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Forum Startseite>>Procrastination>>Kennt ihr euer “inneres Kind” ?

Neues Thema - Antworten

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Stefan
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PM ID: 680
[PM Stefan]

Posted at Fri Jan 18, 2008 09:39:20
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So, nun also das ganze noch Mal in etwas geordneterer und ausführlicherer Form. Es ist gestern etwas aufgetaucht, was vor gut einem Jahr schon Mal Thema war, seitdem aber etwas in Vergessenheit geraten war. Die Hypothese über die Entstehung meiner heutigen Probleme sieht, kurz gefasst, folgendermaßen aus:
Meine Mutter hatte in den Jahren nach meiner Geburt ziemlich heftige Probleme (da mag ich jetzt nicht unbedingt genauer drauf eingehen). Ihr Hausarzt hat ihr damals dringend geraten psychologische Hilfe zu suchen, was sie aber nicht getan hat. Mein Vater war überhaupt nicht für sie da. Er kann mit emotionalen Dingen absolut gar nicht umgehen. Ihre Eltern haben sehr weit weg gewohnt und einen sonderlich guten Kontakt gab es da auch nicht. Also war nur noch eine Person da: Ich. Als kleines Baby und dann Kind. Nicht die Mutter hat sich um das Kind gesorgt, es gepflegt und getröstet, sondern das Kind die Mutter. Es gab also eine Umkehr der Rollen. Das nennt man Parentifikation. Damit hatte ich mich schon einmal beschäftigt, aber es war nie so richtig bei mir angekommen. Der Therapeut hat dann noch ein Wort verwendet, was mich ziemlich hat Schlucken lassen. Er hat das "emotionalen Missbrauch" genannt (Davon habe ich inzwischen auch in einigen Quellen im Internet gelesen). Davor habe ich die Zusammenhänge zwar rational verstanden, aber dieses Wort hat dann emotional eingeschlagen. Schon mehrere Therapeuten haben erwähnt, dass ich traumatisiert sein könnte. Und so gibt das auch Sinn für mich. Ich kann mich auch an fast nichts aus meiner Kindheit erinnern, obwohl ich eigentlich ein sehr gutes Gedächtnis habe.

Was es jetzt zu tun gibt: Etwas, vor dem ich ziemlich Angst habe. Natürlich habe ich gestern dann auch gefragt, wie ich damit jetzt umgehen soll. Der Therapeut meinte, dass ich an die Emotionen von damals ran muss. Nur wenn ich die Auflösen kann, komme ich aus den Mustern raus, die ich damals gelernt habe.
Ich habe 25 Jahre lang jegliche Wut unterdrückt. Ich habe eine riesige Angst vor dieser Emotion, die ist für mich absolut tabu. Aber wenn ich wieder ein lebenswertes Leben führen will, muss ich da wohl ran. Ich muss mein... Nein, ich will mein inneres Kind endlich von seiner Last befreien.

Womit ich auch wieder bei meiner Therapeutenfrage bin. Vorher hat die Verhaltenstherapeutin angerufen, der ich auf den AB gesprochen hatte. Sie scheint nicht wirklich an mir interessiert zu sein. Sie hat gemeint, wenn 2 Jahre Therapie nichts helfen, dann kann sie mir auch nicht mehr helfen. Auf mein Aufschiebeproblem habe ich sie auch angesprochen (auch wenn ich es so nicht genannt habe) und da war ihre Aussage auch recht krass: "Mehr als in den Büchern steht, also so Dinge wie todo-Listen schreiben kann ich Ihnen auch nicht sagen". Außerdem hätte sie keine Lust schon wieder einen Antrag zu stellen, sie hätte eh noch zehn Stück auf dem Schreibtisch liegen. Ich werde meinen Gruppentherapeuten fragen, ob er mich nimmt. Der hat zwar keine Kassenzulassung, aber mit dem komme ich einfach super klar. Vor dem habe ich wirklich Respekt (in positivem Sinne) und er hat ein gutes Gespür dafür, wie er mich an meine Gefühle ranführt.

So, ist Mal wieder ein halber Roman geworden. Aber ich habe echt das Gefühl, dass etwas voran geht.

Stefan

leonardo
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PM ID: 11
[PM leonardo]

Posted at Fri Jan 18, 2008 10:03:21
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Hallo Stefan,
hab vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht.

Den Begriff "Parentifikation" habe ich vor wenigen Tagen zum ersten Mal gehört, als jemand Erwachsene Betroffene für eine Diplomarbeit zu diesem Thema suchte. Wenn du möchtest, kann ich dir den Kontakt nennen. Und ja: es ist emotionaler Missbrauch!

Das Phänomen ist mir allerdings nicht neu. Josef Giger Bütler beschreibt es in seinem Buch "Sie haben es doch gut gemeint" als eine der möglichen Familienstrukturen, die im späteren Leben zu Depressionen führen. Das Buch ist sehr empfehlenswert!

Zum Thema Gefühle verarbeiten habe ich einmal eine sehr persönliche Erfahrung gemacht (die ich hier nicht näher schildern möchte), dir mir klar gemacht hat, dass das ganze in verschiedenen Phasen abläuft:

1. Intellektuelles Erfassen, was passiert ist (z.B. die Erkenntnis zulassen, dass es emotionaler Missbrauch war)
2. Die Gefühle kommen dazu: Wut über das Geschehene
3. Trauer (die Erkenntnis, dass man das nicht mehr ungeschehen machen kann)
4. Loslassen

Ich habe damals Nr. 2 unterdrückt oder verdrängt. Als ich dann nach 2 Jahren noch einmal Kontakt zu der betreffenden Person hatte, wurde ich von meinen Gefühlen total überwältigt. Schritt 3 und 4 kamen dann sehr schnell ganz von selbst und ich konnte diese Person dann sehr schnell loslassen.

In meinem Fall habe ich gestern diese Stufen alle mit EFT in etwa einer Stunde durchlaufen und bin auch ganz gespannt, was jetzt kommt.

Oft habe ich den Spruch gehört: Depression ist nach innen gerichtete Wut! Könnte wohl auf dich zutreffen, oder?

So etwas wie "inneres Kind" ist natürlich nicht unbedingt Gegenstand einer Verhaltenstherapie. Wenn du darauf anspringst, würde ich dies bei der Therapeutenwahl berücksichtigen. Dein jetziger Gruppenthera scheint ja genau der richtige zu sein. Das richtige Therapieverfahren ist genauso wichtig, wie dass die Chemie zwischen euch stimmt.

Ich habe gerade auch das Gefühl, dass sich etwas bei mir bewegt. Deshalb habe ich im Moment auch einen Hang zum ausgiebigen Schreiben. Man schreibt ja auch immer irgendwo für sich.

Liebe Grüße
Leo

-----------------------------
Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon!

leonardo
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PM ID: 11
[PM leonardo]

Posted at Fri Jan 18, 2008 10:26:01
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Falls sich übrigens jemand für den Giger-Bütler näher interessiert, der kann mir gerne eine Mail senden. Adresse findet sich in meinem Profil.
Liebe Grüße
Leo
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Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon!

Stefan
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PM ID: 680
[PM Stefan]

Posted at Fri Jan 18, 2008 12:32:14
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"Sie haben es doch gut gemeint" ist mir schon öfter über den Weg gelaufen. Vielleicht sollte ich es mir Mal zulegen. Was mir dazu noch einfällt ist Alice Miller "Das Drama des hochbegabten Kindes". Ein Klassiker, der mich sehr bewegt hat.
Wegen der Diplomarbeit schick ich Dir gleich ne PM.

Wut spielt eine extrem wichtige Rolle. Ich habe wirklich so gut wie nie Wut ausgelebt. Das hab ich alles immer nur heruntergeschluckt, bzw. gegen mich selber gerichtet. Ich hatte in meinem Leben noch nie etwas, was man als Streit bezeichnen könnte. Noch nie! Bildlich habe ich das Mal so ausgedrückt: Da hat sich so viel aufgestaut, dass ich eine immer höhere Mauer bauen muss, um zu verhindern, dass es ausbricht. Die Mauer ist inzwischen so hoch, dass ich denk Kontakt zur Außenwelt größtenteils verloren habe. Ich bin ausschließlich damit beschäftigt die Mauer vorm Einstürzen zu bewahren. Für alles andere habe ich keine Kraft mehr übrig.
Und jetzt ist meine große Angst, dass wenn ich einen Stein aus der Mauer nehme, alles zusammenbricht und 26 Jahre Wut auf einen Schlag freigesetzt werden (und andere Emotionen, v.a. Trauer wahrscheinlich auch).

Und ja, ich habe selber auch viel drüber nachgedacht: Ich werde meinen Gruppentherapeuten fragen, ob er mich nimmt.

Vielen Dank für die Rückmeldungen, Leo, die haben mir einiges noch Mal verdeutlicht!

lg, Stefan

senseseaker28
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[PM senseseaker28]

Posted at Fri Jan 18, 2008 15:12:21
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Hi Stefan,

sehr interessant deine Berichte vielen Dank dafür, und auch Dank an Leo.
Ich bin im Moment in einer so merkwürdigen Lage, dass ich nicht mehr weiss wo vorne und hinten ist, aber andere Dinge lösen sich auch langsam, ist alles so neu.

Oft habe ich das Gefühl, ich verliere mich in mir selbst, komischer Ausdruck, aber es ist wirklich so.
Wut, Erkenntnisse über früher, Analysen über mich selbst und meine Umwelt, all das gab und gibt es, aber es kommt nicht an.
Es ist dieser Gedanke des Vergessens, ich muss mich jeden Tag irgendwie neu kennenlernen.
Ich nehme mir vor "dies passiert dir aber nicht nochmal, OK?" Dann passiert es aber doch, ich schiebe auf, ich bleibe Ewigkeiten liegen, und dann dieses Gefühl von "es geht nicht weiter".
Aber dass sich das wieder meiner bemächtigt soll nicht sein.
Ich lerne mich irgendwie jeden Tag neu kennen, aber gleichzeitig ist es auch wie ein Kampf.
Der rationale Teil kämpft gegen die Emotionen an, die wiederum sichern sich ihren Platz, auf die eine oder andere Weise, und das Spiel beginnt von neuem.

Dann nochmal zu Steffan und Konfliktbereitschaft.
Auch ich bin ein Mensch, der nie einen richtigen Streit hatte, wenn es ihn gab, wurde er meistens aktiv von der anderen Partei geführt, und ich stand wie ein angeschossener Hase in der Ecke, und habe es einfach auf mich zukommen lassen.
Dabei sind mir sämtliche Möglichkeiten abhanden gekommen, für mich zu sprechen, meine Situation zu schildern.
Es ist immer diese Angst, die sich später in Lähmung verwandelt.
Angst davor etwas falsches zu sagen, etwas, dass die Person nicht hören will.
Ich finde immer beschwichtigende Worte, habe immer eine scheinbare Ruhe, aber das teuscht.
Ich bin dann wie vor den Kopf gestoßen, alles dreht sich in mir, und ich überlege "was sagst du jetzt? Wie sagst du es? Willst du etwas sagen?"
Na ja, und dann kommt wieder das Gefühl der Machtlosigkeit und Dummheit, lähmt nur noch mehr.
Bei Personen, die mir platt gesagt Latte sind, passiert das nicht, spielt sich immer nur mit denen ab, zu denen ich irgendwann eine sehr starke emotionale Bindung hatte oder habe.
Auch schlechtes Gewissen funktioniert da als Mechanismus sehr gut, besonders mein Vater nutzt das immer schön aus...
Aber das mal bei Gelegenheit wann anders.

Liebe Grüße,

Senseseaker

Stefan
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PM ID: 680
[PM Stefan]

Posted at Fri Jan 18, 2008 15:41:49
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Quote:
Dann nochmal zu Steffan und Konfliktbereitschaft.
Auch ich bin ein Mensch, der nie einen richtigen Streit hatte, wenn es ihn gab, wurde er meistens aktiv von der anderen Partei geführt, und ich stand wie ein angeschossener Hase in der Ecke, und habe es einfach auf mich zukommen lassen.
Dabei sind mir sämtliche Möglichkeiten abhanden gekommen, für mich zu sprechen, meine Situation zu schildern.
Es ist immer diese Angst, die sich später in Lähmung verwandelt.
Angst davor etwas falsches zu sagen, etwas, dass die Person nicht hören will.
Ich finde immer beschwichtigende Worte, habe immer eine scheinbare Ruhe, aber das teuscht.
Ich bin dann wie vor den Kopf gestoßen, alles dreht sich in mir, und ich überlege "was sagst du jetzt? Wie sagst du es? Willst du etwas sagen?"
Na ja, und dann kommt wieder das Gefühl der Machtlosigkeit und Dummheit, lähmt nur noch mehr.
Bei Personen, die mir platt gesagt Latte sind, passiert das nicht, spielt sich immer nur mit denen ab, zu denen ich irgendwann eine sehr starke emotionale Bindung hatte oder habe.
Auch schlechtes Gewissen funktioniert da als Mechanismus sehr gut, besonders mein Vater nutzt das immer schön aus...


Ganz genau so ist es bei mir auch. Das schlechte Gewissen nützt zwar nicht mein Vater aus, meine Ex dafür umso mehr.
Inzwischen habe ich gelernt, dass das für die andere Person auch furchtbar ist, wenn die vermeintlich mitstreitende Person sich zurückzieht und gar nichts mehr sagt. Ändern konnte ich es bisher trotzdem nicht.

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