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| Libertine Rank:member Group: members Beiträge: 10 IP Logged PM ID: 55 PM [Libertine] | Last replied to on Thu Dec 07, 2006 13:27:00 Edit Post|Quote Hallo Ihr Lieben, freue mich Euch kennen zu lernen. Bin heilfroh dieses Forum entdeckt zu haben und die Sache endlich einen Namen hat. An Procrastination leide ich schon seit ich denken kann. Von den Ursachen treffen mehrere auf mich zu. Bisher konnte ich ganz gut mit der Sache leben (mein Umfeld eher nicht, ich kann nicht zählen wie oft die Worte faul, undiszipliniert, inkonsequent, unzuverlässig etc. gefallen sind…) Jetzt ist in meinem Leben aber die meines Erachtens brandgefährliche Kombination Procrastination + Arbeitslosigkeit aufgetaucht. Ihr könnt Euch sicher denken, dass ich jetzt eigentlich Bewerbungen schreiben müsste, anstatt Forenbeiträge. Dieses Bewerbungsschreiben schiebe ich jetzt auch schon auf ein mir selbst unerträgliches Maß hinaus (und meine Toleranzgrenze ist hoch), was mich mittlerweile in einen Zustand der depressiven Verstimmung gebracht hat, Tendenz steigend im negativem Sinne. Ich bestrafe mich nämlich dafür, dass ich nicht arbeite indem ich jetzt auch angefangen habe, alles zu procrastinieren (sagt man das so?) was mir Spaß macht. Erschwerend kommt hinzu, dass ich meinen Job selbst gekündigt habe. (auch noch selbst Schuld…) Hatte das Gefühl in Langeweile und Routine ersticken zu müssen. Vorgesorgt hatte ich eigentlich schon, hab an der Abendschule eine komplett zweite Ausbildung gemacht und war frohen Mutes. U.a. (bitte nicht Lachen jetzt) habe ich die Befugnis als psychologische Beraterin tätig zu sein. Aber wie so oft ist man bei sich selbst blind wie ein Maulwurf. Was mir bei mir aber extrem auffällt (und mich würde sehr interessieren, ob das hier jemand kennt) ist eine totale Abwehrhaltung und auch Angst, dass wenn ich die Sache in den Griff bekomme, ich auch so ein, hmmm ich nenn es mal Roboter, werde wie einige andere. Aufstehen-Arbeiten-Einkaufen-Haushalt-ErschöpftinsBettfallen-Schlafen-Rente-Krankheit-Sterben. Ich habe ein Faible für Leute die nicht einfach nur funktionieren. Lebenskünstler, Aussteiger, Idealisten, Menschen die frei denken. (Selbst bin ich viel zu feige so zu leben ich leiste passiven Wiederstand und passe mich ansonsten an) Das ist in unserem Land aber nicht unbedingt gewünscht und wird auch nicht gefordert, finde ich. Ich weiß somit nicht, wieweit mein Problem von der Gesellschaft abhängt in der ich lebe. Könnte noch ewig Weiterschreiben (in diesem Moment zumindest), bin aber schon froh, wenn jemand bis hierhin durchgehalten hat, danke fürs Lesen! Liebe Grüsse Libertine ----------------------------- We live in a strange bubble | |
| Seltsam Rank:member Group: members Posts: 18 IP Logged PM ID: 53 [PM Seltsam] | Posted at Sat Nov 18, 2006 09:10:56 Edit post|Quote Hallo Libertine, da schwingt der Wunsch nach Freiheit ja schon im Namen mit. Ich würde mal sagen, es ist doch schon gut, wenn du damit gut leben kannst, bzw. konntest. Es ist ja die hauptsache das es DIR gut geht. Bei vielen ist es ja eher so, dass Sie ständig ein schlechtes Gewissen wegen ihrem Aufschieben haben. Das Versagen von eigentlich angenehmen Tätigkeiten um sich selbst zu bestrafen, kenn ich nur zu gut. Mache seit Wochen fast nichts anderes mehr als mich im Kreis zu drehen. Und die Spirale mit der Arbeitslosigkeit ist wohl wirklich ein Problem, wobei ich dazu noch nicht viel sagen kann. Die Bewunderung von Lebenskünstlern, auf alle Fälle haben die Meisten ne Menge Energie und ziehen ihr Ding durch, also schon bewundernswert. Wobei ich mit meiner angepassten Verweigerungshaltung mit weniger Energie auskomme und darauf warte das etwas passiert. Aber ich wünsche mal nen großen Schub Motivation für das Bewerbungsschreiben und ein angenehmes Wochenende. Gruß, Seltsam PS.: so ein bewerbungsgespräch weiter weg ist auch ne schöne Sache um mal rauszukommen ----------------------------- .... und das Leben geht einfach weiter. | |
| Javabohne Rank:member Group: members Posts: 133 IP Logged PM ID: 39 [PM Javabohne] | Posted at Mon Nov 20, 2006 00:47:05 Edit post|Quote Hallo Libertine, also, alle deine geschilderten Eigenschaften in bezug auf Procrastination kenne ich nur zu gut, leider. Ich habe auch vor Jahren, als ich mal arbeitslos war alles aufgeschoben was es nur gab und habe mich dabei auch noch wohl gefuehlt. Jedenfalls solange, bis dann der Selbsthass kam, gefolgt von tiefen Depressionen. Das war sehr schlimm fuer mich. Aus meiner Sicht leide ich "zum Glueck" nur in meiner Freizeit an Procrastination und habe beruflich gesehen ein sehr hohes Mass an Pflichtbewusstsein. Das setzt sich auch fort, wenn ich mich zu irgendetwas verpflichte, wie zum Beispiel Abendkurse im Sektor berufliche Weiterbildung. Nur zuhause faellt mir dann das Lernen schwer. Ich habe festgestellt, je aelter ich werde, so schlimmer wird auch die Procrastination. Nun habe ich angefangen mir einen Zeitplan zu machen und beschaeftige mich in meiner Freizeit mit irgend etwas! Nur um beschaeftigt zu sein. Dabei habe ich beobachtet, dass ich dabei auch Dinge erledige, die ich geplant habe und die fuer mich wichtig waren. Solche Dinge, die ich normalerweise immer verschoben haette, werden somit erledigt. Nicht immer, aber immer oefter! Ich versuche durch diese Art von "mich selbst zu beschaeftigen" ein gewisses Training zu erreichen und hoffe, dass ich dadurch auch langfristig anfange weniger zu procrastinieren und immer haeufiger dass tun kann, was ich eigentlich moechte. Wir werden sehen, wohin mich das bringt. Viele Gruesse, Dieter | |
| Libertine Rank:member Group: members Posts: 10 IP Logged PM ID: 55 [PM Libertine] | Posted at Mon Nov 20, 2006 14:34:02 Edit post|Quote Danke für Eure Antworten! Für mich ist es wirklich noch unglaublich, dass jemand nachvollziehen und verstehen kann, was ich geschrieben habe. Bisher kenne ich ausschließlich die Aussagen, ich soll mal in die Pötte kommen, kann ja nicht wo schwer sein eine Bewerbung zu schreiben und und und. Wir haben jetzt 14:00 Uhr, ich bin seit 7:30 Uhr auf, ich liebes es eigentlich lange zu schlafen, aber das gönne ich mir nicht, hab auch Angst dann ganz abzurutschen, wenigstens das frühe Aufstehen bekomme ich (meist) noch hin Habe bisher meine Wohnung geputzt, obwohl ich überhaupt nicht der Hausfrauentyp bin und bin seitdem im Internet unterwegs… Habe die letzten Stunden Bücher bei Amazon rausgesucht… Heute habe ich mir fest vorgenommen, wenigstens eine Bewerbung zu schreiben. Irgendwie komisch, ich komme mir vor, als würde ich mich selbst dabei ungläubig beobachten wie ich Dinge, die anstehen, einfach nicht erledige. Ich schaue mir dabei zu, wie ich mein Leben verbaue. Das find ich besonders tragisch, sehenden Auges ins Unglück zu stürzen. Das ist, wie mit 200 h/km bei vollem Bewusstsein vor eine Mauer zu fahren, nach dem Motto wird schon irgendwie gehen… Muss schon sagen, es fällt mir schwer angesichts dieser Tatsache Verständnis für mich zu haben. Obwohl ich weiß, das Scham, Selbsthass und Schuldgefühle die Sache eher verschlimmert. Liebe Grüsse Libertine ----------------------------- We live in a strange bubble | |
| Seltsam Rank:member Group: members Posts: 18 IP Logged PM ID: 53 [PM Seltsam] | Posted at Mon Nov 20, 2006 17:55:30 Edit post|Quote Libertine du bringst es auf den Punkt.
genauso geht es mir im Moment auch. Ich laufe sehenden Auges ins Messer. Weil es bisher immer irgendwie funktioniert hat. Immer in der Hoffnung, dass es irgendwann besser wird. Und die Sache aus dem anderen Thread, mit auf andere Leute einstellen, dass es keinen Ärger gibt....nur zu gut bekannt. Wobei das wohl in gewissem Umfang normal ist. ----------------------------- .... und das Leben geht einfach weiter. | |
| Billa Rank:member Group: members Posts: 173 IP Logged PM ID: 20 [PM Billa] | Posted at Mon Nov 20, 2006 22:42:43 Edit post|Quote Kann Dir die Angst gut nachempfinden, dass Du Dich in einen pflichterfüllenden Roboter verwandelst, wenn Du alles so machst wie erwartet. Ging mir lange Zeit genauso, bis vor kurzem. Ich muss auch jetzt immer noch aufpassen, dass dieses Gefühl, diese Angst nicht wieder hochkommt, wenn ich gerade einer Tätigkeit nachgehe, die in diese Kategorie gehört, bzw. wenn ich diese Tätigkeit plane. Mir hat folgendes geholfen, diese Angst nicht mehr ständig als Motivation dafür zu haben zu prokrastinieren: Mir fiel, sicher auch im Rahmen meiner Psychotherapie, übrigens einer tiefen-psychologisch fundierten/analytischen, auf, wie sehr ich das langweilige Leben, das nach Normen leben mit meinen Eltern assoziierte. So in etwa, ich könnte so werden wie sie, wenn ich Dinge regelmäßig und ordentlich machen würde. Mir ist klar geworden, dass das nicht der Realität entspricht. Auch wenn ich regel-mäßig aufräume und putze, bin ich nicht wie sie, d.h. meine Schwerpunkte im Leben sind immer noch andere als ihre. Ich habe damals darunter gelitten, dass Äußerlichkeiten, Normen, Regeln der Höflichkeit ihnen wichtiger waren als die Frage, wie es mir oder ihnen oder anderen Familienmitgliedern ging. Es fehlte ihnen ganz klar an Empathie. Meine Mutter ging auch mit sich selbst nicht "bezogen" um. Mit 63 Jahren war sie dann so depressiv, dass sie wegen Selbstmordgedanken in der psychiatrischen Abteil einer Klinik mehrere Wochen mit starken Medikamenten behandelt wurde. Es hieß damals, sie litte an einer "endogenen" Depression, die vererbbar sei. Was hatte ich Angst, ich würde auch daran erkranken! Ich bin es nicht, halte die Diagnose für falsch, aber habe sicher Assoziationen gehabt, von denen ich nichts gewusst habe und die mich von diesen Erfahrungen abhängig gehalten haben. Billa | |
| Billa Rank:member Group: members Posts: 173 IP Logged PM ID: 20 [PM Billa] | Posted at Mon Nov 20, 2006 22:53:14 Edit post|Quote Noch einmal zu Dir, Libertine, und zu Seltsam: Du schreibst, Du seiest gut mit dem Aufschieben zurechtgekommen, aber Deine Umwelt nicht, die Dich eigentlich schon fast beschimpft hat. Seltsam, ich würde gerne von Libertine wissen, ob sie mit Deiner These einverstanden ist, Hauptsache sie selbst kommt mit ihrem Aufschieben zurecht und fühlt sich o.k. damit. Meine Frage ist nämlich, seid Ihr beiden so unabhängig von anderen Beziehungen, dass es Euch egal ist, wie Ihr von anderen eingeschätzt werdet? Außerdem halte ich die Klagen der Umwelt, Leute wie wir seien unzuverlässig, für berechtigt, wenn wir vorher eine Zusage gemacht haben und die nicht einhalten. Wir haben vielleicht selbst Projekte, bei denen wir uns die Mitarbeit und Zuverlässigkeit von anderen wünschen, bei mir ist es auf jeden Fall so. Neben meiner Prokrastination habe ich schon sehr aktiv viel auf die Beine gestellt, so dass niemand vermuten würde, dass ich unter Prokrastination leide. Ich möchte nicht so werden wie meine Nachbarn, die jede Woche ihren Biomülleimer auswaschen, sondern ich möchte in einer gemütlichen und daher einigermaßen begehbaren und sauberen Wohnung leben, in der ich gerne Gäste empfange, ohne dass ich erst einmal zwei Tage an der Wohnung arbeiten muss. Ich sehe nichts Positives an der Prokrastination, denn das Aufschieben, dass ich als o.k. empfinde, ist für mich nicht die Prokrastination, unter der ich leide und die eindeutig ein neurotisches Symptom ist. Billa | |
| Libertine Rank:member Group: members Posts: 10 IP Logged PM ID: 55 [PM Libertine] | Posted at Tue Nov 21, 2006 14:09:47 Edit post|Quote Hallo Billa, hmm, ich versuche mal zu erklären, was ich meine, bin da leider nicht so gut drin. Gut zurechtgekommen bin ich damals mit der Procrastination nicht, aber als „leiden“ würde ich es auch nicht bezeichnen. Hatte damals die Einstellung, wenn ich Dinge nicht tue, dann ist es halt so. Und wenn ich dadurch Nachteile habe, ist das mein Pech. Gelitten habe ich eher unter den ständigen Vorwürfen meines Umfeldes. Die meisten Dinge habe ich meist nur darum überhaupt in Angriff genommen, damit alle zufrieden und nicht sauer auf mich sind und mich wieder lieb haben. Habe dadurch natürlich schon das Gefühl, dass ich dauernd was tun muss um mir Freundschaften zu erhalten und bin dadurch völlig genervt. Und besser mein Umfeld hält mich lediglich für chaotisch unzuverlässig liebenswert, als dass ich mal mit der Faust auf den Tisch haue und offen sage was mir an einigen nicht passt (das wäre nämlich das, was ich tun müsste…) Ich habe auch selten das Gefühl, ich mach Dinge um anderen eine Freude zu machen, sondern eher: Wenn Du das nicht machst ist wieder irgendwer sauer auf Dich. Ehrlich gesagt, ich wollt ich wäre unabhängiger von anderen Beziehungen. Und die Procrastination macht mich mittlerweile sehr, sehr traurig. Ich habe so viele gute Ideen und interessier mich für soviel. Wenn ich mal irgendwas umsetze sind alle immer begeistert und sagen, mach doch da was raus Du kannst das so gut. Und es passiert nichts. Da wurde ich mit guter Gesundheit, nettem Aussehen und gut funktionierendem Verstand geboren und mache nichts daraus. Außer des Öfteren Heulen weil ich nichts mache. Ich hasse mich immer so sehr, wenn ich Dokumentationen im Fernsehen sehe, wie Menschen mit schwerer Krankheit oder unter schlimmsten Bedingungen Gott weiß was auf die Beine stellen und ich häng hier ab. Tag für Tag. Völlig nutzlos. Nutzlos für mich für andere, für den Rest der Menschheit. Andere könnten mit meinem Leben soviel mehr anfangen und richtig was daraus machen. Wenn ich später mal irgendwas bitterlich bereuen werde, sind es die Dinge die ich NICHT getan habe. Zu meinen Gedanken, bezüglich der Gesellschaft, später mehr. ----------------------------- We live in a strange bubble | |
| Seltsam Rank:member Group: members Posts: 18 IP Logged PM ID: 53 [PM Seltsam] | Posted at Tue Nov 21, 2006 14:36:02 Edit post|Quote Hallo Billa und Libertine, zu dem Thema damit selbst glücklich sein. Dabei habe ich eher an die allgemeine Anschluldigung "Faul" gedacht, weniger daran, dass konkret ein Termin verpasst wird. So ist es zumindest bei mir so, dass ich Dinge für andere sehr zuverlässig erledigt habe. Aber sobald es um unwichtigere Dinge, oder Dinge geht die nur mich selbst betreffen sieht es düster aus. Das ich etwas tue, damit niemand auf mich sauer ist, kenne ich nur zu gut. Das meiste was ich bisher erreicht habe, ergab sich dadurch, dass ich es tun sollte. So hatte ich immer unbegründetete Zweifel an meinen interlektuellen Fähigkeiten, aber langsam merke ich, ich zweifele nicht an Ihnen ich möchte sie nur nicht einsetzen. Wo wir bei dem Thema "Andere könnten mit meinem Leben soviel mehr anfangen und richtig was daraus machen." wären. So mache ich mir, eigentlich schon solange ich zurückdenken kann, oft Gedanken, wie motiviert ich am nächsten Tag meine Ideen und Ziele angehen werde. Nur um wieder in den gleichen Trott zu verfallen und den Tag zu verstreichen lassen, aber am nächsten Tag...... Nun ist es leider so, dass ich an dem Punkt stehe wo ich selbst Verantwortung übernehmen muss, und alles sträubt sich......ist es falsch auf Karriere verzichten zu wollen und lieber ein einfaches Arbeiter leben ohne Verantwortung und mit klaren Aufgaben zu führen? Oder würde ich bald erkennen, dass mir das keine Freude bereitet. Ist es alles nur die im anderen Post beschriebene Trotzhaltung? Möchte ich ein Rädchen im Getriebe sein, weil es als einfachste Lösung erscheint oder habe ich nur nie gelernt mich durchzubeißen, weil alles so einfach fiel? Grüße, Seltsam ----------------------------- .... und das Leben geht einfach weiter. | |
| Libertine Rank:member Group: members Posts: 10 IP Logged PM ID: 55 [PM Libertine] | Posted at Tue Nov 21, 2006 15:16:56 Edit post|Quote
Du siehst nichts offensichtlich Positives an der Prokrastination, aber für einen Teil Deines Unterbewusstseins ist da sehr wohl etwas Positives. Wäre das nicht der Fall, wärst Du gar nicht betroffen. Das ist das, worauf ich hinauswollte und das ist der Teil den ich finden will. Psychische Erkrankungen egal welcher Art, so selbstzerstörerisch sie auch sein mögen, haben immer einen Sinn. Das Unterbewusstsein hat sie irgendwann entwickelt, da es damals die einzige Möglichkeit war, um mit dem Leben klar zu kommen. Irgendwo und irgendwann habe ich, haben wir, die Procrastination als Strategie entwickelt um mit dieser Welt besser klar zu kommen um uns zurechtzufinden, zu wehren, zu überleben, was auch immer. Warum auch immer. Und solange dieses Warum nicht gefunden wird, halte ich alle Arten von Verhaltenstherapie nur temporär für sinnvoll, das Unterbewusstsein verfällt früher oder später wieder in das altbewährte Muster. Genau wie bei Suchterkrankungen, die sind scheinbar weder positiv noch machen sie Sinn. Das weiß jedes Kind. Drogen oder Alkohol z.B. machen Körper und Seele kaputt, zerstören Dich völlig. Das ist jedem Abhängigen auch völlig bewusst. Aber der primäre, positive Nutzen, der für die Seele wichtig ist, nämlich im Rausch die Welt völlig zu vergessen, ist viel mächtiger und größer. Anfällig in diesem Beispiel sind nur Leute die einen sehr guten Grund haben, die Welt völlig vergessen zu wollen… Darum denke ich Procrastination muss also trotz allem einen positiven Nutzen für uns, für unsere Seele, haben, dieser ist nur leider oft sehr diffus und subtil. Und ich möchte gerne wissen, welchen Vorteil mein Verhalten mir bringt. ----------------------------- We live in a strange bubble | |
| Libertine Rank:member Group: members Posts: 10 IP Logged PM ID: 55 [PM Libertine] | Posted at Tue Nov 21, 2006 15:20:01 Edit post|Quote Hallo Seltsam, ja, diese Entwicklung habe ich auch genommen. Mit zunehmendem Alter stellte ich fest, dass ich viel mehr kann, als bisher angenommen. Und die Feststellung ist nicht unbedingt schön, weil man jetzt da steht und überlegt, ob man sich traut das einzusetzen (da steht mir ein zu geringes Selbstbewusstsein im Wege) oder ob man die Tatsache verdrängt und ein einfaches, normales 08/15 Leben führt (was zu hochgradiger Unzufriedenheit führen kann) Das hört sich jetzt irgendwie arrogant an, aber ich beneide Leute die zufrieden und glücklich ein einfaches Leben führen. Vielleicht so als Hausfrau, die bekochen den Mann und die Kinder, sitzen auf dem Spielplatz und das größte Problem ist, dass bei Aldi die Frühlingskartoffeln ausverkauft waren und der Sohn einen Flecken auf dem T-Shirt hat der mit herkömmlichen Mitteln nicht rausgeht, zwischendurch mal bei den RTL 2 News über die Politiker aufregen….. So ein Leben kann ich nicht führen, ich hab es versucht (zum Glück ohne Kinder). Seltsam, glaub mir, Du würdest sehr bald erkennen, dass Dir das so keine Freude macht, Du würdest Dich selbst belügen und sehr unglücklich sein. Aber so Leben viele…. Ich glaube hinter all dem steht eine große Erfolgsangst (ja, das gibt es) und die Verantwortung die Du als erfolgreiche, anerkannte Person hättest. Verantwortung die wir uns wohl nicht zutrauen. Oder aber es besteht das grundlegende Muster, Erfolg einfach nicht verdient zu haben. ----------------------------- We live in a strange bubble | |
| leonardo Rank:member Group: members Posts: 509 IP Logged PM ID: 11 [PM leonardo] | Posted at Tue Nov 21, 2006 16:10:46 Edit post|Quote Ja, es gibt diesen Nutzen für mich: Ich vermeide es durch die Pr., mich mit unangenehmen Gefühlen auseinanderzusetzen. Das sind z.b. folgende Gefühle: - Angst, nicht über die benötigten Fähigkeiten für diese Aufgabe zu verfügen - Angst, dass das Ergebnis nicht gut genug ist (Angst vor Kritik) - Angst, durch die bisherige Verschleppungstaktik jetzt auf ernsthafte Probleme zu stoßen - usw... Da ist es doch viel einfacher, schnell wieder ins Internet abzutauchen und alle diese Gefühle zu verdrängen. Ich lese immer wieder etwas von "geringer Frustrationstoleranz". Vielleicht fehlt mir einfach die Fähigkeit, mal kurzfristig die Zähne zusammenzubeißen? Andererseits haben viele Menschen sicherlich Probleme damit, kurzfristige gegen langfristige Folgen ihres Handelns abzuwägen. Ich denke, die langfristigen Folgen kommen emotional nicht so sehr an uns ran und bleiben irgendwie rational: Jeder Raucher kennt sein langfristiges Risiko, aber trotzdem siegt der Wunsch nach dem kurzfristigen Genuss! Gruß Leo ----------------------------- Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon! | |
| Javabohne Rank:member Group: members Posts: 133 IP Logged PM ID: 39 [PM Javabohne] | Posted at Fri Nov 24, 2006 02:45:00 Edit post|Quote Bei mir kommen eher oder zusaetzlich noch Zukunftsaengste hinzu. Ich denke, wenn ich dass nicht lerne, bekomme ich diesen Job nicht, doch der Job wuerde mir zuaetzliches Einkommen bringen. Eine Art Existenzangst, die sich abwechselt mit der Angst doch zu versagen, wenn man den Job nicht gut genug (also perfekt) gelernt hat. | |
| Libertine Rank:member Group: members Posts: 10 IP Logged PM ID: 55 [PM Libertine] | Posted at Fri Nov 24, 2006 11:45:07 Edit post|Quote @ leonardo: Genau das meinte ich, Du hast durchaus trotz aller Unannehmlichkeiten einen Nutzen, der Dir mehr wert erscheint als die Konsequenzen die durch Pr. entstehen. Also eigentlich schieben wir nicht die Rechnung, das Aufräumen, die Hausarbeit beiseite, sondern unsere unangenehmen Gefühle, größtenteils Angst. Nach außen hin schieben wir 1000 Dinge auf und innerlich nur die Konfrontation mit uns selbst. Wer weiß warum. Und, na ja, so ein Durchbeisser und Kämpfertyp bin ich wahrlich nicht, nie gewesen. Und zukünftige Dinge kommen, jetzt wo ich mal darüber nachgedacht habe, wirklich kaum an mich ran. Egal, ob sie positiv oder negativ sind. Habt ihr schon gemerkt: Zur Zeit sind die Zeitungen wieder voll davon: Frühbuchertarif! Das ist wirklich kein Klacks den man sparen kann, das sind mehrere 100 Euro. Um die zu Sparen müsste ich bis Ende November, sogesehen jetzt, ins Reisebüro und eine Reise buchen, die Ende August nächsten Jahres (!!!) stattfindet. In fast 10 (!!!) Monaten. Was weiß denn ich, was in 10 Monaten ist. Ich kann das nicht, es geht einfach nicht. Obwohl es ja eigentlich etwas Schönes ist Und das ist bei mir auch ein ganz großes Problem: ich kann mich überhaupt nicht einschätzen. Wenn ich heute 2 Wochen Spanien buche, heißt das nicht, dass ich das in 10 Monaten noch toll finde. Vielleicht will ich dann lieber nach Schweden…. Und außerdem: ich weiß ja nicht mal ob ich die nächsten 10 Monate überlebe! Kann ja sein, dass ich gleich einen Unfall habe. Und so geht es mir bei fast allem. Außerdem beschleicht mich immer ein ungutes Gefühl, dass Ereignisse auf die ich mich freue, eh nicht eintreten. ----------------------------- We live in a strange bubble | |
| TaniTe Rank:member Group: members Posts: 31 IP Logged PM ID: 47 [PM TaniTe] | Posted at Fri Nov 24, 2006 20:57:38 Edit post|Quote Das kommt davon, wenn man ein paar Tage nicht da ist, da verpaßt man einen Thread mit so tollen Themen. @Libertine und Seltsam: Zweifelt nicht daran, dass ihr großartige Dinge tun könnt. Es kommt auf die Methode an! Ich sehe Procrastination inzwischen als so eine Art Motivationsdiabetes: So wie die Diabetiker nicht essen können, wann sie wollen, was sie wollen und wieviel sie wollen, können wir nicht tun, was wir wollen, wann wir wollen und wieviel wir wollen. Unser Körper macht es einfach nicht mit. Aus welchem Grund auch immer, egal. Der Trick besteht darin, die geeignete Diät an Aktivitäten zu finden und sie zur richtigen Zeit einzunehmen. Und wenn man das Gefühl hat, mehr tun zu können: nun, auch ein Diabetiker kann mehr Süsses essen. Es ist aber klar, dass es ihm dadurch schlecht gehen wird. OK, nach so viel Klugscheißerei muß ich zugeben, dass das bei mir noch nicht so toll hinhaut. Da will ich noch nicht mal über die ganz großen Themen reden wie Bewerbungen und Studienabschlußarbeit und derlei Mist... aber ich versuche eben gerade, mich sehr genau zu beobachten: Wann wird mir etwas zuviel, und warum, und wie klein muß eine Portion an Tätigkeit sein, dass ich sie leicht ausführen kann? Es ist nicht leicht, gelassen zu bleiben, wenn man sieht, wie klein diese Portion dann ist. Aber das Wissen: Wenn ich etwas in soo kleine Schritte einteile, dann geht es, das ist wertvoll. Sich fertig zu machen damit, dass man mehr von sich erwartet hat, ist absolut nicht der richtige Weg. Gerade seine Erwartungen an sich selber zu unterlaufen, indem man etwas versucht, das so nichtig ist, dass man keinerlei Ehrgeiz dabei entwickelt, das ist ja gerade der Trick dabei. @ Seltsam: Mach dir keine Sorgen wegen Job und Karriere. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wird es klappen. Ich sitze gerade auch da und denke, wenn ich so wie ich zuhause rumhänge im Job bin, dann gute Nacht. Glücklicherweise hab ich aber schon oft gearbeitet und dabei ordentlich Gas gegeben, und ich weiß, dass ich es kann, auch wenn ich beim besten Willen nicht mehr weiß, wie :-) Vielleicht geht auch hier: Tue etwas, das dir keine Ehrfurcht vor dir selber einflößt. Wenn dir die große Karriere den Atem nimmt, dann heb sie dir noch ein bißchen auf und mach den ersten Schritt nicht geradewegs darauf zu, sondern ein bißchen seitwärts voran :-) für Berufsanfänger, der du nach dem Studium wahrscheinlich bist, sowieso immer eine gute Idee. Hm, der Thread hat so viele Themen, eins vielleicht noch: Was die Vorwürfe meiner Umgebung angeht, so bin ich da mittlerweile ziemlich empfindlich, obwohl ich da normalerweise auch eher drüber stehe. Aber bei mir kommt als Komplikation zur Prokrastination noch dazu, dass ich chronisch krank bin und mich oft frage, ob ich nicht nur das Gefühl habe, das kann ich jetzt nicht mehr, es ist zu viel, sondern ob ich tatsächlich die Kräfte nicht habe. Leider habe ich kein Gefühl dafür, wann meine Kräfte nachlassen - meinem Gefühl nach tun sie das eigentlich immer :-) - und deshalb ist es für mich sehr schwer zu beurteilen, was ich eigentlich können sollte und was nicht. Und selbst wenn es mich dann mal wieder auf die Nase gelegt hat, tue ich mir schwer damit zu sagen, dies oder das kann ich die nächste Zeit nicht. Denn, wer soll es sonst tun? Die Welt fällt nicht gerade übereinander bei dem Versuch, einem zu helfen, und um Hilfe zu bitten fällt mir ohnehin sehr schwer, weil als Gegenleistung immer wesentlich mehr soziale Wärme erwartet wird als ich zu geben bereit bin. Meine Erfahrung ist: Ich brauche Unterstützung, die wollen Freundschaft. Jemanden, der regelmäßig oder rechtzeitig anruft (die ganz große Stärke von mir ...) und aufmerksam und voll bei der Sache ist. Während ich ja gerade dann Hilfe brauche, wenn ich für sowas schon zu kaputt bin.Mußte erst letzte Woche wieder einer Tauschringpartnerin klarmachen, dass ich sie nicht geholt habe, damit sie meine Motivation coacht, sondern die Arbeit selber macht. Hat sie zum Glück sofort verstanden :-) klappt nicht immer so gut. Um mal wieder in meine Argumentationskette zu kommen: Wenn ich mich endlich mal durchringe zu sagen, dies oder das kann ich nicht oder will ich nicht (und das hat, wenn ich ehrlich bin, sehr viel öfter mit Procrastination als mit sonstwas zu tun), dann hab ich einfach keine Lust mir anzuhören, dass ich MUSS. Wer glauben diese Leute zu sein, dass sie mein Urteil über mich selber und was ich zu tun imstande bin einfach wegwischen dürfen? Und mir dann das Maß zu setzen, das sie für richtig halten? Ich werde schon meine Gründe haben, warum ich etwas nicht tue. Ich erwarte, dass das respektiert wird und bin sauer, wenn es nicht passiert. Wer nicht mein Chef ist und mich vernünftig dafür bezahlt (und ich bin wählerisch, von wem ich Geld nehme), der hat mir auch nicht zu sagen, wieviel ich zu tun habe. Sind im übrigen oft Leute, die sich mit der Maxime, zu tun, was getan werden muß, und das perfekt, gesundheitlich selber schon mal ordentlich zerlegt haben. So, Beitrag ist lange genug. Liebe Grüße, Tanja | |
| Seltsam Rank:member Group: members Posts: 18 IP Logged PM ID: 53 [PM Seltsam] | Posted at Wed Dec 06, 2006 19:12:18 Edit post|Quote Abend, ich benutze den Thread hier mal, um mir den Frust von der Seele zu schreiben. Eineinhalb Monate sind vergangen, die Verlängerung der Bearbeitungszeit ist fast um. Und ich stehe da mit einem Haufen unzusammenhängenden zeugs, kann mich nicht daran setzen es zu ordnen. Die Arbeit besteht aus wirren Satzfetzen, nicht aussagekräftigen Versuchen und die Maschine läuft auch nicht so, wie ich es versprochen habe...... Und trotzdem setze ich mich nicht ran, ich vertreibe die Zeit in der Hoffnung, dass es doch endlich leichter wird.....das ist alles sehr unschön. wo wird das wohl noch hinführen? ----------------------------- .... und das Leben geht einfach weiter. | |
| Seltsam Rank:member Group: members Posts: 18 IP Logged PM ID: 53 [PM Seltsam] | Posted at Thu Dec 07, 2006 13:27:00 Edit post|Quote Und wieder ist es soweit, der Chef sieht meine Probleme nicht. Zumindest habe ich ihm das Versprechen abgerungen, dass ich mit dem was ich bisher gemacht habe, bestanden habe. Eine Arbeitsstelle ist auch fast sicher, und trotzdem bleibt das ungute Gefühl, dass es alles zuviel wird. Und es wird nicht einfacher. ----------------------------- .... und das Leben geht einfach weiter. | |
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