du schon um 7 Uhr bei der Arbeit, dann hast du Ruhe und kannst konzentriert arbeiten!
Tatsächlich kam ich aber morgens kaum aus dem Bett und fand auch plötzlich die anstehende Aufgabe gar nicht mehr sooooo wahnsinnig wichtig und ließ wieder Zeit verstreichen...

Als ich letzten Monat in den Sommerurlaub gegangen war, kamen vorher noch einige Sachen zusammen, die ich nicht mehr bearbeiten konnte. Ich hatte zuviel Zeit verstreichen lassen, teilweise den Überblick verloren und war entsprechend nicht in der Lage, vor meinem Urlaub eine bestimmte Aufgabe zu erledigen.
Ich konnte mich dann im Urlaub auch zu Beginn kaum erholen, da ich immer wieder darüber nachgedacht habe, was liegen geblieben ist.
Den ersten Arbeitstag nach dem Urlaub bin ich also mit heftigen Magenschmerzen zur Arbeit gefahren. Die waren auch nicht unberechtigt, schließlich gab es ja noch eine ungelöste Aufgabe.
Am Abend habe ich dann das erste Mal gegooglet und war erstaunt, dass es tatsächlich einen Grund für mein merkwürdiges Verhalten gab. Ich habe mich in den meisten Forenbeiträgen uneingeschränkt wiedergefunden!
Am zweiten Arbeitstag machte ich Nägel mit Köpfen und sprach mit einer Kollegin und mit meinem Chef. Das war mir furchtbar unangenehm! Zumal meine Befürchtungen auch wahr waren, dass mein schlechtes Arbeitsverhalten durchaus aufgefallen war in den vergangenen Monaten. Und die Angst um meine Stelle war nicht unberechtig!

In meinem eigenen Interesse bin ich jetzt auf der Suche nach einer neuen Stelle, die meinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht. Solange muss ich natürlich durchhalten und vor allem mit meinen Kollegen einiges aufarbeiten.
Bei meiner Hausärztin war ich auch. Zu groß ist meine Angst, dass mein Verhalten sich verschlimmern oder ausweiten könnte, inbesondere, wenn ich eine neue Stellen finden sollte. Da es kurzfristig wenig Möglichkeiten gibt wie z. B. Therapien, hat sie jetzt einen Termin für mich beim Neurologen/Psychater gemacht (frühster Termin im Oktober!) und mich gebeten zur regelmäßigen Kontrolle bis dahin zu ihr zu kommen.
Am liebsten hätte sie mich erstmal für 2 Wochen aus dem Verkehr gezogen, aber das hätte ja mein schlechtes Gewissen wegen der liegengebliebenen Arbeiten noch verschlimmert...

So, und das ist der aktuelle Stand. Ich bin heilfroh, den Schritt nach vorne gemacht zu haben um etwas an meiner Arbeitssituation zu ändern. Früher oder später hätte mein Chef sonst etwas unternehmen müssen, und das wäre für mich noch unangenehmer geworden. Jetzt ist erstmal Druck von mir genommen worden, in dem meine Kollegen involviert sind und der riesige Berg Arbeit nicht mehr nur von mir alleine abgearbeitet werden muss.

Wie es beruflich weitergeht ist noch offen...

Danke euch für's Lesen und ich wünsche euch einen schönen Tag

plappermaul
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PM ID: 10482
[PM plappermaul ]

Posted at Thu Sep 20, 2012 15:14:46
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Du hast ganz schön viel Mut bewiesen. Ich wünsche dir alles Gute! Ich drück dir die Daumen, dass das mit dem neuen Job klappt...

Jocus
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PM ID: 10771
[PM Jocus]

Posted at Tue Oct 16, 2012 09:22:04
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Exakt meine Geschichte.
Nur bin ich 53 und Freiberufler.
Könnte jetzt von stolzen "Burnouts" berichten, dafür fehlt mir aber die Gedankenflachheit.
Nach einer Serie von Unfällen und Erkrankungen in den letzten drei Jahren und nachdem ich von Februar bis Mai nur 2 bis 3 Stunden täglich schlafen konnte, nehme ich Antidepressiva:
Jetzt kann ich zwar schlafen, aber die Konsequenzen meiner Prokrastination werden mir zunehmend egal.
Nach Außen hin kann ich es gut verstecken, innerlich bin ich tief depressiv.
Versuche mal die Strategie, alles in kleine Haufen aufzuteilen und räume zuerst mal die Berge vom Schreibtisch.

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