Benutzer-Optionen
Registrieren--Anmelden--Top 20 Posters--Themen durchsuchen


Prokrastination Home
Forum Startseite>>Procrastination>>Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Neues Thema - Antworten

Author
Post
Sonne
Rank:member
Group: members
Beiträge: 97
IP Logged

PM ID: 1428
PM [Sonne]

Last replied to on Fri Sep 12, 2008 17:19:37
Edit Post|Quote
Prokrastinations-Experte Marcel Proust, dessen Ich-Erzähler in „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ mit seinem Projekt, einen Roman zu schreiben, nicht vorankommt:

(ein kleiner Ausschnitt)

„Wäre ich weniger entschlossen gewesen, mich endgültig an die Arbeit zu begeben, hätte ich vielleicht einen Vorstoß gemacht, gleich damit anzufangen.

Da aber mein Entschluss in aller Form gefasst war und noch vor Ablauf von vierundzwanzig Stunden in dem leeren Rahmen des morgigen Tages meine guten Vorsätze leichthin sich verwirklichen würden, war es besser, nicht einen Abend, an dem ich weniger gut aufgelegt war, für den Beginn zu wählen, dem die folgenden Tage, ach! sich jedoch leider ebenfalls nicht günstiger zeigen sollten.

Aber ich riet mir selbst zur Vernunft.

Von dem, der Jahre gewartet hatte, wäre es kindisch gewesen, wenn er nicht noch einen Aufschub von drei Tagen ertrüge.

In der Gewissheit, dass ich am übernächsten Tag bereits ein paar Seiten geschrieben haben würde, sagte ich meinen Eltern nichts von meinem Entschluss;

ich wollte mich lieber noch ein paar Stunden gedulden und dann meiner getrösteten und überzeugten Großmutter das im Fluss befindliche Werk vorweisen.

Unglücklicherweise war der folgende Tag auch nicht der den Dingen zugewendete, aufnahmebereite, auf den ich fieberhaft harrte.

Als er zu Ende gegangen war, hatten meine Trägheit und mein mühevoller Kampf gegen gewisse innere Widerstände nur vierundzwanzig Stunden länger gedauert.

Und als dann nach mehreren Tagen meine Pläne nicht weiter gediehen waren, hatte ich nicht mehr die gleiche Hoffnung auf baldige Erfüllung, aber daraufhin auch weniger das Herz, dieser Erfüllung alles andere hintanzustellen:

Ich fing wieder an, nachts lange aufzubleiben, da ich nicht mehr, um mich des Abends zu frühem Schlafengehen zu zwingen, die feste Voraussicht des am folgenden Morgen begonnenen Werkes in mir fand.

Ich brauchte, bevor mein Schwung wiederkehrte, mehrere Tage der Entspannung, und das einzige Mal, als meine Großmutter in sanftem, traurig enttäuschtem Ton einen leisen Vorwurf in die Worte kleidete:

„Nun? Und diese Arbeit, an die du gehen wolltest – ist davon gar keine Rede mehr?“ war ich böse auf sie, überzeugt, dass sie, in Unwissenheit darüber, dass mein Entschluss unwiderruflich gefasst war, seine Ausführung noch einmal und diesmal auf lange Zeit vertagt habe infolge der enervierenden Wirkung, die ihre Verkennung auf mich ausübte und in deren Zeichen ich mein Werk nicht beginnen wollte.

Sie spürte, dass sie mit ihrer Skepsis unbewusst einen Entschluss empfindlich getroffen hatte.

Sie entschuldigte sich und küsste mich mit den Worten: „Verzeih mir, ich sage bestimmt nichts mehr.“

Damit ich den Mut nicht verlöre, versicherte sie mir, sobald ich mich richtig wohl fühle, werde sich die Arbeitslust ganz von allein einstellen.“ (Proust 1970)


Stefan
Rank:member
Group: members
Posts: 204
IP Logged
PM ID: 680
[PM Stefan]

Posted at Fri Sep 12, 2008 15:31:24
Edit post|Quote
Eines der vielen Bücher, die ich gerne noch lesen möchte. Deine Zitate haben diesen Wunsch sehr verstärkt. Mal schauen, ob was das Buch irgendwo haben. Kommt mir irgendwie bekannt vor, was der liebe Monsieur Proust da schildert ;-)

Stefan
Rank:member
Group: members
Posts: 204
IP Logged
PM ID: 680
[PM Stefan]

Posted at Fri Sep 12, 2008 15:51:58
Edit post|Quote
2408 Seiten! Ich glaube ich schiebe das Lesen dieses Mammutwerkes lieber noch ein wenig auf ...

Sonne
Rank:member
Group: members
Posts: 97
IP Logged
PM ID: 1428
[PM Sonne]

Posted at Fri Sep 12, 2008 16:09:52
Edit post|Quote
Quote:
2408 Seiten! Ich glaube ich schiebe das Lesen dieses Mammutwerkes lieber noch ein wenig auf ...


Lieber Stefan,

es ist nicht gaaaaaaaaaaanz so schlimm!

Band 4 Sodom und Gomorrha reicht. Da beschreibt Proust seine Schreibblockade. Zitat:

"Sodom und Gomorrha ist Teil von Prousts Lebenswerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, in dem der Ich-Erzähler vom Versuch berichtet, seine lebenslange Schreibblockade zu überwinden und so seinem müßigen Leben einen Sinn zu verleihen."

Leider hat auch dieser eine Band immerhin noch fast 1000 Seiten. Gibts übrigens auch als elektornische Ressource und als Hörbuch.

Lieber Gruss

Sonne

Sonne
Rank:member
Group: members
Posts: 97
IP Logged
PM ID: 1428
[PM Sonne]

Posted at Fri Sep 12, 2008 16:23:19
Edit post|Quote
Et voilà - hier der komplette Text gratuit!

Allerdings nur im Original - auf Französisch!

http://ebooks.adelaide.edu.au/p/proust/marcel/p96sg/complete.html

Da weiss ich also schon wie ich meinen Feierabend verbringen werde :-)


Gruss

Sonne

senseseaker28
Rank:member
Group: members
Posts: 177
IP Logged
PM ID: 969
[PM senseseaker28]

Posted at Fri Sep 12, 2008 17:19:37
Edit post|Quote
Mon dieu!

also Zeit fürs Auffrischen meiner Französischkenntnisse :-)

Ist sicher harter Stoff, und da werde ich wohl von meiner Freundin einiges an HIlfe brauchen....
Danke für den Ausschnitt,

Sinnsucher

Seite: 1



Betrieben von Bernd Klein, Singen, unterstützt durch den Schulungsanbieter Bodenseo, Kurse in Linux, Perl und Python, Informationen in Englisch zu Bernd Klein
Powered by Chipmunk Board