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| todo Rank:member Group: members Beiträge: 1 IP Logged PM ID: 8433 PM [todo] | Last replied to on Fri Nov 18, 2011 19:34:18 Edit Post|Quote Hallo an alle, ich habe erst in den letzten 24 Stunden einiges über die Prokrastination und vieles über mich selbst gelernt. Auch das Lesen in diesem Forum hat mir einige AHAAA-Erlebnisse beschert. Meine Eckdaten: Ich bin 30 Jahre alt und versuche nun schon seit einigen Jahren meine Diplomarbeit zu schreiben, sie abzugeben und somit mein Studium zu beenden. Es will aber nicht gelingen. Meine Laufbahn: Den ersten Versuch hatte ich angemeldet, die Abgabefrist dann kurzfristig verlängern lassen und dann doch nichts abgegeben, das Ergebnis also 5,0. Seit einiger Zeit bin ich nun zum zweiten und letzten Versuch angemeldet und muss Ende Januar abgeben. Ich ertappe mich aber ständig im gleichen Verhaltensmuster wie damals beim ersten Versuch. Ich habe mich leider nicht geändert. Nach dem ersten Scheitern habe ich auch den psychologischen Dienst an der Uni mehrmals in Anspruch genommen, die vermeintliche Lösung hieß: Ich solle mir selbst verzeihen. Aber mal der Reihe nach... In der Schule und bis zum Abitur sind mir die Sachen einfach so zugeflogen. Ich galt als Streber und machte ein 1-er Abi. Referate und umfangreiche Arbeiten habe ich in Nachtschichten erledigt und fuhr lange Zeit sehr gut mit diesem just-in-time Konzept. Im Nachhinein betrachtet erlebte ich mich damals als einen Überflieger, der es nicht gelernt hat zu lernen. Warum auch? An der Uni wehte dann ein anderer Wind aber ich habe das mir bekannte Konzept beibehalten und ständig auf den letzten Drücker gelernt. Einige Klausuren musste ich zwar wiederholen (weil nicht bestanden) aber im Großen und Ganzen klappte auch das. Bei abzuliefernden Terminsachen war ich immer der letzte und brauchte manchmal Extra-Zeit. Diverse Nebenjobs und lukrative Aufträge neben dem Studium und familiäre Verpflichtungen taten ihr übriges. Dies alles hatte zu Folge, dass ich sehr viele Semester auf dem Puckel hatte und noch weitere gesammelt habe. Komilitonen kamen und gingen, ich blieb. Mit dem ersten Diplomarbeitsversuch wollte ich dann das ganz große Rad drehen und meinen bisherigen Notendurchschnitt im Studium in einen 1-er Bereich katapultieren um die lange Studienzeit wettzumachen. Der Anspruch und die Wirklichkeit klafften jedoch sehr weit auseinander. Ich bin nicht zum Betreuer gegangen, habe keine Zwischenergebnisse eingereicht, habe mit niemanden über die Arbeit und die Probleme gesprochen, war aber bis zum Schluss vom Endsieg überzeugt. Stattdessen habe ich 1001 Ablenkung gesucht und gefunden. Die Zeit verging, Komilitonen kamen und gingen, ich blieb. Mit Sprüchen wie "Einmal ist keinmal" und "Beim nächsten Mal wird alles besser" motivierte ich mich, nicht aufzugeben. Aber leider ist nichts besser geworden. Nach dem ersten Versuch habe ich wieder Wochen, Monate, Jahre vertan. Jetzt will ich wieder das ganz große Rad drehen und alles wettmachen. Meine Arbeit soll wieder die ganze Welt verändern, der Betreuer soll aus den Socken kippen und die Arbeit selbst soll in einem Glaskasten auf dem Campus zu einer Pilgerstätte werden. Meine Familie: Keinen Lob und keine Anerkennung zu geben hat eine lange Tradition in unserer Familie. Übrig bleibt nur negative Kritik, die man sich anhören muss. Mein Vater ist als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen und ich bin das älteste Kind. Meine Eltern haben vor lauter Arbeit und Schichtdienst keine Zeit gehabt sich großartig Gedanken über die Erziehung von uns Kindern zu machen. Eins wussten sie jedoch, die Kinder sollten es einmal besser haben. Mangels ihrer Sprachkenntnisse musste ich schon früh Behördengänge, Telefonate und anderes mehr für die ganze Familie erledigen. Bestimmte Sachen an meine Geschwister zu delegieren hat regelmäßig nicht funktioniert. Ich bin auch der einzige in unserer Familie der ein Studium in Angriff genommen hat. Zwar unterstützen mich meine Eltern auch heute finanziell noch, was mir oberpeinlich ist, aber Verständnis für meine Probleme oder gar Lösungsansätze hatten und haben sie keine. Sie sind einfache Leute. Als ich meinem Vater nach langem Verschieben gesagt habe, dass ich mich jetzt nach Jahren wieder zum zweiten Versuch angemeldet habe, war sein Kommentar: "Gott sei Dank". So als ob die Anmeldung 90% der Arbeit ausmacht. Mein Charakter: Visionär, Weltverbesserer, Perfektionist, Prokrastinator Mein Fazit: Komilitonen kamen und gingen, ich werde Ende Januar gehen. Bitte, bitte helft mir, dass ich MIT einem Abschluss gehe. Vielen Dank. |
| Javabohne Rank:member Group: members Posts: 133 IP Logged PM ID: 39 [PM Javabohne] | Posted at Wed Nov 16, 2011 13:31:12 Edit post|Quote Hallo Todo, im Augenblick bereite ich mich auf die Arbeit vor! Aber noch heute wirst du von mir eine angemessen Antwort bekommen. Aehnlich wie du sitze ich im selben Boot! Bis spaeter Viele Gruesse, Javabohne |
| Javabohne Rank:member Group: members Posts: 133 IP Logged PM ID: 39 [PM Javabohne] | Posted at Thu Nov 17, 2011 00:59:45 Edit post|Quote Hallo Todo, wie versprochen ein Statement zu deiner Story. Aus deiner Schilderung entnehme ich, dass du bereits langjaehrig mit Prokrastination zu tun hast. Wahrscheinlich sage ich dir nichts Neues, wenn ich darauf hinweise, dass du dein Leben lang ein Betroffener bleiben wirst und nichts und niemand dir jemals helfen kann. Ich meine nicht wirklich helfen kann. Umgekehrt kann man sich diesen Nachteil auch zu einem Vorteil machen, indem man es einfach so akzeptiert. Der Vorteil, der daraus erwaechst bedeutet, dass die Depressionen und der Selbsthass nicht ausufern, weil man weiss, dass man die Prokrastination nicht umkehren kann. Doch nun zum kostruktieven Teil deines Problems. Ich habe beruflich vor langen Jahren mit Wissenschaftlern und deren Arbeiten vorwiegend im Bereich Physik und Chemie zu tun gehabt. Die Arbeitsweise ist mir somit zumindest rudimentaer bekannt. Wenn man vor der riesigen Aufgabe steht eine Diplomarbeit zu schreiben, die zudem den Anspruch auf Perfektion haben soll, scheitert jeder Prokrastinator zwangslaeufig. Eine Vorgehensweise, die sich bei uns bewaehrt hat ist, die grosse Arbeit in kleinen Arbeitsschritten einzuteilen. Bei einer Diplomarbeit geht das verhaeltnismaessig gut. Da eine solche Arbeit (Diplom, Promotion) oftmals in Modulen geschrieben wird (Gruppenarbeit, etc) solltest du dir die Arbeit in Einheiten, sprich Kapiteln oder Theman einteilen und so wie bei einem Comic oder Buchprojekt modulhaft schreiben. Nehme dir ein Thema von sagen wir 25 Seiten vor, arbeite es gedanklich ab, mache zuerst eine schriftliche Inhaltsangabe, die skizzenhaft das beinhalten soll, was du in der Arbeit aufnehmen moechtest. Mache es so fuer jedes Kaptiel/Thema, bis dieses "Storyboard" fertig ist. Nun setzte dich daran und fuelle jedes Kapitel mit dem wirklichen Stoff. So wie du dich fuehlst kannst du jederzeit die Arbeit unterbrechen und wuerdest nur das Thema eines Kapitels aufarbeiten muessen, anstatt dass du jedesmal das gesamte Werk lesen, einarbeiten, etc. musst. Wenn du dir die Idee bildlich vorstellst, hast du sicherlich eine ganz eigene Idee, abgestimmt auf dein Verhaltensmuster bezueglich deiner (ganz persoenlichen) Prokrastination. Das war nur ein Ueberblick dieser Moeglichkeit. Ausarbeiten und ein wenig feinabstimmen auf deine eigenen Beduerfnisse, musst du es schon selbst. Ich hoffe dir mit dieser Idee ein kleines bisschen geholfen zu haben. Viele Gruesse, Javabohne |
| senseseaker28 Rank:member Group: members Posts: 177 IP Logged PM ID: 969 [PM senseseaker28] | Posted at Fri Nov 18, 2011 19:34:18 Edit post|Quote Hallo Todo, Deine Geschichte ist meiner nicht unähnlich, jedenfalls in einigen Punkten. Auch ich bin Migrantenkind, und Lob war nur dann angebracht, wenn die Leistungen überragend bzw. besser als XY waren. Sonst wurde meinem Werdegang nicht viel Beachtung geschenkt, bzw. gab es für Fehlleistungen Tadel und genügend Negativkritik. Ich habe auch das Problem der DA lange vor mir hergeschoben, da ich noch genügend andere Dinge um die Ohren hatte. Jetzt, da es mir wieder etwas besser geht, würde auch ich meine Arbeit gerne zu einem positiven Ende führen. Es scheint nur, als wäre der Zug irgendwie beinahe abgefahren und die Frage steht im Raum, ob das überhaupt sein muss, und für wen ich die Arbeit eigentlich schreibe? Ich habe auch regelmäßig geglaubt, die Arbeit müsse perfekt sein, das Nonplusultra, zumal ein leitender Prof mich bei Studienbeginn recht barsch darüber aufklärte, dass dieser Weg für mich wohl nicht der richtige sei ... Mittlerweile habe ich mir in meinem Beruf in einigen Bereichen schon einen Namen gemacht, und somit objektiv dem Prof das Gegenteil bewiesen, auch wenn ich noch bei vielen Aufgaben glaube, ich wäre nicht gut genug. Du kannst mich ja gern per Mail anschreiben, wenn’s dir irgendwie weiterhilft. PM gehen hier nicht, und dein Profil hat keine Daten. Den Tipp mit den Scheiben finde ich gut, da er sich für mich in der Arbeit gut bewährt hat, auch wenn das Umdenken schwer ist. In Therapien wollte ich es nicht glauben und hielt das nur für Gerede, aber diese "Alles-oder-Nichts-Methode" ist sehr ungesund. Oft ist glaube ich der erste Schritt der schlimmste, geht mir jedenfalls so. Ist das aber einmal ins Rollen gekommen, ist das Weitermachen leichter. Liebe Grüße, Senseseaker |
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