Benutzer-Optionen
Registrieren--Anmelden--Top 20 Posters--Themen durchsuchen


Prokrastination Home
Forum Startseite>>Procrastination>>Besorgte Eltern

Neues Thema - Antworten

Author
Post
helwie
Rank:member
Group: members
Beiträge: 14
IP Logged

PM ID: 9263
PM [helwie]

Last replied to on Tue May 08, 2012 22:04:52
Edit Post|Quote
Hallo zusammen,
ich bin neu hier und schreibe quasi auch zum 1.Mal in einem Forum. Aber wir haben schon seit Jahren ein Problem, das immer größer wird. Eigentlich habe ich auch schon vor langer Zeit nach Infos zum Thema gesucht, bin aber erst vor kurzem auf diesen Begriff und dieses Forum gestoßen.
Unser Sohn ist 25 Jahre alt und leidet sehr krass unter Prokrastination. Es fing langsam an, ich denke vielleicht in der 9.-10.Klasse, als er z.B. die Bewerbung für das Schul-Praktikum über Monate vor sich her schob. Das Abitur hat er nur so gerade geschafft, weil er eigentlich nie viel lernen musste, um gute Noten zu schreiben. Heute ist er Student, geht aber seit Jahren nicht zur Uni, hat Schulden und die Kündigung der WG zum 1.April. Er will studieren, aber er schafft es nicht; er will einen Job, aber er bewirbt sich nicht. So kann er die Miete, die Studiengebühr, die Schulden nicht bezahlen. Er leidet, aber wir leiden auch! Wir haben immer versucht, ihm bestmöglich zu helfen. Ich habe im Laufe der Jahre alle möglichen Stellen um Rat gefragt: Freunde, Familie, Kinderschutzbund, Jugendamt, Beratungsstellen, Psychologen, Elternhotline, usw. Letztendlich war jede Hilfe (finanziell oder psychologisch), jeder Aktionsplan und auch ein Klinikaufenthalt immer nur ein Aufschub. Aber jetzt müssen wir anscheinend zusehen, wie er auf der Straße landet. Er unternimmt wohl immer noch nichts, und wir wissen auch nicht mehr weiter. Ihr vielleicht???
Ich würde mich freuen!
Viele Grüße
helwie

Aufschieberin
Rank:member
Group: members
Posts: 8
IP Logged
PM ID: 9270
[PM Aufschieberin]

Posted at Sun Feb 19, 2012 14:39:47
Edit post|Quote
Hallo Helwie,

könnt ihr euren Sohn wieder bei euch aufnehmen?
Ihm vielleicht unter euerem Dach eine Auszeit von ein, zwei Monaten ermöglichen und dann anfangen, auf ihn dahingehend einzuwirken, daß er statt Studium eine Ausbildung macht?

Ich vermute, das Studium überfordert ihn, die Überforderung fing wahrscheinlich an, als er in der 9./10. Klasse mit dem Aufschieben anfing.

Damit euer Sohn jetzt überhaupt eine Grundlage kriegt, sich seinen Lebensunterhalt verdienen zu können, wäre eine Ausbildung wohl ganz gut. Am besten wohl eine, die nicht zu schwierig ist, wo man nicht bücherweise Zeug lernen muss, etwas simpleres, damit er es auch schafft.

Viele Grüße

helwie
Rank:member
Group: members
Posts: 14
IP Logged
PM ID: 9263
[PM helwie]

Posted at Mon Feb 20, 2012 14:07:47
Edit post|Quote
Hallo Aufschieberin,
vielen Dank für deine Antwort und dass du dir Gedanken über unser Problem machst.
Ich fürchte nur, dass eine Auszeit bei uns nicht den gewünschten Erfolg brächte (und dass er- und wir eigentlich auch- das deshalb nicht wirklich wollen).
Zum einen würden wir uns wahrscheinlich nach kurzer Zeit alle auf die Nerven gehen: Wir, wenn wir täglich mit ansehen müssten, dass unser Sohn nichts unternimmt und vielleicht die Tage verschläft und er, weil wir ihn dann doch wieder ermahnen und in einen Rythmus oder auf einen anderen Weg zwängen wollen. Andererseits wäre es für ihn wieder nur ein Aufschub und nach 2 Monaten hätte er auch keine neue Bleibe, weil er sie z.B. nicht bezahlen könnte.
Auf das Beenden des Studiums haben wir ihn schon mehrmals angesprochen, weil es vielleicht doch, gerade für ihn an der Uni, nicht der richtige Weg ist, doch er will unbedingt daran festhalten und keine andere Ausbildung beginnen. Intelligent genug ist er auf jeden Fall (deshalb in dieser Beziehung auch nicht überfordert), nur mit dem selbständigen Arbeiten hat er offensichtlich sein Probleme.
Wir hoffen ja immer noch, dass er irgendwann zu dem Punkt kommt, an dem er sich aufrafft, sein Leben anpackt und selbst bestimmt. Aber muss er dazu, wie ein Alkoholiker, tatsächlich erst ganz unten (auf der Straße?) ankommen? Und uns bleibt nichts, als dabei zuzusehen? Ich weiß aus bitterer Erfahrung, dass finanzielle Hilfe immer nur einem Aufschub gleich kommt und er nichts an seiner Situation ändert. Das Gleiche würde wohl ein Einzug bei uns bedeuten, nur dass wir dann auch wieder mehr Stress miteinander hätten...
Es ist nicht einfach. Deshalb bin ich dankbar über jeden weiteren Vorschlag, weitere Hilfe oder Meinungen. Bestimmt gibt es auch andere Angehörige, die ähnliche Schwierigkeiten haben? Gibt es vielleicht auch Selbsthilfegruppen für Angehörige?
Viele Grüße
helwie

Aufschieberin
Rank:member
Group: members
Posts: 8
IP Logged
PM ID: 9270
[PM Aufschieberin]

Posted at Mon Feb 20, 2012 22:12:52
Edit post|Quote
Hallo Helwie,

nur ganz kurz und auch nicht tiefer durchdacht:

falls euer Sohn solche Hilfe annehmen will, wie wäre es, wenn ihr ihm einfach mal zeigt und zusammen mit ihmn übt, wie man selbstständig arbeitet, wie man den Alltag organisiert etc.? Also mit viel Geduld z. B. zusammen mit ihm Stellenanzeigen durchsehen und eine Bewerbung schreiben? (Das soll natürlich nicht für immer so gehen, aber zum Anfang, damit er mal sieht, daß es zum einen gar nicht so schlimm ist und zum anderen sieht, wie man so etwas macht.)
Ich komme darauf, weil, wie ich finde, heutzutage in der Schule Methoden für selbstständiges Arbeiten im größeren Rahmen überhaupt nicht vermittelt werden.

Ganz wichtig ist auch, Gespräche anbieten. Auch wenn es schwerfällt, nicht sauer auf ihn sein, denn dann hat er Angst, euch die Wahrheit zu sagen.

Und Auszeit meinte ich wirklich im Sinne von Auszeit. Also Sohn soll mal wirklich gar nichts machen. Also nicht weiter aufschieben, sondern wirklich mal richtig faulenzen. Denn Aufschieben ist ja kein erholsames Faulenzen, sondern extremer Streß, auch wenn es von außen nicht so aussieht.

Andererseits könnte es für eueren Sohn auch sehr lehrreich sein, wenn er wirklich mal so richtig auf die Fresse fliegt wegen der Aufschieberei ... Vielleicht besser jetzt und was draus lernen, als sich später den Beruf damit zu versauen?

So, nun gehe ich wirlich ins Bett. Wenn mir noch was einfällt, schreibe ich die Tage mehr.

Viele Grüße!

leonardo
Rank:member
Group: members
Posts: 509
IP Logged
PM ID: 11
[PM leonardo]

Posted at Tue Feb 21, 2012 12:33:52
Edit post|Quote
Hallo helwie,
muss nicht für deinen Sohn passen, aber mein Vorschlag wäre folgender:

1. Alles was ansteht, auf eine ToDo-Liste schreiben. Das entlastet den Kopf, weil man dann nicht immer an diese Dinge denken muss. Die Chance, etwas wirklich wichtiges zu verpassen, sinkt!

2. Klare Prioritäten setzen und sich anschließend ausschließlich auf TOP 1 konzentrieren. Aufschieber neigen dazu, den ganzen, großen, unüberwindlich scheinenden Berg zu sehen und nicht die machbare Aufgabe für den heutigen Tag. Das sollte entstressen.

3. Ein klares Tagesziel formulieren. Wichtig ist, dass das Ziel nicht von außen vorgegeben wird, sondern insbesondere auch für den Aufschieber absolut machbar ist (auch in seinen Augen!).

4. Das Tagesziel ggf. noch in weitere Unterschritte unterteilen, um z.B. die einzelnen Aufgabenpakete noch machbarer erscheinen zu lassen aber auch, um zu sehen, ob der Aufschieber denn wirklich weiß, was er als nächstes tun müsste.

5. Tagesziele mindestens 1mal täglich kontrollieren. An einer gewissen Kontrolle führt wohl kein Weg vorbei. Die Kunst besteht darin, nicht so viel Druck auszuüben, dass der Aufschieber komplett blockiert. Viel Glück dabei, ihr werdet es brauchen! Werden Tagesziele nicht erreicht, dann sucht nach den Gründen und sucht dabei insbesondere nach immer wiederkehrenden Mustern.

6. Belohnungen vereinbahren für gewisse Meilensteine. Lieber eher weniger aber dafür größere Belohnungen einplanen.

Bis hierhin wäre das quasi mein Notfallplan, um die Dinge wieder in Gang zu setzen. Wichtig ist die Zustimmung des Aufschiebers zu diesem Plan. Er darf keineswegs das Gefühl bekommen, dass ihm der Plan übergestülpt wird. Ergänzen kann man das noch mit den vielen Tipps, die man hier im Forum schon nachlesen kann, z.B einfach mal für 5 Minuten anfangen.

Parallel dazu würde ich dem Aufschieber empfehlen, mal seine Ziele im Leben klar zu kriegen. Denn sonst dienen die ganzen Tipps nur dazu, ein Ziel zu erreichen, wo man aber vielleicht gar nicht hin wollte. Unklarheit in diesem bereich ist vermutlich auch oft ein Grund für Prokrastination. Für den Zielfindungsprozess gibt es genügend Anleitungen im Netz...

Mittelfristig sollte sich der Aufschieber auch mal Gedanken dazu machen, ob nicht auch schon eine Depression vorliegt und/oder eine Therapie sinnvoll wäre.

Verhaltenstherapeuten können leider oft erschreckend wenig mit dem Begriff "Prokrastination" anfangen und noch weniger dagegen tun. Ich denke schon, dass eine Verhaltenstherapie prinzipiell helfen kann. Aber sie ist vielleicht nicht die beste Therapieform, weil ich denke, die VT versucht ein Problem auf der Verstandesebene anzugehen, welches in Wirklichkeit im Unterbewussten liegt.

Ich versuche das mal an einem Beispiel klar zu machen: Nehmen wir mal an, du hast als Kind schlimme Erfahrungen mit einem bösen Hund gemacht, dann hast du auf deiner Festplatte eine Datei „Hund“ gespeichert, wo drin steht, dass Hunde böse sind und man an besten ganz schnell wegläuft. Und weil das eine überlebenswichtige Information für dein Unterbewusstein ist, wir die Datei an einer Stelle abgelegt, wo sie besonders schnell wieder aufgerufen werden kann und ist außerdem noch ganz gut gegen Überschreiben geschützt. Und genau das geschieht, wenn du später einen Hund siehst. Bevor du auch nur darüber nachdenken kannst, stellt sich die Angst quasi automatisch ein!

Was macht jetzt die VT? Die VT versucht auf deiner Festplatte eine neue Datei „Hund 2.0“ zu installieren, und diese Datei über den Verstand mit ganz realistischen Daten über Hunde zu füttern. Und dann versucht sie, dich durch ständige Wiederholung oder durch Konfrontation mit Hunden, dazu zu bringen, dass du öfter „Hund 2.0“ statt „Hund“ aufrufst. Da „Hund 2.0“ aber nur irgendeine Datei auf deiner Festplatte ist, kann das ganz schön lange dauern. Aber im Prinzip funktioniert das schon.

Ich habe viel bessere Erfahrungen mit alternativen Therapien wie EFT (als Selbsthilfetechnik) oder Wingwave (mit Therapeutin) gemacht, über die ich hier im Forum bereits berichtet habe.

Was macht Wingwave/EFT? Es lädt die Datei „Hund“ in den Arbeitsspeicher, knackt den Schreibschutz und schreibt die veränderte Datei wieder zurück. Problem gelöst, keine Wiederholungen erforderlich.

Nur so kann man sich imho dauerhaft von der Prokrastination verabschieden. Wie ihr seht, ist mir das auch noch nicht perfekt gelungen, aber ich habe deutlich Fortschritte gemacht.

So, mal sehen, ob ihr damit etwas anfangen könnt. Ich würde mich jedenfalls über eine Rückmeldung freuemn, was davon funktioniert hat und was nicht. Ich gehe davon aus, dass man seine Methoden ständig weiter feintunen muss und dafür sind solche Rückmeldungen wichtig.

Liebe Grüße
Leo


-----------------------------
Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon!

helwie
Rank:member
Group: members
Posts: 14
IP Logged
PM ID: 9263
[PM helwie]

Posted at Tue Feb 21, 2012 14:07:43
Edit post|Quote
Hallo zusammen,
vielen Dank Aufschieberin und leonardo. Das sind schon mal sehr gute Tipps, mit denen ich auch erstmal etwas anfangen kann. Teilweise sind wir auch schon im Laufe der Jahre über diese Aktionen weiter gekommen, wie z.B. kurz nach dem Abi: Da hing unser Sohn total durch (noch bei uns zu Hause) und hat absolut gar nichts mehr gemacht (noch nicht mal geduscht), auch weil er nicht wusste, in welche Richtung es beruflich gehen sollte. Mit Hilfe eines zeitlich eingeteilten Aktionsplanes kam er erst in einen einigermaßen normalen Tagesrythmus und hat sich dann, auch durch den Aktionsplan, für Praktikumsstellen beworben, um seine Richtung zu finden. Nach einem anschließenden FSJ hat er den Studienplatz bekommen und auch ca. 2 Semester studiert, kommt aber seitdem nicht weiter. Letztes Jahr war er in einer Klinik, weil die Ex-Freundin Depressionen befürchtete, die er aber wohl wirklich nicht hat. Der Aufenthalt und ein paar gemeinsame Gespräche mit der Psychologin brachte uns allen auf jeden Fall ein besseres Verständnis füreinander und dass auch mein Mann und unser Sohn viel besser über die Probleme reden können, was vorher nicht der Fall war. Danach gab es auch einen Aktionsplan (und er selbst hatte eine ToDo-Liste), den wir alle gemeinsam vereinbart haben. Unser Sohn hat Punkt für Punkt erledigt und bekam dafür von uns finanzielle Unterstützung. Doch als er tatsächlich die Kurse an der Uni auch besuchen sollte (was definitiv sein Ziel geblieben ist), hat er alles abgebrochen und will seitdem leider auch keine Therapeuten aufsuchen. Er reagiert auch kaum auf meine Mails oder Anrufe, weil er durch unsere Gespräche wohl nur an seine Misere erinnert wird (ich glaube, er versucht, selbst diese zu verdrängen), wir sein Leben aber trotzdem nicht mehr finanzieren, denn dadurch würde nur weiterhin nichts bei ihm passieren. Er kennt seine Probleme ganz genau, aber tut doch nichts daran! Ich denke, ich werde nochmal mit ihm über einen ToDo-Plan sprechen (wobei eine Kontrolle über die Entfernung schwierig ist) und über die Therapien, die du, leonardo, angesprochen hast. Es kann auch sein, dass er in diesem Forum liest, denn ich hatte ihm vorher mal den Link geschickt, damit ihm vielleicht die Tipps helfen. Da wusste ich aber noch nicht, dass ich selber mal schreiben würde...
Schön, auch von dir, leonardo, zu hören: ich hätte sonst sowieso mal gefragt, ob dir deine Therapien (nach einigem Abstand) tatsächlich geholfen haben. Ich kenne ein bisschen von Kinesiologie und der schnellen Augenbewegungen durch meinen Schwager (und wingwave hat wohl auch damit zu tun?). Aber meine Schwester hat die behandelte Migräne wieder oder immer noch. Deshalb bin ich bei ähnlichen Therapien ein bisschen skeptisch.
Vielen Dank nochmal und liebe Grüße
helwie

helwie
Rank:member
Group: members
Posts: 14
IP Logged
PM ID: 9263
[PM helwie]

Posted at Thu Mar 01, 2012 15:27:53
Edit post|Quote
Hallo nochmal,
leider hat sich bei uns noch nicht viel getan: Ich habe zwar mehrmals mit unserem Sohn gesprochen (wir streiten auch nicht, Aufschieberin; das ist überhaupt kein Thema), doch er möchte mit uns keinen Aktions- oder ToDo-Plan zusammenstellen und auch keine Kontrolle durch uns (mit einem Therapeuten würde er einen Plan erarbeiten- doch er wendet sich an niemanden!). Er möchte, dass wir ihn finanziell entlasten und ihm so einen großen Druck von den Schultern nehmen. Doch dadurch, meinen wir, drehen wir uns nur im Kreis und kommen wieder in die gleiche Situation wie vor ein paar Monaten, als es ihm finanziell noch gut ging, er aber den Aktionsplan abgebrochen hat. Obwohl er unter immensem Druck stehen muss und wir ihm Hilfe (aber eben nicht Geld) angeboten haben, unternimmt er nichts, um sein WG-Zimmer, seinen Studienplatz, seinen Lebensunterhalt zu erhalten oder eine Therapie zu beginnen. Ich kann ihn ja nicht dazu zwingen! Glaubt ihr, dass er sich irgendwann selbst aufrafft oder wird er tatsächlich im nächsten Monat mit seinen Sachen auf der Straße sitzen? Ändert ein Prokrastinator etwas, wenn es ihm zu schlecht geht (wie ein Alkoholiker, der erst ganz unten ankommen muss) oder bleibt er unten liegen? Ich habe immer noch Hoffnung...
Viele Grüße
helwie

Elle
Rank:member
Group: members
Posts: 207
IP Logged
Posted at Sat Mar 10, 2012 09:09:58
Edit post|Quote
Quote:
......... Er möchte, dass wir ihn finanziell entlasten und ihm so einen großen Druck von den Schultern nehmen............


Hallo! Wir haben auch einen Sohn in dem Alter. Kinder sind profan. Wenn schon die erzieherische Eltern-Kind Beziehung aufgrund seines Alters nicht mehr angebracht ist, dann wenigstens reale Abmachungen wie unter Freunden oder Partnern. Ich würde einen Deal vorschlagen und nicht mehr lange herumpsychologisieren:

Finanzielle Entlastung, geknüpft an kontrollierte Bedingungen, wie bei einer Bank oder beim Rettungspaket für Griechendland: X EURO nach dem belegten Besuch eines Therapeuten, und zwar x Sitzungen und nicht nur eine. Y EURO für Aufräumen der Wohnung, Suche einer neuen Bleibe, Beendigung eines Examens, was auch immer. Wenn/dann Prinzip, fetsgehalten in einem schriftlichen Vertrag mit Unterschrift. Das Leben ist hart. Es gibt nichts geschenkt. Wie wäre das?



helwie
Rank:member
Group: members
Posts: 14
IP Logged
PM ID: 9263
[PM helwie]

Posted at Sun Mar 11, 2012 14:40:22
Edit post|Quote
Hallo und Danke Elle für den konkreten Vorschlag. Leider entspricht dies ziemlich genau unserem Aktionsplan, den wir mit unserem Sohn nach dem Klinikaufenthalt aufgestellt hatten und den er abgebrochen hatte, als es wirklich an den Besuch der Uni ging (siehe oben). Auch jetzt will er ja solch einen Plan mit uns nicht durchziehen (auch die Kontrolle nicht durch uns), sondern eher mit neutralen Personen. Davon abgesehen ist die Durchführung, vor allem die Kontrolle, auch ein bisschen schwierig über eine ca. 70 km Entfernung, besonders wenn der Plan sich auf tagesgenaue Aufgaben erstrecken muss. Doch du hast schon recht: Unser Sohn sagt selbst, dass er einen "Arschtreter" braucht.
In letzter Zeit habe ich mit so einigen Leuten, z.B. Psychologen gesprochen. Es gibt z.B. an der Uni Münster eine Prokrastinationsambulanz, die Betroffenen wohl sehr gut hilft, aber leider nur im Münsteraner Bereich. Doch dadurch habe ich mich an psycho-soziale Dienste gewandt und hoffe, dass diese bald einen "Betreuer" stellen, der unserem Sohn wenigstens 2x/Woche vor Ort bei Terminen und Aufgaben hilft und kontrolliert. Zusätzlich bekommt er nun eine Verhaltenstherapie, die aber auch erst noch anlaufen muss. Ich denke, dass es ohne solche Hilfe nicht geht und er sonst nie zu einem "normalen" Leben kommen wird. Allerdings habe ich auch jetzt wieder gesehen, dass es selbst für im psychisch und sozialen Bereich sehr erfahrene Leute ungemein schwierig ist, unseren Sohn auch nur annähernd zu begreifen, zumal, wenn sie Prokrastination nicht kennen. Nachvollziehen kann ich es allerdings: Selbst für uns nach all diesen Jahren ist es nicht wirklich verständlich, wie soll es ein Fremder sehen: Er sitzt vor einem, macht einen absolut weltoffenen, humorvollen, freundlichen Eindruck, kann sich sehr gut selbst reflektieren und ausdrücken, ist kein bisschen deprimiert und erklärt trotzdem, dass er massiv darunter leidet, nicht selbst das tun zu können, was er will und was nötig ist. Als ich dabei war, hat er ohne Probleme selbst angerufen, Termine gemacht, hat eine Verlängerung für die WG bekommen (jetzt muss er nur noch die Studiengebühr irgendwie verdienen können), usw., aber alleine ist er noch nicht einmal in der Lage, einen Termin bei einem Pschologen zu machen. Also, durch sind wir mit dem Thema noch lange nicht, aber ich hoffe, jetzt etwas Hilfe für ihn auf den Weg gebracht zu haben. Ich werde zwischendurch weiter berichten, aber wenn ihr noch weitere Vorschläge habt: Immer gerne!
Viele Grüße, helwie




Elle
Rank:member
Group: members
Posts: 207
IP Logged
Posted at Mon Mar 19, 2012 11:31:37
Edit post|Quote
Quote:
Als ich dabei war, hat er ohne Probleme selbst angerufen, Termine gemacht, hat eine Verlängerung für die WG bekommen (jetzt muss er nur noch die Studiengebühr irgendwie verdienen können), usw., aber alleine ist er noch nicht einmal in der Lage, einen Termin bei einem Pschologen zu machen.


Ich kann das gut verstehen, weil ich auch zu den Aufschiebern gehörte, denen man es nicht anmerkte. Man muss nur sehr gut verdrängen und schauspielern können. Das Verrückte dabei ist, dass es mindestens genau so viel Kraft kostet aufzuschieben als anzufangen und seinen Kram zu erledigen. Und der Graben zwischen Aufschieben und Anfangen ist gar nicht so breit, man kann relativ leicht drüber springen. Ich musste den harten Weg gehen, die Konsequenzen am eigenen Leib spüren und dann das Ruder herumreißen und Schritt für Schritt alles Liegen Gebliebene abarbeiten, das hat mehrere Jahre gedauert (drei davon mit gesprächstherapeutischer Hilfe).

Aber was mir aufgefallen ist an Deiner Beschreibung: meinen Sohn ergeht es ähnlich wie Deinem, ich brauche nur daneben zu sitzen und schon geht's. Ich denke da habe ich in einer entscheidenden Phase seiner Entwicklung etwas falsch gemacht. Wenn kleine Kinder anfangen helfen zu wollen oder etwas allein zu machen, ist es für manche Mütter unglaublich schwierig geduldig abzuwarten und sie wirklich machen zu lassen, damit sie auch das Gefühl des Anlauf Nehmens, der Frustration, wenn es nicht sofort klappt, dem Suchen, wie etwas genau funktioniert selbständig auf die Spur kommen (Thema Moitivation). Und ich kann mich außerdem noch sehr gut daran erinnern, wie ich etwas lieber schnell selbst erledigt habe damals, immer in Hektik als berufstätige Mutter. Auch in der Konsequenz zu steuern, dass er regelmäßig seine Pflichten erfüllte, wie Schultasche packen, Brote schmieren, Zimmer aufräumen, Hausaufgaben machen, war ich damals nicht gut (Thema Selbständigkeit und Eigenverantwortung). So hat sich bei unserem Sohn nie so etwas wie selbstverständliches Verantwortungsgefühl für sein tägliches Leben entwickelt. Ich habe bis er Anfang zwanzig war, dafür gesorgt, dass er seine Ausbildung in einem Lehrberug beendet, den Zivildienst ableistet und danach noch selbst das FAchabitut ohne Hilfe geschafft hat. Aber das war's erst einmal. Er wohnt noch zu Hause und es bleibt spannend, wie es nun weiter geht.

helwie
Rank:member
Group: members
Posts: 14
IP Logged
PM ID: 9263
[PM helwie]

Posted at Fri Apr 27, 2012 10:43:33
Edit post|Quote
Hallo zusammen,
auch von mir mal ein kurzer Stand der Dinge: Bisher haben wir noch keinen Betreuer von den psycho-sozialen Diensten bekommen. Ich hoffe, dass es noch irgendwann klappt. Wenigstens geht unser Sohn aber zur Zeit endlich zur Psychologin und macht dort eine Therapie. Ansonsten prokrastiniert er leider zum größten Teil weiter...
An Elle und andere Eltern, die ähnliches geschrieben haben: Für mich macht es keinen Sinn, weiter darüber nachzugrübeln, was wir vielleicht falsch gemacht haben. Ich weiß, dass ich immer mein bestes versucht habe, unserem Sohn die optimale Kind- und Jugendzeit zu ermöglichen: Ich denke, wir sind modern eingestellt und haben uns immer auf dem Laufenden gehalten, wie man Kinder am besten erzieht, sie aber auch nicht überbetreut. Wir haben ihm geholfen, ihm aber auch Freiraum gelassen. Alles jetzt über seine Jugend aufzuzählen, würde das Maß sprengen. Wie auch schon vorher berichtet, habe ich mich auch nicht gescheut, als die Prokrastination anfing, mir Rat bei vielen anderen zu holen. Trotzdem haben wir mit Sicherheit auch Fehler gemacht, doch wer ist schon perfekt? Es gibt so viele Ursachen für Prokrastination, dass wohl auch niemand sagen kann, was jetzt bei unserem Sohn die Ursache dafür ist. Und was nutzt es? Ich meine, wichtiger ist es nun, dass er den Weg endlich da raus findet, damit er doch noch etwas aus seinem Leben machen kann. Und genau deshalb suche ich hier die Hilfe von Betroffenen und welchen, die es geschafft haben, damit unser Sohn es auch möglichst bald packt...
Und das Gleiche hoffe ich für Elles Sohn...

masterarbeit
Rank:member
Group: members
Posts: 108
IP Logged
PM ID: 9685
[PM masterarbeit]

Posted at Sat Apr 28, 2012 11:22:40
Edit post|Quote
Liebe helwie,

mir sind deine Schilderungen sehr nahe gegangen und es hat mich sehr gerührt, mitzukriegen, wie sehr du versuchst, deinem Sohn zu helfen. Vielleicht hat mich das an meinen Vater erinnert, der auch versucht, mich zu unterstützen.

Kurz zu mir: Ich bin 30 und schreibe gerade die Abschlussarbeit meines Zweitstudiums. Ich hatte mich in dem Unisystem "verfangen", komme mir mittlerweile wie ein Riese in Babyklamotten vor (sprich: fühle mich hier mittlerweile sehr fehl am Platz nach 10 Jahren..), bemühe mich aber, jetzt positive Gedanken zu haben, um das Ganze endlich endgültig abzuschließen. Was mein Elternhaus betrifft und damit sicher auch die Hintergründe meiner Prokrastination, so würde ich sagen, dass ich aus einem überbehüteten Elternhaus (finanziell) komme, es emotional aber konfliktiv war. Durch meine Erziehung bin ich eher unselbstständig aufgewachsen.

Dein Sohn ist ja gerade in einem Alter, wo sich junge Menschen klassischerweise auf der Schwelle zum Erwachsenwerden befinden. Ich glaube, dass das deinem Sohn schon bewusst ist und er das auch will, daher kann ich ihn gut verstehen, dass er seine Schwierigkeiten oder auch die Aktionspläne lieber mit Außenstehenden als mit euch als Eltern bespricht, da das ganz normal ist, dass man sich in diesem Alter etwas von den Eltern abkapseln will, um zu sich selbst als eigenständiger Persönlichkeit zu finden. Ist doch super, dass er jetzt eine Therapie angefangen hat! Ich glaube in der Tat, dass es besser für euren Sohn ist, wenn er sich eher Hilfe bei Außenstehenden als bei euch holt, da dass mit den Eltern irgendwie alles zu nah ist, v. a. wenn sie vielleicht mit der Prokrastination zusammenhängen (soll keine Unterstellung sein, ist nur eine Möglichkeit).

Die Frage ist natürlich immer noch, wie ihr euch am besten verhaltet. Ich kann mir gut vorstellen, wie schwierig es ist, mitanzuschauen, wie das eigene Kind so abrutscht. Klar, dass man da was machen will! Ob das bei Prokrastinierern wie bei Alkoholikern mit "erstmal ganz unten ankommen" ist, weiß ich leider nicht. Was sagt denn euer Sohn zu euren Hilfeangeboten? Nimmt er sie an? Möchte er mit euch reden? Ich kann nur von meiner eigenen Erfahrung sprechen, dass mich es tierisch nervt, wenn mein Vater mir zu aktiv helfen will, weil er einfach sehr paternalistisch ist.

Mir persönlich hilft es, mich mit dem Komplex "Prokrastination" auch theoretisch auseinanderzusetzen. Ich finde da Lektüre dazu sehr hilfreich. Ich lese zur Zeit "Procrastination. Why you do it, what to do about it" von Burka/Yuen dazu und dadurch verstehe ich mich selbst und mein Verhalten viel besser. Alle, die prokrastinieren, haben viel gemeinsam. Wenn man sein Verhalten und seine Gefühle auf gewisse Ursachen zurückführen kann und merkt, dass man damit nicht alleine ist, ist das echt ein Trost und gibt Hoffnung und Motivation, es zu ändern.

Ich wünsche euch und eurem Sohn Vertrauen und Mut.

Herzliche Grüße

helwie
Rank:member
Group: members
Posts: 14
IP Logged
PM ID: 9263
[PM helwie]

Posted at Sun Apr 29, 2012 10:56:03
Edit post|Quote
Hallo masterarbeit,
danke für deine Reaktion; es tut auch mal gut zu hören, was Betroffene empfinden, wenn sie es aus Sicht der Eltern mal lesen. Ich lese mittlerweile ziemlich regelmäßig die neuen Beiträge in diesem Forum und habe deshalb auch deine zum größten Teil mitbekommen. Unserem Sohn werde ich das Buch mal vorschlagen, aber ich fürchte, dass er keine Lust haben wird, sich damit auseinanderzusetzen. Er ist gerade dieses Wochenende bei uns wegen einiger Familienfeierlichkeiten und es ist wieder einmal frustrierend, wie er sich um seine Computerprobleme, Sport und andere Interessen kümmert, aber z.B. seit mind. einer Woche eine einzige, kurze Mail an die Psychologin nicht schreibt, damit es mit der Betreuung doch noch etwas wird. Ich glaube, so richtig verstehen (so mit ganzem Herzen) kann man als "Andersdenkender" diese Untätigkeit nicht, auch wenn ich ihn wirklich verstehen will. Es macht mich wütend und traurig zugleich; man will natürlich das beste für's "Kind", aber sieht die Jahre ohne Ausbildung und die schlechten Aussichten auf einen Job in der Zukunft. Unser Sohn ist fast 26, hat mit dem Studium quasi gar nicht begonnen, will aber auch nichts anderes und tut doch nichts dafür! Er nimmt schon unsere Hilfe an, doch wie soll ich ihm noch helfen, ohne ihn zu bemuttern? Ich habe ihn längst losgelassen und würde ihn gerne einfach alleine "machen lassen", denn er ist erwachsen und wohnt auch alleine: Ich denke, ihm Anrufe oder Wäsche abzunehmen, wäre falsch. Wie beschrieben habe ich geholfen, damit er das WG-Zimmer behält und den Weg zu den psycho-sozialen Diensten und zur Psychotherapie gesucht, doch er muss auch selbst etwas tun. Er redet auch mit uns und ist ehrlich, kein Problem, aber es ist darüber eigentlich das meiste gesagt. Wir kennen sein Leiden und er kennt unseres; er hat eigentlich (auch bei Therapeuten) keine Lust, immer das Gleiche zu erzählen. Wie gesagt, ich werde ihm das Buch mal vorschlagen und hoffe nach wie vor, dass er irgendwie (und möglichst bald) weiterkommt, aber jetzt muss ich dringend auch mal wieder etwas hier zu Hause tun. ;-) LG, helwie

masterarbeit
Rank:member
Group: members
Posts: 108
IP Logged
PM ID: 9685
[PM masterarbeit]

Posted at Tue May 01, 2012 16:15:31
Edit post|Quote
Hallo helwie,

in dem Buch, das ich gelesen habe, steht auch ein Kapitel für Außenstehende zum Umgang mit Prokrastinierern (z. B. als Chef, Angestellter, Ehepartner/in oder Eltern).

Von Folgendem wird abgeraten:
- "Mach es einfach" sagen
- nörgeln und den Aufpasser spielen
- Kritik, Lächerlichmachen, mit extremen oder übertriebenen Konsequenzen drohen
- es selber machen (Aufgaben für den Prokrastinator)
- "hab ich dir doch gesagt" sagen

Als hilfreich wird empfohlen:
- die eigene individuelle Perspektive bewahren (damit meinen die Autorinnen sich nicht mit dem Prokrastinator und seinen/ihren Problemen zu identifizieren, akzeptieren, dass die eigene Macht über den Prokrastinator beschränkt ist)
- flexibel in seiner Strategie sein (wenn eine Strategie mit dem Prokrastinator nicht funktioniert, nicht die gleiche immer wiederholen, sondern eine andere probieren, z. B. wenn man jemanden immer sehr gepusht hat, etwas zu tun, loslassen und sagen "Es gehört zum Erwachsenwerden, eigene Entscheidungen zu treffen. Du musst selbst entscheiden, wie wichtig dir xy ist"; allgemein wird im Buch dazu geraten, Prokrastinatoren so weit wie möglich bei Entscheidungen miteinzubeziehen)
- klare Grenzen, Termine und Konsequenzen aufstellen
- dem Prokrastinator helfen, kleine Zwischenziele festzulegen
- dem Prokrastinator helfen, konkret und realistisch zu sein, bei dem, was sie/er tun muss
- Erfolge anerkennen
- dem Prokratinator direkt sagen, wenn du sauer bist
- dem Prokrastinator sagen, dass sie/er mehr für dich ist als nur ihre/seine Leistung
- berücksichtige dich selber (d. h. wenn du von der Handlung des Prokrastinators abhängig bist, zuerst versuchen, gemeinsam eine Lösung finden, wenn das nicht funktioniert, selber aktiv werden (aber nur, wenn es wirklich dich betrifft), falls es keine konkreten Konsequenzen für dich hat, bleibt dir nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, dass der Prokrastinator anders handelt)

Es gibt auch ein spezielles Kapitel für Eltern. Dort wird gesagt, dass der größte Fehler ist, zu nörgeln. Hier wird noch einmal gesagt, dass man dem Kind sagen soll, dass einem das Kind mehr wert ist als nur seine Leistung (es wird betont, dass das JEDEM Kind sehr wichtig ist) und dass man sein Leben von dem des Kindes trennen soll.

So spontan würde ich sagen, es ist wichtig, dass dein Sohn jemanden findet (am besten jemand Dritten, da wie gesagt, die Eltern einem manchmal zu nah stehen können), dem er vertraut, wo er sein eigenes Herz fühlen kann und eine echte Beziehung zum anderen aufbauen kann. Du hast ja geschrieben, dass er schon bei mehreren Psychologen war. Wenn da nur rein rational über Probleme gesprochen wird, bringt einen das auch wirklich nicht sehr weit. Man muss dort schon sein Herz öffnen können, das geht natürlich nur, wenn das Gegenüber das auch tut (sei es auch nur rezeptiv, indem sie/er wirklich mitfühlend ist). Wenn man das Herz öffnet, fühlt man sich wieder verbunden mit anderen Menschen und der gesamten Umgebung. Das ist der ideale Zustand für jegliche Aktion im Leben. Probleme entstehen, wenn man sich getrennt fühlt von anderen Menschen, der Welt allgemein.. Psychologen sind manchmal so nüchtern-rational (ist ja dann auch sooooo wissenschaftlich und professionell), die Herzenswärme, von der ich spreche, gibt es öfters im kirchlichen Bereich. Ein Bekannter von mir hat z. B. auch eine schwierige Zeit durchgemacht und ist dann zu einer christlichen Hochschulgruppe gegangen (klassischerweise gibt es ja die evangelischen und katholischen Studentengruppen - ESG und KSG) und hat öfters mit dem dortigen Pfarrer gesprochen, was sehr hilfreich für ihn war. Auch das Eingebundensein in so einer Gruppe ist sehr schön, da viele gemeinsame Aktivitäten stattfinden, aber eben auch über tiefergehende Themen und das eigenen Leben gesprochen wird. Ich kenne mehrere Leute, für die das die Rettung bzw. der Wendepunkt in ihrem Leben war, zum Glauben zu finden und in einer solchen oder freikirchlichen christlichen Gruppe zu sein.

Aber die Frage ist, inwiefern das was bringt, wenn ich das alles dir als Eltern erzähle. Ich müsste es ja deinem Sohn erzählen. Ich weiß ja nicht, wie offen dein Sohn für Vorschläge von dir ist. Dein Sohn muss es halt auch selbst wollen, da führt wohl nichts dran vorbei. Eine Frau hat mal vor kurzem zu mir gesagt, als ich down war und Angst vor der ganzen Masterarbeitssache hatte: "Es hört sich vielleicht blöd an, aber es ist schon viel wert, wenn du dich selbst nicht umbringst." Das ist mir in dem Moment sehr nah gegangen. Nicht, dass ich ernsthaft solche Absichten gehabt hätte, aber mein Lebenswille/kraft war schon etwas eingeschlafen die letzte Zeit. Ich kann mir vorstellen, dass sich dein Sohn unter Leistungsdruck fühlt. Für ihn geht es darum, vor allem wieder Freude am Leben zu finden und Arbeit nicht als Leistungsbarometer zu sehen, sie und sich nicht so stark bewerten.

Ich kann noch etwas anderes zur Disziplinstärkung empfehlen, was ich selber praktiziere: Vipassana-Meditation nach Goenka. Das läuft so ab, dass du einen 10-Tages-Kurs in Südsachsen oder woanders machst. Während der 10 Tage meditierst du intensiv und bist strengen Regeln unterworfen (die aber alle der Meditation dienen, nicht um einen zu gängeln). Das ist ziemlich hart, aber gut, um sich selber zu überwinden und so Freiheit über sich und seine Handlungen zu erlangen. Keine Angst, ist keine Sekte und basiert auf freiwilligen Spenden.

Ich wünsche euch alles Gute.

helwie
Rank:member
Group: members
Posts: 14
IP Logged
PM ID: 9263
[PM helwie]

Posted at Wed May 02, 2012 11:52:48
Edit post|Quote
Hallo masterarbeit,
vielen Dank, dass du dich so sehr damit befasst hast und einen so langen Beitrag geschrieben hast. Da mein Englisch dazu nicht ausreicht, könnte ich das Buch wahrscheinlich nicht verstehen, deshalb ist deine Übersetzung sehr aufschlussreich für mich. Vieles davon kenne ich zwar durch andere Texte, Beiträge, Gespräche und unsere Erfahrungen mit unserem Sohn irgendwie, aber über so manches muss ich auch noch näher nachdenken, auch wie ich es vielleicht am besten umsetzen kann. Ein Problem ist z.B., dass wir eigentlich keine Konsequenzen mehr aufzeigen können, da er ja unabhängig von uns wohnt. Wenn er sich also bei Therapeuten oder den psycho-sozialen Diensten nicht meldet, sind die Chancen auf Betreuer vertan und er steht wieder alleine da, ohne dass wir etwas daran ändern können.
Da unser Sohn erst ungefähr 4 Sitzungen bei der Psychologin hatte, weiß ich nicht, wie ihr Verhältnis ist und sich entwickelt. Ich glaube, seit unser Sohn keinen Kontakt zu seiner Ex mehr hat, pflegt er eher freundschaftliche Beziehungen. Emotionale, tiefergehende Gespräche finden wohl eher nicht mehr statt. Aber ob er in eine kirchliche Gruppe gehen würde, wage ich zu bezweifeln, zumal er auch keiner Kirche angehörig ist. Und, wie gesagt: Er hat eigentlich auch keine Lust, immer wieder das gleiche zu erzählen. Nichtsdestotrotz würde ihm ein richtiger, mitfühlender Freund bestimmt gut tun; seine alten, ehrgeizigen Freunde haben es wohl aufgegeben, weil er zeitweise so untätig und unzuverlässig war. Freude am Leben hat er; nur alles in Richtung Arbeit, Ausbildung, Organisation (sprich: seine Zukunft) bereitet ihm Schwierigkeiten. Er lebt eben einfach in den Tag hinein...
Davon abgesehen, mittlerweile ertappe ich mich auch dabei, dass ich über diesen Beiträgen hänge, darüber und unseren Sohn nachdenke und huch- schon wieder Stunden später und nichts getan, außer ein bisschen geschrieben. Also, nochmals Danke, masterarbeit und auch dir alles Gute, vor allem für deine Masterarbeit. Ich denke, du bist auf einem guten Weg. Bis bald...

masteredthis
Rank:member
Group: members
Posts: 71
IP Logged
PM ID: 9830
[PM masteredthis]

Posted at Tue May 08, 2012 11:32:32
Edit post|Quote
Hallo Helwie. Mein Beileid. Es muss schlimm sein, zuzusehen und nichts für sein geliebtes Kind tun zu können. Es ist für mich schrecklich, meine Familie zu enttäuschen. Ich ertappe mich immer wieder dabei, sie mit Lügen zu "verschonen". Es ist hart - für beide Seiten.

Ich weiß auch nicht, was hilft. Im Prinzip kann man nur sich selbst helfen. Ich habe zwar einen guten, einfühlsamen Freund, der zu mir hält, aber ich prokrastinier trotzdem. Man muss nicht verstanden werden, damit man aufhört damit.

Wenn ich ein Gefühl nehmen müsste, um zu beschreiben, warum ich prokrastiniere, dann wäre das Ohnmacht. Das gefühl, sein Leben nicht in der Hand zu haben, dass man nur wenig Wahlmöglichkeiten hat. Dass man Getriebener ist in diesem System. Dass man als INdividuum keinen Platz hat in dieser Gesellschaft. Irgendwann wird man müde vom ständigen Kämpfen. Irgendwann resigniert man. Immer nur Leistung, Leistung, überall - Schule, Freizeit, Beruf. Wo bleibt da der selbstbestimmte Mensch? gerade als junger mensch, der noch nicht das ganze leben überblickt, der keine wurzeln geschlagen hat, aus denen er kraft schöpft, wird die welt ruckzuck ein leerer, unfreundlicher ort, der viel zu komplex und anstrengend ist. gefühl von perspektivlosigkeit, fremdbestimmung, wertlosigkeit all das führt zu rebellion. dass man kein bock hat auf diese leistungsgesellschaft. dass man sich allem verweigert. es ist nicht nur keine lust, es ist ein wehren dagegen, wie man als mensch behandelt wird, wenn man es mit sich machen lässt bzw. wie man aussortiert wird, wenn man sich nicht dem leistungsdruck unterordnen will.

als junger mensch will man die welt verändern können - warum verstehen das die alten nicht? stattdessen wird man nur ausgenutzt, überall und man kann froh sein drum. man kann hier rein gar nichts ändern, alles ist vorgegeben. alles wird von einem abverlangt.

vielleicht ist es nur ne phase. vielleicht geht die irgendwann weg, wenn man was findet, in das man sich verlieben kann. wenn es einem nicht wieder kaputt gemacht wird. oder man gibt irgendwann auf, sich dagegen zu wehren, weil man eh nichts ändern kann. und dann passt man sich halt an.

masterarbeit
Rank:member
Group: members
Posts: 108
IP Logged
PM ID: 9685
[PM masterarbeit]

Posted at Tue May 08, 2012 22:04:52
Edit post|Quote
Liebe helwie,
vielen Dank für deine nette Antwort. Mir fallen momentan leider keine weiteren Tipps ein; ist auch schwer, eine Situation zu durchblicken, wenn man sie nur von einer Angehörigen hört und nicht vom Betroffenen selbst. Wie ist es denn weitergegangen die letzte Zeit?
Ich musste kurz schmunzeln, als du geschrieben hast, dass du manchmal auch schon leichte Prokrastinationsanzeichen hast, wenn du zu lange über dem Forum hängst. Betrifft halt irgendwie alle, nur in unterschiedlichen Ausmaßen
Vielen Dank auch für deine guten Wünsche für die Masterarbeit. Es geht tatsächlich voran und ich bin zurzeit sehr optimistisch. Ich kenne das schon von meiner letzten Abschlussarbeit, wo dann gegen Ende so eine Vorfreude auf den Abschluss und das Neue entsteht.
Ich hab mir übrigens vor kurzem einen tollen Vortrag auf youtube angeschaut: "Time Management" von Randy Pausch. Ist mir sehr nahe gegangen, weil er zu dem Zeitpunkt Krebs hatte und nur noch ein paar Monate Lebenserwartung hatte (hat sich leider auch bewahrheitet) und für ihn daher mehr für jeden anderen Zeit sehr kostbar war. Er wurde auch bekannt unter "The last lecture" (Der letzte Vortrag).
Herzliche Grüße,
masterarbeit


Seite: 1



Betrieben von Bernd Klein, Singen, unterstützt durch den Schulungsanbieter Bodenseo, Kurse in Linux, Perl und Python, Informationen in Englisch zu Bernd Klein
Powered by Chipmunk Board