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| jochen Rank:member Group: members Beiträge: 7 IP Logged PM ID: 1800 PM [jochen] | Last replied to on Sat Jul 26, 2008 05:16:44 Edit Post|Quote Meine Procrastination hat mit ihre Ursache in der starken Bevormundung durch meine Eltern. Sie haben mir immer alles abgenommen und mir keine Freiheiten gelassen mich zu entwickeln. Diese Bevormundung hat dazu geführt das ich eines Tages überstürzt und ohne Not ausgezogen bin. Leider geht das ganze auch so weiter. Wenn meine Mutter zu Besuch ist fängt sie an die Spülmaschine auszuräumen, das Bad zu putzen usw. Mich macht dieses Verhalten total wütend. Sie lädt sich quasi selbst ein und wenn ich sie erstmal in der Wohnung habe wird es schwer sie wieder raus zu bekommen. Sie macht dann totales Drama und stellt sich als Opfer da weil ich ja immer so gemein zu ihr wäre. Wenn meine Eltern bei mir sind gibt es fast immer Streit. Wenn ich sie hingegen besuche ist alles OK. Sie fängt auch immer an an meinem Äußeren rumzumeckern. Meine Frisur und meine Klamotten wären nicht angemessen. Sie will mir noch Klamotten kaufen und mir den Friseur bezahlen. Anstatt mal zu realisieren was sie mit ihrem Verhalten schon alles angerichtet hat, macht sie unter dem Motto "Ich meine es ja nur gut" weiter. Ich weiß nicht wie das weiter gehen soll. Einerseits bin ich durch meine Procrastination machmal so gelähmt das ich in gewissen Bereichen auf meine Eltern angewiesen bin (z.B. Wäsche waschen). Und das merken bzw. wissen sie auch. Andererseits werden Hilfsangebote dazu genutzt sich in andere Bereiche meines Lebens einzumischen. Es wäre natürlich das beste wenn ich völlig alleine zurecht kommen würde und daher gar keine Hilfe mehr von meinen Eltern annehmen müsste. Nur hätte ich dann zu den Problemen die ich eh schon durch die Procrastination habe, noch weitere. Habt ihr vielleicht Erfahrungen aus eurem Leben, die ihr mir mitteilen könnt? | ||||
| Ziltoid Rank:member Group: members Posts: 61 IP Logged PM ID: 608 [PM Ziltoid] | Posted at Sun May 11, 2008 23:15:04 Edit post|Quote Also, erstmal Glückwunsch zum entscheidenden ersten Schritt. Ohne auszuziehen hättest du das sicher nie im Leben in den Griff bekommen. Aber es dauert meistens sehr lange, bis Eltern, speziell übereifrige Eltern, aus ihrer Rolle herausfinden und dich wie einen Erwachsenen behandeln. Ich wohne seit 7 Jahren nicht mehr daheim und lass mich auch nur noch alle paar Monate mal bei meiner Familie sehen, weil zu mehr Besuchen einfach die Zeit nicht ist... Aber meine Mutter hat mich jetzt trotzdem wieder am Telefon gefragt, ob sie kommen und mir mit dem Haushalt helfen soll. Ich bin übrigens 100 km weit weg und sage jedes Mal nein. Aber sie versuchts immer wieder. Sie hat auch ca. zwanzig Unterhosen für mich gekauft bis ihr aufgefallen ist, dass ich die nie mitnehme. Also nur Geduld... Warum bist du zum Wäschewaschen auf deine Eltern angewiesen? So von der Prokrastination geschwächt, dass es nicht mehr zum Waschmaschine anstellen reicht, kannst man eigentlich nicht sein. Arbeite halt daran, selbständig zu werden, und weis deine Eltern freundlich, aber bestimmt ab... Sag deiner Mutter, dass sie sich in deiner Wohnung wie ein Gast benehmen soll, dass du versuchst selbständig zu werden, und wenn alles nich hilft kann man auch mal bei unangemeldeten Besuchen grad keine Zeit haben. ![]() | ||||
| Blockflöte Rank:member Group: members Posts: 130 IP Logged PM ID: 970 [PM Blockflöte] | Posted at Tue May 13, 2008 21:42:04 Edit post|Quote
Doch, das kann schon sein. Selbst nach 14 Jahren "Selbständigkeit", also von zu Hause weg, muss ich mir oft aus dem Wäscheberg das Oberteil raussuchen, das am wenigsten verknittert ist, um etwas zum Anziehen zu haben. Bei mir klappt es aber noch gerade so mit dem Waschen, dass immer frische Handtücher und Unterwäsche für meinen Mann und mich vorhanden sind. Naja, und mit seinen Arbeitshemden/-shirts funktioniert es auch einigermaßen (zumal er die auch ungebügelt anzieht). Der Rest wird solange wie möglich aufgeschoben. Um zu Deinem Grundproblem zu kommen, Jochen. Du musst lernen, Dich abzugrenzen und Nein zu sagen. Vielleicht klappt es, wenn Du mit einer Sache, z.B. Spülmaschine, anfängst und damit aber konsequent bleibst. Das Ding ist für Deine Mutter tabu. Als nächstes das Bad usw. Oder machst Du das schon (Nein sagen) und daher rührt der Streit, den Ihr habt? Dann ist es ja noch verzwickter. Hm, ich überleg mal weiter, was mir dazu noch einfällt. LG Flöte | ||||
| tibidabo Rank:member Group: members Posts: 43 IP Logged PM ID: 37 [PM tibidabo] | Posted at Wed May 14, 2008 10:50:18 Edit post|Quote Hi Jochen, ich kann Dir durchaus zustimmen: auch meine Eltern (vor allem meine Mutter) neigten während meiner Kindheit und Jugend sehr stark zur Bevormundung. Sie erzogen mich regelrecht zur Unselbständigkeit - darunter leide ich noch heute. Viele alltägliche Aufgaben kann ich nur unzureichend erledigen, da ich sie nie gelernt habe (z.B. Bügeln, Haushaltsreparaturen, Kochen, etc.). Als Kind durfte ich beinahe gar nichts selbst machen: meine Mutter erledigte alles für mich und ließ mich nicht mal spielerisch mithelfen ("ich machs lieber selber, dann gehts schneller" ). Als Jugendlicher fand ich es sehr mühsam, mich allmählich von meinen Eltern abzunabeln. Jeder Versuch sich zu distanzieren wurde mit reichlich Tränen quittiert. Und auch nach meinem Auszug hätten mir meine Eltern am liebsten weiterhin alle Aufgaben abgenommen (Waschen, Putzen, Aufräumen, etc.) Auch heute noch murrt meine Mutter herum, weil ich sie nicht gern in meiner Wohnung empfange. Aber würde sie mich besuchen würde sie sofort anfangen, Fenster zu putzen, herumzuräumen usw. Das nervt mich bis heute. Andererseits plage ich mich mit einer gewissen Hilflosigkeit herum, was Haushaltsdinge betrifft. Mir fehlt einfach die Routine, die ich vermutlich hätte, wenn ich schon als kleiner Junge mithelfen hätte dürfen. | ||||
| leonardo Rank:member Group: members Posts: 509 IP Logged PM ID: 11 [PM leonardo] | Posted at Wed May 14, 2008 14:41:48 Edit post|Quote Ich verstehe nicht so ganz, inwiefern Bevormundung zur Procrastination führen kann. Ist es vielleicht so, dass euch alles aus der Hand genommen wurde, und ihr nie gelernt habt, etwas selber zu organisieren. Dann könnte ich mir vorstellen, dass eure Procrastination mit eine gewissen Unfähigkeit zu tun hat, eure Arbeit zu strukturieren (insbesondere komplexere Arbeiten). Oder ist es vielleicht so, dass Bevormundung zur Depression geführt hat und die Procrastination vielleicht ein Symptom der Depression ist. Ist reine Spekulation, aber vielleicht in meinem eigenen Fall zutreffend, daher für mich interessant. @jochen du hast nicht geschrieben, welche Arbeiten du aufschiebst und welche nicht. Würde mich interessieren, ob es alle Bereiche deines Lebens durchzieht. Liebe Grüße Leo ----------------------------- Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon! | ||||
| Blockflöte Rank:member Group: members Posts: 130 IP Logged PM ID: 970 [PM Blockflöte] | Posted at Sat May 17, 2008 12:33:59 Edit post|Quote
Ja, nicht gelernt, etwas selber zu organisieren, und nicht gelernt, Entscheidungen zu treffen. Wer keine Entscheidungen treffen kann, weil ihm auch das immer abgenommen wurde, schiebt vieles auf. Bei allem, was man tut, steht ja irgendwo eine Entscheidung im Raum. Fang ich jetzt mit Staubputzen an, wenn ja, welchen Raum zuerst, oder stelle ich eine Waschmaschine an, wenn ja, erst 60°-Wäsche oder farbige 40°-Sachen oder oder. Die Leute, die damit keine Probleme haben, haben glaube ich einfach Routine darin. Sie wissen, ich muss jeden Tag etwas machen, um alles zu schaffen. Also ist es egal, womit ich anfange. Als ich gerade geheiratet hatte, hat eine Verwandte erzählt, dass sie jeden Tag in der Woche ein bestimmtes Zimmer putzt und in Ordnung bringt. Ich fand das so bescheuert und habe nur gedacht "Die hat doch nen Fimmel, ich mach das so, wie ich gerade Lust habe". Tja, leider hab ich so gut wie nie Lust, das ist das Problem. Nun könnte man meinen, dann muss ich mir doch nur einen Plan aufstellen, und dann muss ich nicht jedes Mal eine Entscheidung treffen. Ich weiß nicht, warum das auch nicht klappt. Da ist so ein Gefühl von "ich mag das nicht, ich mag das nicht, ich mag das nicht". Und hier komme ich wieder zum ursprünglichen Thema. Wenn meine Mutter mich "gezwungen" hätte, zu Hause mitzuhelfen, wäre es jetzt besser? Hätte ich jetzt die nötige Routine? Aber es gibt bestimmt viele, die gerade deshalb Dinge aufschieben, WEIL sie immer dazu gezwungen wurden. Irgendwie ist alles eine Mischung aus der genetischen Veranlagung und der Erziehung. Bei einem häufig so lustlosen Kind wie ich es war, wäre vielleicht etwas mehr Druck besser gewesen. Andererseits habe ich ja dann auf stur geschaltet. Es gab z.B. eine Kassette, wo verschiedene Kinder draufgesprochen hatten, und von mir war nur zu hören "Wenn ich das nicht will, brauch ich das nicht!" Ich wusste einfach nicht, was ich sagen soll. Ich konnte nicht einfach drauflos quatschen, das machte doch keinen Sinn. Oh man, ich merke, dass ich es zwar spannend finde, über die Ursachen meines Verhaltens nachzudenken, aber zu viel tut auch nicht gerade gut. Ich kann jetzt mein Verhalten ändern, aber es ist schwer. Ich kann jetzt neue Erfahrungen sammeln, indem ich z.B. die Zufriedenheit merke, wenn ich endlich etwas erledigt habe. So, damit erst mal genug für heute, die Steuererklärung wartet auch mich. Komisch, die habe ich sonst immer gemacht, sobald alle Unterlagen da waren. Dieses Jahr ist es etwas kompliziert, weil Krankengeld mit reingenommen werden muss und es da etwas Hin und Her gab. Wahrscheinlich schiebe ich das deswegen vor mir her. Und tschüss, Flöte | ||||
| Sonne Rank:member Group: members Posts: 97 IP Logged PM ID: 1428 [PM Sonne] | Posted at Mon May 26, 2008 23:25:18 Edit post|Quote Nach längerer Pause möchte ich mich auch mal wieder zu Wort melden. Ich persönlich bin der Meinung, dass Bevormundung seitens der Eltern zu Procrastination führen kann. Vor kurzem habe ich das Buch "Erlernte Hilflosigkeit" von Seligkeit gelesen. Auch wenn mir bei den Schilderungen der in den 70er Jahren durchgeführten grausamen Tierversuche fast schlecht wurde und ich das Buch mehrmals gerne in 1000 Stücke zerrissen hätte, wird darin doch eine interessante Erkenntnis thematisiert: Das Gefühl und Erleben, Dinge nicht selbst kontrollieren zu können, kann Depressionen auslösen. Depressionen werden hier in erster Linie beschrieben als ein Zustand des Nichthandelns. Während gesunde Tiere und Menschen ein Problem aktiv angehen, reagiert der Kranke passiv. Anstatt nach Lösungen zu suchen und etwas zu tun, verkriecht man sich lieber. Könnt ihr mir folgen? Vielleicht hole ich zu weit aus. Meine Idee beim Lesen des Buches war, dass Eltern, die den Kindern nicht die Möglichkeiten geben selbst etwas zu bewirken und selbst Probleme zu lösen, sondern den Kindern stattdessen alles abnehmen, beim Kind ein Gefühl des Hilflosigkeit auslösen. Das Kind lernt, dass die Ergebnisse (positive wie negative) unabhängig vom eigenen Handeln sind. So kann sich kein gesundes Selbstbewusstsein beim Kind und später beim Erwachsenen entwickeln und der Mensch verharrt in einer Rolle depressiver Passitivität. Hmmmm...soweit meine Theorie.... Irgendwelche Ideen oder Anmerkungen???? | ||||
| leonardo Rank:member Group: members Posts: 509 IP Logged PM ID: 11 [PM leonardo] | Posted at Tue May 27, 2008 10:05:36 Edit post|Quote Hallo Sonne, schön mal wieder von dir zu lesen. Kenne das Buch von Seligmann und finde deine Erklärung absolut nachvollziehbar. Liebe Grüße Leo ----------------------------- Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon! | ||||
| Sonne Rank:member Group: members Posts: 97 IP Logged PM ID: 1428 [PM Sonne] | Posted at Tue May 27, 2008 14:58:25 Edit post|Quote Seligkeit :-)) O man, mal wieder typisch für mich. Dabei steht das Buch doch bei mir im Bücherregal. Ich meinte natürlich Martin E. P. Seligman. Danke Leo :-) In dem Buch geht es ja gar nicht ums Aufschieben, sondern um Depressionen. Aber beim Lesen hatte ich das Gefühl, dass es eigentlich eher um Procrastination geht bzw. um die Form von Depression, die mit passivem Nichtstun und Aufschieben von Dingen einhergeht. Ich denke, dass Depressionen und Procrastination zwar oft gehäuft auftreten, dass aber auch das eine ohne das andere existieren kann. Na ja, ob wohl - vielleicht nicht ganz....schwierige Frage... Hier wurde ja schon oft der Zusammenhang von Procrastination und Perfektionismus betont. Noch wichtiger finde ich den Zusammenhang zwischen Procrastination und mangelndem Selbstbewusstsein (welches wieder oft mit Perfektionismus verknüpft ist, ach, es ist ja alles so schrecklich verschachtelt). Wenn ich irgendetwas nicht tue, dann kann es auch nicht schief gehen. Und wenn ich als Kind nie gelernt habe, dass ich durch eigene Anstrengung Hürden nehmen und Probleme überwinden kann, dann traue ich mir auch als Erwachsener die kleinsten Dinge nicht zu.... Einige von Euch haben Probleme mit Haushaltsdingen wie Waschen, Bügeln etc.... Hiermit habe ich keine Probleme (wenn ich auch nicht gerade gut bügle oder koche, aber was solls). Wahrscheinlich einfach deshalb, weil ich diesen Dingen keinen großen Wert beimesse. Mein Selbstbewusstsein ist nicht daran gekoppelt eine gute Hausfrau zu sein. Bei beruflichen Dingen dagegen oder praktisch-organisatorischen Angelegenheitein wie Steuern, Versicherungen etc. fühle ich mich oft wie ein kleines hilfloses Kind - und da wäre ich wieder bei Seligman`s (diesmal aber richtig!) erlernter Hilflosigkeit. Ich glaube es nicht zu können, fühle mich schnell überfordert, energiearm, hilflos ... und nach außen merkt man mir das gar nicht an. Ich habe so viele Ideen, die ich wohl einfach deshalb nicht in die Praxis umsetzte, weil ich sie mir (insgeheim) gar nicht zutraue. Also lieber weiterträumen, das ist weniger gefährlich und tut nicht weh..... Sonne | ||||
| senseseaker28 Rank:member Group: members Posts: 177 IP Logged PM ID: 969 [PM senseseaker28] | Posted at Tue May 27, 2008 16:41:48 Edit post|Quote
Hallo Sonne, genau das ist wohl ein Stück der Knackpunkt bei vielen Mitlesern hier, zumindest denen, die aufgrund ihres akademischen Anspruchs oder vermeintlicher Erwartungshaltungen nicht vorwärts kommen. Ich habe mich in deinen Worten perfekt widergespiegelt gefühlt. Bin auch so ein toller Maskenbildner, merkt kaum jemand, was sich in mir abspielt, und oft nicht mal ich selbst :-( Es steckt eben dahinter die Angst der Ablehnung, Angst vor Fehlern, weil diese ja immer Tabu waren und sind, da kommen mir spontan so Zitate wie etwa "Lass mal, ich mach das schon..." oder das berühmte "nur eine 2 minus? Dein Mitschüler X hatte 'ne 1, wieso nicht auch du?" in den Sinn. Da wird dann psychologische Abwertung geübt, was dann zu einer unbewussten Rebellion führt "bin ja eh nichts wert, wenn ich _nur_ eine 2 nach Hause bringe." Diese Erkenntnis viel mir gerade wie Schuppen von den Augen. Schon komisch, dass ich darüber soooo viele Beiträge, inklusive im Forum, gelesen habe, aber es brauchte eine Ewigkeit, bis der Zusammenhang so klar hervortrat. Die Frage ist für mich nur, was mache ich jetzt damit? Ich habe mich oft so klein gefühlt bei vielen Dingen, auch und insbesondere beim Anfertigen größerer Schriftlicher Ausarbeitungen, wo mir doch eigentlich sprachliche Basteleien Spaß machen. Tja, da kommt dann das berühmte Thema der Diplomarbeit, Dämon und gleichzeitig nötig, damit ich einen Abschluss vorweisen kann, und endlich ins Arbeitsleben eintrete, denn jünger wird man ja auch nicht mehr. Wenn ich mir das so durchlese und mir die Argumente und Vorhaltungen meiner Freundin so anhöre, erscheint es mir lächerlich und dämlich, nicht früher damit begonnen zu haben, und es überhaupt als Problem zu sehen. Andererseits ist es eben ein Problem, besser gesagt mein Problem, und das ist eine wichtige Erkenntnis. ich beginne wieder damit, meine Kräfte zu sammeln, und mich für bestimmte Aufgaben zu wappnen wie haushalt, Papierkram, Zahlungen von Rechnungen, Profs an der Uni anschreiben, Arztbesuch, aber irgendwie erschlägt es mich manchmal trotzdem noch. Ich will das Priorisieren von Dingen lernen, denn ich glaube, da habe ich große Schwierigkeiten. Ich bin irgendwie, musste ich bei Selbstbeobachtungen unlängst erkennen, ein Impulsmensch, will sagen, was Priorität hat ist _jetzt_. Wenn mir spontan einfällt "ich muss meine Krankenkasse anrufen", ist das eine Aufgabe, die meine volle Aufmerksamkeit bekommt, weil sie in diesem Moment aktuell ist. Wenn mich meine Mitbewohnerin fragt "sorry kannste mal kommen, Rechner hat sich aufgehängt und ich weiss nicht, was ich machen soll", springe ich und eile, übertrieben ausgedrückt, wie der Retter in der Not zuhilfe. Statt mal den Verstand einzuschalten und mich zu fragen "ist das _dir_ wichtig? Was machst du in diesem ganzen Gewirr? Was hast du davon?". Das ist dieser Teufelskreis aus Abhängigkeit, Gewohnheit des Nicht-Nein-Sagen-Können/Wollens, oder wie man das auch nennt, den ich nicht zu durchbrechen vermag. Ich dürfte doch eigentlich auch immer "nein" sagen, oder? Aber diese Möglichkeit spreche ich mir selbst ab. Schon dumm sowas. Meine Persönlichkeit war leider schon immer angstgesteuert, und dazu kommt dann noch die Behinderung, die gesellschaftlich und auch von vielen Mitmenschen teils mit Verständnislosigkeit quittiert wird, dass man eh prädestiniert für ein chronisches "Ganz oder gar nicht!" ist. Mein Motto war wohl "entweder du packst es, oder du fliegst", und das von klein auf. Ich wollte immer den 3. Schritt vor dem 1. machen, und damit habe ich mir dann vieles verbaut. Sorry, ist etwas lang geworden, aber das Thema ist interessant und hat in mir viel losgetreten. Gruß an alle, Senseseaker | ||||
| Sonne Rank:member Group: members Posts: 97 IP Logged PM ID: 1428 [PM Sonne] | Posted at Tue May 27, 2008 20:29:55 Edit post|Quote
Das Kompliment kann ich zurückgeben. Ich fühle mich auch in einigen Deiner Gedanken perfekt getroffen. Etwa hier:
oder hier:
und hier:
Genauso wie Du habe ich ebenfalls Probleme beim Anfertigen meiner Abschlussarbeit. Ich glaube, von "unserer Sorte" gibt es einige hier im Forum. Und warum? Warum macht gerade das Schreiben einer Abschlußarbeit solche Probleme, nicht dagegen das Absolvieren von Prüfungen? Vielleicht weil Prüfungen - zu mindest in meiner Vorstellungswelt - weniger Reife und Selbstständigkeit und Verantwortung verlangen...? Den Satz "Lass mal, ich mach das schon..." habe ich in der Form oder so ähnlich auch sehr oft zu hören bekommen. Andere Variante: "Gib schon her, ich kann das doch viel schneller" oder "lass das lieber, sonst geht es doch kaputt" oder "nein, doch nicht so, stell dich doch nicht so doof an". Dann gab es da aber auch die andere Seite, die sofort "das hast du aber toll gemacht, Schatz" gesagt hat, selbst wenn ich schon als kleines Kind wusste, dass das jetzt überhaupt nicht toll war. Das heisst, Lob war nie ein direktes Ergebnis meiner Taten, sondern unabhängig davon. Ich wurde kindlich-verhätschelnd gelobt (toll gemacht!), andererseits wurden meine - aus heutiger Sicht - wirklich guten Leistungen nicht gewürdigt. Meine kleine Theateraufführung als Kind z.B. wurde eher mit peinlichem Lächeln quitiert. Na ja, vielleicht war es ja auch wirklich peinlich, ich weiss nicht mehr. Ich weiss nur, dass ich mir sehr viel Mühe gegeben habe mit Bühnenbild, Deko etc. Ach ja, und noch kurz zu der Sache mit dem impulsiven Handeln. Ist bei mir auch so. Wenn mir irgendetwas in den Sinn kommt, muss das SOFORT sein und duldet keinen Aufschub. Ich bin dann so besessen darauf, dass ich an nichts anderes denken kann. Und genau das ist ein riesen Problem, weil ich somit große Schwierigkeiten habe, mehrere DInge parallel zu erledigen und mich darauf zu konzentrierern. Grüsse in die Runde SOnne | ||||
| leonardo Rank:member Group: members Posts: 509 IP Logged PM ID: 11 [PM leonardo] | Posted at Wed May 28, 2008 08:20:15 Edit post|Quote Also das mit der Impulsivität kenne ich bei mir überhaupt nicht. Habt ihr schon mal an AD(H)S gedacht? Diplom- und Doktorarbeit sind bei mir zwar schon eine Ewigkeit her, aber ich hatte selbstverständlich die gleichen Probleme damit, wie ihr heute. Hatte allerdings auch Probleme mit Prüfungen, da ich meine Prüfungstermine individuell vereinbaren musste und so die Prüfung immer weiter rausschieben konnte. Wenn es eine feste Terminvorgabe gibt, dann schaffe ich das auch heute noch, natürlich auf die letzte Minute. Liebe Grüße Leo ----------------------------- Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon! | ||||
| senseseaker28 Rank:member Group: members Posts: 177 IP Logged PM ID: 969 [PM senseseaker28] | Posted at Wed May 28, 2008 16:16:50 Edit post|Quote Hi Leo, ja, ich habe tatsächlich einiges zu AD(H)S bei Wikipedia gelesen, man springt ja immer von hier nach da, bis man denkt, das Passende aus dem Wirrwar an Erklärungsmöglichkeiten für Stimmungs- und Aufmerksamkeitsschwankungen gefunden zu haben. Aber irgendwie passte AD(H)S nicht so recht auf meine Symptome, vielleicht sollte ich das nochmal überdenken. Es kommt häufig vor, dass Impulsdinge Vorrang vor geplanten Aufgaben bekommen, auch wenn ich von Plan eher selten sprechen kann. Ich habe mich gestern mit einem Schulfreund darüber unterhalten, und er scheint wirklich bei vielem ähnlich zu ticken, auch im Bezug auf die Aufschieberei. Bei Prüfungen hatte ich vorher nie Schwierigkeiten, saß ich aber erstmal drin, war es wie eine Klammer, die einem die Luft abschnürt, aber irgendwie habe ich es immer da raus geschafft, und die Ergebnisse waren auch meist zufriedenstellend. Gab nur einen Prof, bei dem ich eine Blamage sehr gefürchtet habe, und bei dem wäre ich auch beinahe durchgerasselt. Sobald ich von etwas in mir drin nicht so recht überzeugt bin, gehts auch viel schlechter. Gruß, Senseseaker | ||||
| Sonne Rank:member Group: members Posts: 97 IP Logged PM ID: 1428 [PM Sonne] | Posted at Sun Jun 01, 2008 11:42:28 Edit post|Quote Lieber Leo, ja, an AD(H)S habe ich auch schon gedacht. Habe mich sogar ziemlich intensiv mit dem Thema beschäftigt. EIn tyisches Muster bei AD(H)S ist ja neben der Impulsivität und dem Hang zum Aufschieben auch die Neigung zum Grübeln und zum Gedankenkreiseln. Und das ist bei mir leider in sehr ausgeprägter Form der Fall. Sich nicht auf eine Sache konzentrieren können, weil mir andere Dinge in den Kopf kommen, an die ich ständig denken muss. Meist sind es negative Gedanken, aber auch positive Gedanken halten mich von meiner Konzentration auf die Arbeit ab. Daher würde ich mich als das absolute Gegenteil von einem Multi-Tasking-Talent beschreiben. Ich kann immer nur eine Sache tun, und nie mehrere gleichzeitig. Na ja, und leider auch nicht so gut hintereinander....weil ich ja gedanklich immmer noch bei der Arbeit zuvor oder der Arbeit danach bin.... Bei AD(H)S denken ja viele in erster Linie an laute Choleriker, die ständig aus der Haut fahren, zu Agressitivität oder kindlicher Naivität etc. neigen. Nach dieser Definition trifft AD(H)S weniger auf mich zu. Aber es gibt auch ganz andere Formen von AD(H)S, die auf mich sehr viel besser passen. Ich will mich hier aber nicht an einem "Krankheitsbild" festbeissen. Denn zum einen sind Definitionen von bestimmten Krankheiten gerade im psychischen Bereich ja sehr variabel und fliessend, andererseits denke ich, dass die meisten von uns nicht so einfach gestrickt sind, dass wir uns problemlos in eine Schublade pressen lassen. Wünsche Euch allen noch einen wunderschönen sonnigen Sonntag. | ||||
| senseseaker28 Rank:member Group: members Posts: 177 IP Logged PM ID: 969 [PM senseseaker28] | Posted at Sun Jun 01, 2008 14:14:22 Edit post|Quote Hi Sonne,
Das kenne ich leider nur zu gut, darin sind wir uns offenbar ähnlich. Bei mir ist es nicht derart ausgeprägt, aber es kann schon passieren, dass ich die Tendenz habe, mich vereinnahmen zu lassen. Vereinnahmen meint hier entweder von Leuten, siehe Computerbeispiel meiner Mitbewohnerin aus meiner alten Nachricht. Dies kann aber auch eine Sache sein, die meine unmittelbare und komplette Aufmerksamkeit erfordert, bis sie fertig ist, oder bis im schlimmsten Fall nichts heraus kommt, und die Zeit sinnlos im Sande verlaufen ist. Während ich das so schreibe, kommt mir irgendwie der Begriff "Träumer" in den Sinn. Ich kann auch nicht loslassen, und bestimmte Ereignisse, die eigentlich vollkommen bedeutungslos sind, kreisen und kreisen in mir herum, ich drehe und wende sie, suche Erklärungen oder irgendwas, womit ich mich trösten könnte, aber das endet natürlich immer im Nirgendwo. In letzter Zeit wird das aber zum Glück weniger. Ich kann mich auch nicht immer auf _nur_ eine Sache konzentrieren, da schwingt viel Anderes im Hintergrund mit. Bist du rezeptiv für Suggestionen oder Entspannungstechniken? Bei mir hilft sowas sehr, auch wenn es lange Zeit gebraucht hat, bis ich dies erkannt hatte. In der Schule war ich immer schon der Typ Mensch, der bei Klassenarbeiten, und später auch Prüfungen an der Uni, seinen Gedanken nachhing, ohne die Lösung für eine Aufgabe sofort und hier parat zu haben. Ich habe im Schnitt 45 Minuten oder manchmal sogar bis zu eine Stunde gebraucht, bis ich mich dann irgendwie ans Werk gemacht habe. Dabei war dann das Ziel nicht, Aufgabe X anzugehen, sondern immer erst mit etwas Leichterem anzufangen, wobei dann irgendwann der Knoten geplatzt ist, und der Rest auch relativ gut ging. Dumm war dann nur, dass ich auf den letzten Drücker den Anfang auch noch machen wollte, weil ich da entspannter war, schon komisch... Das war dann immer eine Blackout-Situation, als habe mir jemand mein komplettes Wissen ausgesaugt. Ich konnte in solchen Situationen nicht denken und mir sagen "Aufgabe 1 geht nicht, also mach 2". Ich wollte immer alles nach der Reihe machen, nach 1 kommt 2, aber wenn 1 nicht geht, muss 2 eben so lange warten, bis der Geistesblitz kommt. Hab dann eher in der Ecke gesessen, und über irgendwelche Fluggeräte oder sonst was nachgedacht. Ich brauche auch immer sehr lange, bis ich auf etwas antworte, ich muss erstmal alles beleuchten und eine Art Rundumeinschätzung machen, besonders bei Leuten, die mir sehr am Herzen liegen, aus Angst, etwas falsches zu sagen. So, das wärs fürs erste gewesen :-) Und an die chronischen Nichtschreiber, kommt aus euren Löchern! .-) Ich bin mir fast sicher, dass hier weitaus mehr Leute mitlesen, als es aktive Poster gibt, was ich sehr schade finde. Wenn ihr denken solltet, das muss perfekt sein, ich hab doch eh nichts zu sagen, das ist kompletter mumpitz, denn jeder hat auf die eine oder andere Art etwas zu sagen, und perfekt gibt es nicht, alles und jeder hat Ecken und Kanten! Gruß, Senseseaker | ||||
| leonardo Rank:member Group: members Posts: 509 IP Logged PM ID: 11 [PM leonardo] | Posted at Mon Jun 02, 2008 15:10:08 Edit post|Quote @sonne Grübeln und Gedankenkreisen sind auch Symptome der Depression, die sich ja oft zur Procrastination dazu gesellt. Aber Diagnosen sind irgendwie nur Schubladen, wie du ja auch schon schreibst. Keiner passt so richtig rein. Mit AD(H)S kenne ich mich nicht wirklich aus, aber einen Choleriker habe ich dabei nicht vor meinem inneren Auge, eher den klassischen Zappelphillip. Liebe Grüße Leo ----------------------------- Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon! | ||||
| jochen Rank:member Group: members Posts: 7 IP Logged PM ID: 1800 [PM jochen] | Posted at Sat Jul 26, 2008 05:16:44 Edit post|Quote Danke für die vielen Rückmeldungen. Habe die Antwort leider aufgeschoben. Sonne hatte mit der "erlernten Hilfslosigkeit" ein schönes Stichwort gegeben. Meine Eltern waren schon sehr früh mit mir bei einem Psychologen der ihnen Anweisungen gab wie sie mit mir umzugehen hätten (Belohnungssystem für erledigte Aufgaben). Leider wurden die Ratschläge nicht angenommen. Die Sache mit meinen Eltern habe ich nun ganz einfach gelöst. Sie kommen einfach nicht mehr bei mir vorbei. Sie kamen eigentlich sowieso nie von sich aus vorbei, beschweren sich dann aber wenn ich mal zwei Wochen lang nicht bei ihnen vorbei komme. | ||||
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