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Prokrastination Home | ||
| leonardo Rank:member Group: members Beiträge: 509 IP Logged PM ID: 11 PM [leonardo] | Last replied to on Fri Feb 29, 2008 11:23:13 Edit Post|Quote Habe gerade das Buch zum Thema "Boreout" gelesen und darin findet sich folgender Gedanke: Wenn jemand ständig unterfordert ist, warum fragt er nicht nach mehr oder anderer Arbeit sondern lässt es bis zum Zustand des Boreouts kommen? Das Buch gibt folgende Antwort: Die meisten Leute finden Arbeit pfui und Freizeit toll. Und bis man kapiert, dass die freie Zeit am Arbeitsplatz (die man z.B. durch procrastinieren gewinnt) gar nicht so toll ist und auf die Dauer nur zu quälender Langeweile führt, steckt man so tief im Boreout drin, dass es schwer wird, da wieder rauszufinden. Auch wenn mich das Buch insgesamt nicht gerade begeistert hat, kann ich dieser These für mich doch einiges abgewinnen. Ich denke, ich habe wirklich eine sehr negative Einstellung zur Arbeit. Ich erinnere mich daran, dass ich mir als 7 oder 8jähriger versucht habe, vorzustellen, wie das ist, wenn man täglich 8 Stunden in einem Job verbringt. Das ist in diesem Alter doch nicht normal, oder? Mein Vater war zwar einfacher Arbeiter, hatte aber einen sehr leichten Job, der aus viel Nichtstun und einigen Kontrollaufgaben bestand. Er hatte sogar eine Nebentätigkeit, die er während seines Jobs ausübte. Jedenfalls hatte mein Vater auch eine ziemlich "kommunistische Einstellung", d.h. er hielt alle Arbeitgeber für Ausbeuterschweine. Ausbeuterschweine darf man natürlich um die Arbeitszeit prellen, das hat doch etwas Robin Hood mäßiges. Dann erinnere ich mich noch an so Sprüche wie "Wer Arbeit kennt und sich nicht drückt, der ist verrückt". Ja, ich denke, ich habe eine sehr negative Einstellung zur Arbeit. Wie sieht das bei euch aus? Liebe Grüße Leo ----------------------------- Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon! | |
| tibidabo Rank:member Group: members Posts: 43 IP Logged PM ID: 37 [PM tibidabo] | Posted at Wed Feb 27, 2008 11:35:33 Edit post|Quote Ich habe derzeit auch eine negative Einstellung zur Arbeit. Allerdings hauptsächlich zu der Arbeit in meiner Branche (EDV). Wie ich möglicherweise schon erwähnt hatte bin ich eher in diesen Beruf hineingerutscht und fand ihn eigentlich immer schon uninteressant. Leider gelingt es mir nicht, mich für diesen Beruf zu motivieren und er nervt mich eigentlich jeden Tag wieder aufs Neue. Ich würde sagen, ich bin inzwischen schon fast allergisch gegen all diese nicht richtig funktionierenden Programme und Betriebssysteme mit ihren unverständlichen Fehlermeldungen. Dazu kommt, dass aus meiner Sicht mein Job meine Lebenszeit blockiert und mich daran hindert, die Dinge zu tun, die ich eigentlich gut und gern machen würde. Unbewusst hat sich dadurch eine ablehnende Haltung etabliert - ich nehme meinem Beruf sozusagen übel, dass er mein Leben behindert. Ich bin mir relativ sicher, dass meine negative Einstellung zur Arbeit nicht so ausgeprägt wäre (oder sogar ganz verschwinden würde), wenn ich einen andersartigen Job hätte. Immerhin habe ich es schon erlebt: vor etwa 2 Jahren habe ich mal ein Praktikum bei einem Fotografen gemacht und dort hat mir die Arbeit wirklich Spaß gemacht. Ausserdem war ich die ganze Zeit über kein bisschen gelangweilt - und das, obwohl ich als Praktikant keineswegs kreative Aufgaben zu erledigen hatte. Stattdessen war ich mit dem digitalen Retuschieren von Fotos, sowie dem Erledigen von Bürokram und dem Auf- und Abbauen von Equipment beschäftigt. Aus dieser Erfahrung heraus glaube ich ernsthaft, dass ich mit einem neuen Beruf meine Prokrastination zumindest lindern könnte. Eine allgemeine negative Einstellung gegenüber Arbeit habe ich nicht: hätte ich eine zu mir passende Arbeit könnte ich möglicherweise sogar zum Workaholic mutieren (dies wurde mir vor einiger Zeit mal von einer Freundin prophezeit, die ich mich ganz gut kennt...). | |
| leonardo Rank:member Group: members Posts: 509 IP Logged PM ID: 11 [PM leonardo] | Posted at Wed Feb 27, 2008 12:24:46 Edit post|Quote
Das finde ich sehr interessant! Ich glaube, mir geht es ähnlich. Liebe Grüße Leo ----------------------------- Fallen ist keine Schande, liegen bleiben schon! | |
| tibidabo Rank:member Group: members Posts: 43 IP Logged PM ID: 37 [PM tibidabo] | Posted at Wed Feb 27, 2008 12:33:12 Edit post|Quote Ja, und weil ich meinem Beruf was übelnehme, und weil ich keine richtige Handhabe gegen ihn habe (ich kann aus finanziellen Gründen nicht einfach kündigen) hat sich vermutlich die Prokrastination als eine Art von passivem Widerstand im Unterbewusstsein etabliert. Prokrastination ist ein Verhaltensmuster, welches vermutlich aus verschiedenen Gründen bei mir auftaucht: im Beruf ist es ein Zeichen passiven Widerstands. Im Freizeitleben schützt mich die P. zum Teil gegen Ablehnung, befürchtete fehlende Anerkennung, Misserfolg. Man kann sich in Gedanken einer gewissen Grandiosität hingeben, die möglicherweise gefährdet wäre, wenn man durch reale Aktionen herausfinden würde, dass man gar nicht so begabt ist wie gedacht. | |
| bunterhund Rank:member Group: members Posts: 157 IP Logged PM ID: 1181 [PM bunterhund] | Posted at Wed Feb 27, 2008 14:38:44 Edit post|Quote Hallo Leute, Lernen ist für mich Arbeit. Ich hab einfach die Routine und die Techniken nicht, da ich nie lernen musste und auch so gut war. Von daher will ich nun immer alles ohne Lernen können und Probleme etc. lieber durch ständiges Grübeln lösen. Ich benutze lieber meinen Kopf als einen Stift, Papier, Ordner, Karteikarten, PC etc., was die Strukturierung und Bewältigung der Arbeit schwierig werden lässt. Bevor ich etwas zu Papier bringe, muss es eigentlich schon ausgereift sein. Dabei könnte ich meinem Hirn so gut die Arbeit erleichtern, wenn ich wirklich mal Techniken anwenden würde. Eine große Blockade ist bei mir Veragensangst und Perfektionismus, denn das Studium macht mir an sich großen Spass. Da ich aber so tolle Karrierevorstellungen habe, setze ich mich unheimlich unter Druck. Wenn ich mir vornehme, Recherchetexte zu lesen, muss das gleich 7 Stunden lang sein, was ich meist nicht schaffe. Allerdings hat mir eine Freundin die Augen geöffnet, denn sie lernt nur 2 Stunden und freut sich, wenn sie dann noch ''Bock'' hat und länger weitermachen kann. Das will ich auch probieren! So kann man sich also selbst austricksen! LG, bunterhund ----------------------------- Der frühe Vogel kann mich mal! | |
| Stefan Rank:member Group: members Posts: 204 IP Logged PM ID: 680 [PM Stefan] | Posted at Thu Feb 28, 2008 00:24:11 Edit post|Quote Da sind wir uns doch alle Mal wieder Recht ähnlich. Wenn ich so lese, was ihr schreibt. Wenn, dann muss es gleich perfekt sein. Wenn es nicht interessant ist, macht man es sich auch nicht interessant, immer trauert man vermeintlich verpassten Möglichkeiten nach, etc. Bei mir schaut das im Moment konkret so aus, dass ich mich dringend nach einem Job umsuchen sollte. Wenn ich eine Perspektive für danach hätte, wäre es auch sicher leichter den Abschluss zu machen. Aber wenn, will ich natürlich einen super Job, der zu 100% das ist, was ich will, mich genug fordert, aber auch nicht zu viel, so dass ich rackern müsste, um erfolgreich zu sein, weil das bin ich ja nicht gewohnt (damit meine ich, mit Rückschlägen leben und es noch Mal und noch Mal zu probieren). Ich weiß, dass meine Berufsvorstellungen theoretisch möglich gewesen wären, wenn mein Leben ohne Depressionen verlaufen wäre und die letzten Jahre nicht ein Loch in meinem Lebenslauf wären und deswegen habe ich jetzt überhaupt keine Motivation einen Job anzutreten, den ich als nicht ausreichend für mich betrachte. Oder bei einem Arbeitgeber, der mir nicht "gut" genug ist. Andererseits schaffe ich es nicht Mal hier in Deutschland vernünftig auf eigenen Beinen zu stehen. Wie sollte ich das in einer vollständig fremden Kultur dann auf die Reihe bringen. Denn ein Arbeitsplatz im (nicht EU-)Ausland wäre mein Traum. Ich habe auch keine Ahnung, wie ich einen 12-Stunden Arbeitstag durchstehen soll. Aber früher ging das und ich erwarte von mir, dass ich das auch leiste, wenn nötig. Mein Therapeut hatte heute Schwerstarbeit mit mir, mich davon zu überzeugen, dass es eine große Leistung war, gestern eine halbe Stunde produktiv zu arbeiten. Das kommt mir einfach so lächerlich wenig vor. Heute waren es dafür sogar 1 1/2 Stunden. Wenn ich das Morgen wieder schaffe wäre ich wirklich zufrieden. Vielleicht geht ja was vorwärts. Aber es geht mühsam und in kleinen Schritten. Ich habe mir vorgenommen nicht wieder beim ersten Problem aufzugeben, sondern weiter zu kämpfen. Tja, bin vielleicht etwas vom Thema abgewichen. Ich hoffe ihr verzeiht mir das ob der späten Stunde. lg, Stefan | |
| Elle Rank:member Group: members Posts: 207 IP Logged | Posted at Thu Feb 28, 2008 05:44:29 Edit post|Quote "Dazu kommt, dass aus meiner Sicht mein Job meine Lebenszeit blockiert und mich daran hindert, die Dinge zu tun, die ich eigentlich gut und gern machen würde. Unbewusst hat sich dadurch eine ablehnende Haltung etabliert - ich nehme meinem Beruf sozusagen übel, dass er mein Leben behindert." Da geht es Dir sicher wie Millionen von Arbeitnehmern, die auch irgendwann mal die Illusion hatten, dass ein Job etwas mit Selbstverwirklichung zu tun hätte. Je früher diese Unmöglichkeit in einer "entfremdeten" Arbeit bewusst wird, desto besser. Das bringt einen auf den Boden der Tatsachen und zur Erkenntnis, dass es nur ums Überleben, Miete, Krankenversicherung, Lebensmittel, Teilnahme am "sozialen" Leben geht. Das geht mir genauso, allerdings muss ich einschränkend sagen, dass die Umstände meines Jobs so angenehm sind ( 5 Minuten Arbeitsweg, Blick auf den Fluss aus dem Fenster, ausreichende Bezahlung, nette KollegInnen, menschliche Vorgesetzte ), dass es mir leichter fällt, meine persönlichen Interessen auf den Feierabend oder das Wochenende zu verschieben, weil es sein muss, eine existentielle Notwendigkeit ist. Die Ernährung meiner Familie macht Sinn, gibt Kraft, lässt mich durchhalten. Die Vorstellung ein mehr oder weniger nützliches Rädchen im Getriebe zu sein, gefällt meinem Ego zwar nicht, ist aber mit der nötigen Demut und Illusionslosikeit auszuhalten. Wenn ich jünger wäre, würde ich riskieren noch einmal alles auf eine Karte zu setzen, einfach aufhören und noch mal einen Neuanfang wagen, alles verkaufen, Lebensstil reduzieren, mit weniger Geld auskommen, um meine künstlerischen Talente zu entwickeln ... Ganz wichtig ist jedoch, immer darauf zu achten, meine Arbeitskraft zwar zu verkaufen, aber mich nicht absorbieren zu lassen, eine gewisse Distanz zu KollegInnen zu wahren, gut mit meiner Kraft zu haushalten, damit ich nicht allzu zu ausgelutscht nach der Arbeit nach Hause komme, und andererseits meine Arbeit so gut zu machen, dass meine individuelle Note in sie einfließt, ich zufrieden mit Teilergebnissen bin, das Gefühl habe mein Geld "verdient" zu haben. Und der Spaß darf nicht zu kurz kommen, der Joke mit den Technikern und den Putzfrauen, der Plausch in der Kaffeeecke, Wortwitze am Telefon. Das heißt nicht, dass mir das alles immer sehr gut gelingen würde, und wenn nicht, nehme ich mal einen halben oder einen Tag Urlaub zwischendurch um die Batterien wieder aufzuladen. Wenn das alles nicht möglch wäre und ich jahrelang das Gefühl hätte "ich muss hier weg", dann würde ich es tun, trotz aller existentiellen Folgeprobleme, denn das ist die Grenze, die krank macht, wenn man sie zu lange überschreitet. Beispiele: kennt jemand Marlene Jaschke, eine Kleinkunst Komikfigur? Sie war früher Sparkassenangestellte, bis sie den Sprung ins kalte Wasser wagte. Oder meine Therapeutin, sie hat ihren Mann und das gemeinsame Haus verlassen, nachdem die Kinder groß waren, um mit 45 noch mal Abitur zu machen und zu studieren und ein neues Leben anzufangen. Einen schönen Tag wünsche ich allen. Elle | |
| tibidabo Rank:member Group: members Posts: 43 IP Logged PM ID: 37 [PM tibidabo] | Posted at Thu Feb 28, 2008 10:58:21 Edit post|Quote
Da hast Du immerhin Glück, dass die äusseren Umstände Deiner Arbeit positiv sind. Bei mir stimmen halt auch einige der äußeren Umstände nicht so recht: - Arbeitsplatz im Keller mit Blick auf einen tristen Innenhof ohne Grün - mäßige Bezahlung - Kollegen betreiben teilweise eine Art von "Mobbing Light" und sind auch sonst auf einer ganz anderen Wellenlänge als ich. Und dazu diese EDV-Aufgaben, die in mir Abwehrreaktionen auslösen (unterschwellige Aggressionen gegenüber den störrischen Computern) und eigentlich gar nicht zu meinen persönlichen Interessen passen. In meiner Freizeit benutze ich meinen Computer eigentlich nur zum Surfen und für Bildbearbeitung. Nie käme ich auf die Idee, am Abend noch irgendwas zu programmieren oder herumzukonfigurieren (im Gegensatz zu meinen Kollegen, die mehrheitlich damit ihre freie Zeit verbringen und natürlich jede Menge an Know-How anhäufen, welches mir fehlt). Mir fällt es schon schwer, die täglichen acht Stunden durchzustehen und ich schaffe es grade so, meine Stunden auf Plus/Minus Null zu halten. | |
| bunterhund Rank:member Group: members Posts: 157 IP Logged PM ID: 1181 [PM bunterhund] | Posted at Fri Feb 29, 2008 11:23:13 Edit post|Quote Das erinnert mich an meine Mutter, die 25 Jahre lang in einem Betrieb am Computer gesessen hat, super Geld verdient, Aufstiegschancen, aber mir besch.. Chef und Frustration durch den PC. Sie hat uns Kinder kaum gesehen und unser neu gekauftes Haus auch nicht, aber sie hats bezahlt. Schließlich musste sie in Therapie, wurde auch körperlich krank, hat schließlich endlich! den Job geschmissen. Heute ist sie Kinderfrau, selbst gewählt und akzeptabel - sie hat kaum Geld, aber mehr Glück! Für mich heißt das: Mit ersterem werde ich mich nie, nie zufrieden geben! - Allerdings glaube ich fest, man muss eine akzeptable Alternative finden. Als Studi lebe ich im Ausland momentan von 500 E und es geht! Stefan, du könntst doch eine Art Praktikum im Ausland machen. Verdienst zwar nix, aber sammelst die Erfahrung und Kontakte.Es gibt so viele Möglichkeiten. Ich gucke auch nach sowas.Das Geld dafür könntest du durch einen Minijob sparen. Was hast du denn für Vorstellungen? Ich geb gern ein paar Tips, denn nächstes Jahr will ich selbst 3 Monate Praktikum in Afrika machen. Ganz oft geht es, glaub ich, darum, den ersten Schritt zu machen und sich zu trauen. Man unterschätzt oft seine Fähigkeiten, etwas auf die Beine zu stellen. Aber wenn man einmal was gewagt hat, kann einem das keiner nehmen! Kann natürlich vorher ein paar Mal schiefgehen. Habe selbst auch Umwege gemacht. Schließlich liebe ich auch meine Mutter noch, obwohl sie zeitweise alles hingeschmissen hat. Dafür ist sie heute glücklicher! LG, Bunterhund ----------------------------- Der frühe Vogel kann mich mal! | |
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