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Forum Startseite>>Procrastination>>Aus dem Tagebuch eines notorischen Aufschiebers

Neues Thema - Antworten

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leonardo
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PM ID: 11
PM [leonardo]

Last replied to on Fri May 02, 2008 15:44:12
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Fr. 2.5.08

Gestern war der 1. Mai. Ein Feiertag. Meine Frau musste arbeiten und ich genieße es meist, etwas Zeit für mich zu haben. Das Wetter war auch nicht so schlecht, und ich dachte, es wäre nett, mit meiner Kamera loszuziehen.

Da fiel mir etwas ein, was ich bereits seit etwa 25 Jahren wieder fotografieren wollte. Das Motiv liegt im befreundeten Ausland (Belgien) und ich schätzte die Entfernung auf 50 km. Da meldete sich mein Umweltgewissen und meinte, das wäre viel zu weit, das würde sich nicht lohnen. Mein Sinn für das praktische meldete sich, und machte darauf aufmerksam, dass ganz nah an dieser Route doch dieser belgische Supermarkt mit dem prima Weinsortiment liegt.

Jetzt meldeten sich gleich mehrere Skeptiker zu Wort: Ist denn in Belgien heute kein Feiertag? Christi Himmelfahrt wohl nicht, aber der Tag der Arbeit? Und wenn in Belgien kein Feiertag ist, dann wird es dort wohl sehr voll sein, weil dann die ganzen Deutschen rüber fahren. Soll ich mir diesen Stress wirklich antun? Ich könnte sofort fahren und so früh ist es vielleicht noch nicht so voll. Aber eigentlich müsste ich jetzt erst die Katzenklos machen.

Soll ich wirklich Wein kaufen? Eigentlich will ich doch eher weniger trinken! Gestern Abend war es auch ein bisschen zu viel. Apropos Wein: Ob ich wohl noch zu viel Restalkohol habe? Verdammt, wo ist in Belgien eigentlich die Promillegrenze? Und wenn ich Wein kaufe, muss ich meine teure Kamera währenddessen im Kofferraum lassen. Das finde ich auch nicht so toll.

Dann noch so moralische Bedenken: Darf ich mich denn amüsieren, während meine Frau arbeiten muss? Vielleicht würde sie ja gerne mitkommen? Bin ich egoistisch?

Habe ich überhaupt die Zeit dazu? Müsste ich nicht eigentlich meine Aquarien säubern? Am Sonntag kriege ich schließlich Besuch von einer Tierfreundin, die sicher einen kritischen Blick darauf werfen wird.

Erstaunlicherweise habe ich mich dann trotzdem aufgerafft und bin nach Belgien gedüst. Dort war Feiertag! Wein kaufen also gestrichen, aber dafür musste ich mir keine Gedanken um die Kamera im Kofferraum machen. Also weiter zu Ziel 2. Kurz vor dem Ziel eine Umleitung. Na ja, da fährt man halt brav den Umleitungsschildern nach. Dummerweise erwies sich die Umleitung als ziemlich weitläufig. Irgendwann stand ich dann an der anderen Seite von Ziel 2. Dort war die Straße ebenfalls gesperrt. Na toll! Jetzt war ich nicht mehr so brav und bin an der Absperrung vorbei gefahren. Na bitte, geht doch. Weit und breit keine Baustelle zu sehen. Und da auf der Anhöhe, das müsste doch Ziel 2 sein. Kurz darauf ging es dann nicht mehr weiter, die Straße war total zu. Umdrehen und die nächste Autobahnauffahrt suchen!

Immerhin bin ich durch eine sehr sehr schöne Landschaft gefahren und auf WDR 2 lief super Musik (68er Tag!), aber die Kamera hat den Kofferraum nicht verlassen.

Jetzt mal wieder im Ernst: Kennt ihr auch solche sehr hilfreichen inneren Selbstgespräche, die euch so toll bei der Entscheidungsfindung unterstützen?

Liebe Grüße
Leo

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Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon!

tibidabo
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PM ID: 37
[PM tibidabo]

Posted at Fri May 02, 2008 13:14:05
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Ja klar, solche Gedankenfolgen kenne ich sehr gut und sie haben mir schon oft den Tag versaut.

Allerdings greifen sie seltsamerweise normalerweise nicht bei der Planung von Reisen oder Ausflügen. Überhaupt gelingen mir Reiseplanungen immer recht prokrastinationsfrei. Woran das liegt kann ich selbst nicht sagen...

Stattdessen habe ich andere merkwürdige Blockaden:
ich habe eigentlich viele verschiedene Interessen und Hobbies (z.B. Musik, Sprachen, Theater, usw.). Zu gerne würde ich beispielsweise besser Klavierspielen lernen. Von Zeit zu Zeit raffe ich mich auf, suche mir einen Klavierlehrer und gehe voller Motivation zu den ersten Unterrichtsstunden. Doch spätestens nach 1-2 Monaten macht sich die Blockade bemerkbar: Klavierspielen macht plötzlich keine Freude mehr, der Unterricht wird zur Pflicht, das Üben wird zum Stress. Ich fühle mich regelrecht eingeengt und gegängelt durch diese zusätzliche Verpflichtung, die doch eigentlich freiwillig ist und Spaß machen sollte. Noch einige Male raffe ich mich auf, dann ist wieder Schluss. Ich sage den Klavierunterricht ab und begrabe meine Pläne vorerst wieder...

Und so geht es mir auch mit den anderen Hobbies...

Sobald übrigens die Pflicht des Unterrichtsbesuchs wieder weggefallen ist taucht mein Interesse wieder auf.

Es ist wirklich wie verhext. Ich würde zu gern diesen Mechanismus durchbrechen und endlich mal bei der Sache bleiben.

Blockflöte
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PM ID: 970
[PM Blockflöte]

Posted at Fri May 02, 2008 15:44:12
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Hallo Leo, ja mich gibt's auch noch...

Ich kann Deine Gedankengänge sehr gut nachvollziehen. Geht mir auch oft so, mit anderen Themen.

Zum Beispiel: Ich habe einen Katalog bekommen oder ein Heft mit Angeboten. Mir gefallen ein paar Sachen daraus und ich denke, oh ja, so ein T-Shirt ist schön, das bestell ich mir. Hm, oder habe ich so eins noch irgendwo in der Wäsche oder im Schrank vergraben? Ich muss eigentlich erst meine ganzen Sachen durchgucken, um überhaupt zu wissen, was ich gebrauchen kann. Ich hatte doch mal so ein ähnliches Teil, aber passt das überhaupt noch? Oder hab ich das schon weggeworfen?

Welche Größe muss ich jetzt überhaupt bestellen? Die letzten neuen Sachen sind Größe 48. Sitzen aber im Moment auch schon knapp. Aber noch ne Nr. größer? Neeee. Ich will ja sowieso abnehmen. Wir haben wieder kein Gemüse mehr im Haus, hab ich auch keine Lust drauf. Neue Sachen, die eigentlich nicht passen, habe ich auch genug.

Ok, ich geb zu, Leo, Deine Story ist viel "schöner", ich musste richtig schmunzeln, weil ich mir das gut vorstellen kann.

Zum Thema "Darf ich das, wenn meine Frau arbeiten muss?". Ja, Du darfst. Sie macht bestimmt auch mal etwas Schönes, wenn Du arbeitest, oder?
Ich hab auch oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich etwas nur für mich tun will, aber eher, wenn mein Mann frei hat. Dann denke ich, das hätte ich doch tun sollen, als er auf der Arbeit war. Aber jetzt, wo er frei hat, lass ich ihn hier allein zu Hause sitzen. Wenn er aber zum Fußball geht (nur gucken, nicht spielen) oder Kegeln mit den Kollegen, hab ich nie etwas dagegen. Warum auch?
Naja, Du bist ja trotz der vielen Bedenken losgefahren, find ich klasse. Auch wenn es nicht das gebracht hat, was Du Dir vorgestellt hattest. Wenn man nachher darüber lachen kann, ist es doch auch etwas Schönes.

LG Flöte

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