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Prokrastination Home | ||
| Janina Rank:member Group: members Beiträge: 6 IP Logged PM ID: 2686 PM [Janina] | Last replied to on Mon Oct 27, 2008 21:08:42 Edit Post|Quote Hallo! Ich heiße Janina, bin 16 Jahre alt und habe, seit gestern, seitdem ich in der ARD in "Polylux" einen Beitrag über Prokrastinationgesehen habe, einen Gedanke im Kopf, der mich nicht loslassen will! - Es fing alles mit einem "ich mach das gleich" an... Im Grunde genommen war ich schon immer so. Ich verschob dauernd unangenehme Dinge, ließ Verabredungen mit freunden sausen und wog mich immer in Sicherheit, indem ich sagen konnte “ich bin eben faul”. Der Satz, ja genau dieses kleine Satzanhängsel, dieses “ich bin eben faul” erleichterte mein Leben seit der Kindheit enorm. Dieser kleine Satz fiel mir zuerst ein, nachdem meine Mutter damals in dem widerwärtigsten Ton bei meiner Tante über mich Bericht erstattete. Ich gab mich damit zufrieden faul zu sein, schließlich hatte ich nun meine Entschuldigung für all jene Dinge, die ich in nächster Zukunft nicht erledigen würde. Ich wog mich damit in Sicherheit. Als ich dann in die Schule kam, war das faule etwas in mir erst so richtig erwacht… Ich merkte, dass ich schon in der Grundschule nicht in der Lage war meine Hausaufgaben bis zum nächsten Tag zu erledigen, denn nach dem Mittagessen sagte ich mir, dass ich sie gleich nach dem Nachtisch machen werde, danach kam der Fernseher ins Spiel und dann auch noch das Spielen mit meiner neuen Barbiepuppe. Alles andere war wichtiger außer diese Hausaufgabe.. - Meine Eltern erkundigten sich eigentlich oft, ob ich Hausaufgaben auf hatte, aber ich verneinte schon immer. Dann folgte mein erster blauer Brief, der Zweite und der Dritte. Weil meine Eltern ratlos waren, denn ich hatte hervorragende Noten, schickten sie mich zum IQ- Test in einem Institut . Es kam heraus, dass ich hochbegabt bin. Mein Vater ließ sich nicht von der Idee abbringen, mich eine Klasse überspringen zu lassen- und ehe ich mich versah, landete ich von der 3. Klasse in die 5. Mir war das alles egal. Ich lernte weiterhin nichts, verabredete mich manchmal mit einer Freundin und tat nichts weiter als die Dinge wieder vor mich hinzuschieben. Ich kam dann aufs Gymnasium. Nach einiger zeit musste ich unweigerlich erkennen, dass man dort nicht mit “ Nichts-tun” weiterkommt. Ich fing also an mir Gedanken zu machen. Ich versuchte nach jeder schlechten Note mich aufzurappeln und etwas zu lernen- doch wieder stand etwas anderes im Vordergrund, ich halste mir unmöglich viele Aufgaben innerhalb einer Woche auf, um mich durch Druck an mein gewünschtes Ziel zu bringen… Mittlerweile bin ich in der 11. Klasse und das Aufschieben von damalig kleinen Dingen wird immer größer und nimmt immer fiesere Formen an. Ich musste bis einige Wochen vor der Deutschklausur “Homo Faber” durchgelesen habe, ja ich hatte sogar bis zur Klassenarbeit dafür Zeit, doch gelesen habe ich es bis heute noch nicht! “1984” ein Buch von George Orwell, das mich sehr fasziniert und auch interessiert, konnte ich nur bis zur 16. Seite lesen, danach war etwas anderes wichtiger. Ich war seit 10 Jahren nicht mehr beim Arzt, selbst als ich , so diagnostizierte mein Tante (ehem. Krankenschwester), eine Bänderdehnung hatte , schob ich den Termin beim Arzt auf, bis alles verheilt schien. Beim Zahnarzt war ich seit 2 ½ Jahren nicht mehr. Doch mittlerweile sind es nicht nur die schulischen und medizinischen Angelegenheiten, die ich vor mir hin- und herschiebe, nein, es sind auch meine Freunde - Ich ertappe mich immer wieder, wenn ich sie wegen nicht und wieder nichts versetze! Ich schäme mich für das, was ich tue. Mir scheint es so, als ob meine Vorlieben mir am wichtigsten wäre und andere an mir vorbeigehen würden. - Ja, manchmal denke ich sogar, dass es ziemlich armselig von mir ist sich so zu verhalten, immer den unliebsamen Aufgaben des Lebens aus dem Weg zu gehen, immer vor den Aufgaben des Alltags zu flüchten. Ich frage mich auch, ob ich später alleine leben kann, ob ich, wenn man mich nicht zwingt in der Gemeinschaft zu leben, vereinsame. Hieße es dann, dass die Prokrastination die Einsamkeit mit sich bringt? |
| schreib-a-link Rank:member Group: members Posts: 17 IP Logged PM ID: 2676 [PM schreib-a-link] | Posted at Sat Oct 25, 2008 12:28:05 Edit post|Quote Hallo Janina, zunächst einmal vielen Dank für Deine offene und ausführliche Vorstellung. Ich (männlich, 40 Jahre) habe mich darin 100%-ig wieder gefunden und bin davon überzeugt, dass es den allermeisten hier nicht anders geht oder gehen wird. Ich glaube, Du hast jetzt einen ganz großen Schritt nach vorne getan, indem Du Dich mit dem Thema beschäftigst und erkannt hast um was es sich bei handelt. Ich selbst habe dafür 24 Jahre mehr benötigt. Aber eines kann ich Dir vergewissern: es muss nicht zwangsläufig in Einsamkeit führen. Ich habe sehr viele Freunde. Schaffe es zwar nicht, mich angemessen um alle zu kümmern und schiebe einige Treffen vor mir her, aber es gibt keinen einzigen Tag in meinem Leben, den ich in Einsamkeit verbringen würde. Was die innere Einsamkeit anbelangt, sieht es da schon anders aus. Ein immer wieder kehrendes Merkmal scheint mir die Intelligenz zu sein. Prokrastinanten sind anscheinend durchweg besonders intelligent bis hochbegabt. Bei mir führt das dazu, dass ich mich oft unverstanden fühle und die Themen anderer Leute, die für diese höchst wichtige und interessante Themen sind, als belangloses Zeug empfinde. Meistens gelingt es mir, die anderen das nicht spüren zu lassen. Aber besonders feinfühlige Menschen (meine Frau gehört übrigens dazu) merken das sofort und fühlen sich meist nicht richtig gewertschätzt. Man kann daran arbeiten und wir als Prokrastinanten müssen sogar daran arbeiten. Das ist auch keine leichte Arbeit, aber es geht. In diesem Sinne solltest Du nicht angstvoll Deiner weiteren Entwicklung entgegen sehen, sondern bewusst und zuversichtlich, dass Du es zu weiten Teilen selbst beeinflussen kannst. Viele Grüße Matthias |
| Veronica Mars Rank:member Group: members Posts: 15 IP Logged PM ID: 2547 [PM Veronica Mars] | Posted at Sat Oct 25, 2008 13:21:04 Edit post|Quote Hallo Janina, ich kann Dich sehr gut verstehen, in einigen Dingen, die Du erzählst kann ich mich zu 100 % wiederfinden. Sei froh, dass man bei Dir die Begabung wenigstens erkannt hat. Ich hab immer gedacht, ich wäre einfach zu blöd. Ich hab nämlich die Hausaufgaben wirklich vergessen. Hatte sogar Hausaufgabenbetreuung, da bin ich aber mehr rumgesessen und hab geträumt, wär nie auf die Idee gekommen mal was zu lernen. Warum auch, es ging ja auch so. Lektüren hab ich eigentlich auch nie gelesen. Kann Dir die Lektürenhilfen empfehlen, die gibts für fast alle Standardbücher, die in der Schule gelesen werden. Die kann man gut auf den letzten Drücker lesen. (Ist jetzt keine Hilfe gegen das Problem an sich, aber gegen die Folgen) Jetzt im Studium hab ich mich ganzschön umstellen müssen. Ohne lernen geht da nichts. Ich lerne immernoch weniger als alle anderen, aber immerhin ich lerne! Hab einige Zeit gebraucht, bis ich herausgefunden hab wie das effektiv (gesteuert) geht. Was mir geholfen hat ist, dass ich jetzt was studiere, was mir wirklich gefällt, nicht so wie in der Schule, wo man kaum Wahlmöglichkeiten hat. Als Tip kann ich Dir geben nicht gleich alles auf einmal zu wollen. Versuche doch erstmal in einem Fach, das Dir Spaß macht zu lernen und gute Noten zu schreiben. Wenn das gut klappt, dann steigt Dein Selbstvertrauen und Du traust Dir auch in den anderen Fächern mehr zu. Ansonsten finde ich es gut, dass Du erkannt hast, dass Du dich immer hinter dem "ich bin halt faul" versteckt hast. Ich hab das mit "Ich kann das halt nicht" gemacht. Das ist das innere Selbstbild, das einen ganzschön verarscht. Wenn man aber plötzlich andere Erfahrungen macht, dann fängt das Selbstbild an zu bröckeln. Ich leide gerade unter meinem inneren Selbstbild "ich kann nicht schreiben" und das ist echt blöd, denn ich muss gerade meine Diplomarbeit schreiben. Geholfen hat mir alte Hausarbeiten von mir zu lesen, von denen ich ja auch die (gute) Note schon kannte. Da hab ich erkannt, dass es ja garnicht so schlimm sein kann. Mitllerweile hab ich schon 10 Seiten geschafft *freu* Hoffe es geht so weiter. Ich hab da echt einige "Baustellen" offen. Auch schön ist das Handlungsmuster "wenn man sich nicht anstrengt braucht man nachher auch nicht enttäuscht sein, denn man hat sich ja nicht angestrengt" Das macht mir auch noch zu schaffen. Leistungsmotivation ist was anderes :-( Aber ein erster Schritt ist es zu erkennen, wie man innerlich tickt, denn erst dann kann man was dagegen unternehemen. |
| renata Rank:member Group: members Posts: 5 IP Logged PM ID: 2696 [PM renata] | Posted at Sun Oct 26, 2008 21:35:39 Edit post|Quote Hallo, Janina, ich erkenne mich so sehr in dir wieder, auch wenn ich 3x so alt bin wie du.... Ich hab mit 30 endlich den Weg zum Mensa-Test gefunden und hatte es dann endlich schriftlich, daß mein Schulweg nicht an mangelnder Intelligenz lag, sondern ich nur "faul" war. Ich war aber gar nicht faul, nur fand ich das damals alles sehr unspannend. Was mich nicht interessierte, behielt ich auch nicht, und wenn ich mich noch so sehr anstrengte. Andersrum habe ich alles interessante sozusagen "inhaliert" - ich wußte mit 17 mehr über Molekulargenetik als mein Biolehrer, und mehr über Radioastronomie als mein Physiklehrer - aber mit wem darüber reden???? Ich hab Bücher meterweise schnellgelesen, und es waren keine Romane ;-) Wenn es damals schon Internet gegeben hätte, wäre mein Lebensweg völlig anders verlaufen. ;-) Von daher bist du extrem im Vorteil - du hast jetzt schon freien Zugang zu allem, was du jemals wissen möchtest. Ich wollte nach dem Abi gern Mathe & Physik studieren, und danach Astronomie - meine Eltern wollten mich nicht auswärts studieren lassen, wegen der Kosten, also blieb nur die lokale FH...ich hab das Studium mitten in der Diplomarbeit geschmissen, bin endlich zuhause ausgezogen und hab gejobbt - klar war das dämlich, aber ich sah keinen Sinn mehr darin. Frag dich doch mal, was du NACH der Schule wirklich gern machen würdest, und checke, was du dafür an Vorausetzungen brauchst. Und nein, du bist NICHT faul. Nur ziemlich unterfordert, und wahrscheinlich auch mit nicht besonders guten Lehrern. (mir hat man immer erzählt, ich hätte kein Talent für Sprachen, weil ich ja gut in Mathe wäre - Sch***. Mein Englisch ist per Internet mittlerweile fließend auf hohem Level, und letztes Jahr hab ich begonnen, Tschechisch zu lernen und fand es ziemlich einfach - man versteht mich sogar schon ;-) Einfach nur "poor teaching" in der Schule.) Und ja, ich weiß, ich höre mich an wie jeder andere Erwachsene auch, aber du hast eine Chance, da rauszukommen - such dir professionelle Hilfe, bitte. (ich wußte damals nicht mal, daß es sowas gibt...) Betse Wünsche, renata |
| Janina Rank:member Group: members Posts: 6 IP Logged PM ID: 2686 [PM Janina] | Posted at Mon Oct 27, 2008 18:15:50 Edit post|Quote @renata: Danke ersteinmal für die ermunternden Worte!^^ Gut, dass du das Thema "Was willst du nach der Schule machen?" angesprochen hast...- Ich weiß es schon lange und bin überglücklich darüber, dass ich einer der wenigen bin, die schon weiß, was sie in ihrem Leben machen/ arbeiten/ erreichen möchte! Auch wenn es sich jz für manche sehr frei anhört: Ich werde im Abituer den künstlerischen Zweig wählen, danach (hoffentlich) an der Kunstakademie Münster studieren ( nebenbei auch noch Philosophie)um dann mein Leben als freischanffende Künstlerin zu verbringen!^^ Du hast auch zum Teil recht, dass der Unterricht an deutschen Schulen nicht gerade der Beste ist, jedoch muss ich einräumen, dass ich durch die Prokrastination riesige schulische Bildungslücken habe... Ich komme in dem naturwissentschaftlichen Zweig und in Mathematik nicht gut mit- eher gar nicht! Dabei verstehe ich und kann ich alles, wenn ich mich nur einfach mal auf meinen Hintern setzen und lernen würde. Heute habe ich meine Deutschklausur wiederbekommen: Ich habe Homo Faber bis heute noch nicht gelesen, habe jedoch in der Klausur eine gute ( 2) Leistung erzielt. - Da sagt so eine hochnäsige Transuse zu mir " tja Janina, wenn du keine Bücher list, wie willst du dann in den Deutschleistungskurs, das ist nichts für faule Leute!"- Ich hätte sie töten können. Nur weil ich es wirklich nicht auf die Reihe kriege eine Buch zu Ende zu lesen? - Zumal die Bücher, die wir im Unterricht lesen, allesamt ziemlich uninteressant sind, weil es dort nur um Handlung über Handlung geht. Nichts bedenkenswertes darin, klar kann man etwas reininterpretieren, aber ich mag Bücher einfach nicht, bei denen ich mich beim Lesen nur von den Handlungen besudeln lassen muss. - Ich würde am liebsten bei der Schule fordern, dass wir etwas geistreiches zu lesen bekommen, nicht immer das, bei dem der Interpretationsteil abgeflacht ausfällt und einfach jeder Spast darauf kommt, was der Autor gemeint haben könnte! - Soviel zum Thema Deutschunterricht. LG Janina |
| renata Rank:member Group: members Posts: 5 IP Logged PM ID: 2696 [PM renata] | Posted at Mon Oct 27, 2008 21:08:42 Edit post|Quote Hallo, Janina, danke, daß du meine Gedanken nicht als das übliche Erwachsenengeschwätz aufgefaßt hast!*g* Mit Kunst & Philosophie als Lebensweg hast du höchstwahrscheinlich eine *etwas* andere Auffassung von geistreicher Literatur als deine Lehrer und deine Mitschüler, aber ich versichere dir, die gibt es. Was dir liegen müßte, wäre wahrscheinlich Tucholsky, Kästner, auf Englisch Shaw, Wilde, Jane Austen (die Filme waren NUR kitschig, die Bücher sind klasse), Shakespeare (ja, abgelutscht, aber lies sie selbst), und vieles andere mehr. Die plots sind immer klassisch, was aber nicht heißt, daß deine Interpretation für dich persönlich unbedingt die klassische sein muß. Klar mußt du in der Schule genau den Vorgaben des Lehrplans nachkommen, um gute Noten zu kriegen, aber warum schreibst du nicht mal für dich selbst, so just for fun, eine wirklich freie und ganz persönliche Interpretation eines Themas? In der Kunst hast du ja auch nur die Auswahl, entweder zu machen, was der Markt verlangt (du willst ja davon leben, also mußt du marktkonform produzieren) oder du mußt so genial neu und anders und atemberaubend sein, daß DU die neuen Maßstäbe setzt und selbst kopiert wirst, weil du dich so gut verkaufst. Eins meiner früheren Pferdemädchen konnte extrem gut malen/zeichnen und auch noch toll schreiben - sie wurde Kunst- und Deutschlehrerin, weil sie Wert auf ein regelmäßiges, festes Einkommen (und viel Freizeit) wegen ihres Pferdes legte - sie hätte sich eher einen Arm amputieren lassen als das Pferd aufzugeben. Ihre echte künstlerische Karriere machte sie unter dem Mädchennamen ihrer Mutter eher nebenbei und unbemerkt von ihren Lehrerkollegen...*g* Es gibt immer mehr als einen Weg, und als freie Künstlerin hast du einen harten Weg vor dir. Ich bewundere Leute, die so früh wissen, was sie machen wollen...ich selbst bin damals tw. erstarrt angesichts der unendlichen Möglichkeiten. Beste Grüße, renata |
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