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Ein ausgezeichnetes Beispiel von einer schweren Schreibblockade
liefert der Autor Siegfried Lenz in seinem 1968 erschienenen Roman
Deutschstunde.
Eigentlich geht es in diesem Buch um die kritische Auseinandersetzung
mit dem Dilemma der Verquickung von Pflicht und Schuld in der Zeit des
Nationalsozialismus.
Der fiktionale Ich des Romans "Siggi Jepsen", ein Insasse
einer Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche, soll in einem Aufsatz
das Thema "Die Freuden der Pflicht" behandeln und scheitert daran. Er
gibt ein leeres Heft ab, aber nicht weil er nichts zu schreiben weiß,
sondern weil er zu viel zu sagen hat. Im angeordneten Arrest, den er
selbst immer wieder verlängern lässt, sprudeln dann aus ihm die
Erinnerungen. Aber er kämpft zu Beginn gegen eine Schreibhemmung, wie
der folgenden Ausschnitt zeigt:
"Obwohl ich fast einen ganzen Tag so sitze, kann und kann
ich nicht anfangen: schau ich zum Fenster hinaus, fließt da durch mein
weiches Spiegelbild die Elbe; mach ich die Augen zu, hört sie nicht
auf zu fließen, ganz bedeckt mit bläulich schimmerndem Treibeis. Ich
muß die Schlepper verfolgen, die mit krustigem, befendertem Bug graue
Schnittmuster entwerfen, muß dem Strom zusehen, wie er von seinem
Überfluß Eisschollen an unseren Strand abgibt, sie hinaufdrückt,
knirrschend höher schiebt, bis zu den trockenen Schilfstoppeln, wo er
sie vergißt. Widerwillig beobachte ich die Krähen ..."
Ein paar Zeilen weiter heißt es dann:
"Und bin ich trotzdem einmal nahe daran anzufangen, fällt mein
Blick unweigerlich auf den zerschrammten, an Ketten hängenden
Anlegeponton, an dem die gedrungene, messingblitzende Barkasse aus
Hamburg festmacht, um pro Woche, sagen wir mal, bis zu zwölfhundert
Psychologen abzusetzen, die sich geradezu krankhaft für schwer
erziebare Jugendliche interessieren."
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